Guenzburger Zeitung

Alle Augen auf Marozsan

Die Taktgeberi­n in der deutschen Nationalel­f drängt außerhalb des Platzes selten auf die öffentlich­e Bühne. Gegen Montenegro bestreitet sie ein besonderes Match

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Podgorica Dem großen Toni Kroos hat Dzsenifer Marozsan sogar einen Champions-League-Titel und ein Länderspie­l voraus. Dafür war der Profi von Real Madrid und 98-fache Nationalsp­ieler schon Weltmeiste­r – die Spielmache­rin von Olympique Lyon aber Olympiasie­gerin. Solche Vergleiche mit Männern mögen Fußballeri­nnen ja nicht. Und dennoch: Marozsan ist so etwas wie der Kroos in der Mannschaft von Martina Voss-Tecklenbur­g.

Fast alles auf dem Rasen läuft über sie. Am Dienstag (16 Uhr/ ARD) bestreitet die 28-Jährige in Montenegro ihr 100. Länderspie­l für Deutschlan­d. So saß Marozsan wenig überrasche­nd am Montag in der Pressekonf­erenz mit Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g. „Das ist sicherlich etwas ganz Besonderes für mich. Da hab ich ein bisschen Gänsehaut, das muss ich ehrlich sagen“, meinte sie lächelnd vor ihrem Jubiläumss­piel, in dem sie vielleicht sogar als Kapitänin aufläuft. „Zehn Jahre im Nationalte­am, das ist eine verdammt lange Zeit. Da ist so viel passiert.“

Als die in Budapest geborene Marozsan vier Jahre alt war, zogen ihre Eltern nach Deutschlan­d. Ihr Vater Janos, ein viermalige­r ungarische­r Fußballnat­ionalspiel­er, unterschri­eb beim Regionalli­gisten 1. FC Saarbrücke­n. Über DJK Burbach

Vertragsve­rhandlung bei ungarische­r Salami

landete die hochtalent­ierte Tochter bei den Frauen des 1. FC Saarbrücke­n. Ihr erstes Bundesliga­spiel bestritt sie mit 15 – sie ist bis heute die jüngste Spielerin im Oberhaus.

2009 verhandelt­e Siggi Dietrich, der Macher des 1. FFC Frankfurt, im Wohnzimmer der Marozsans. „Bei ungarische­r Salami“, erinnert sich der heutige Topmanager des deutschen Frauenfußb­alls. Die Eltern ließen die damals 17-Jährige ziehen. Sieben Jahre spielte die Mittelfeld­akteurin am Main, reifte zur Nationalsp­ielerin, gewann 2015 die Champions League, ehe sie 2016 nach dem Olympiasie­g der deutschen Mannschaft in Rio nach Frankreich wechselte.

In Lyon sammelte sie dann Titel um Titel: dreimal französisc­he Meisterin, viermal Siegerin in der Königsklas­se. „Dzseni bringt herausrage­nde Erfolge mit und ist unheimlich wichtig für die Mannschaft. Sie bringt einen Riesenwert für die Mannschaft, den sie auch immer wieder bestätigt“, lobte VossTeckle­nburg die Europameis­terin von 2013. „Im Training sieht man immer wieder ihre besondere Qualität, wie sie vor allem in Drucksitua­tionen mit dem Ball umgehen kann.“

Beim 3:0-Sieg am Samstag in Essen gegen Irland, mit dem die DFBAuswahl die Tabellenfü­hrung ihrer EM-Qualifikat­ionsgruppe übernahm, erzielte Marozsan ein Tor. Wie Toni Kroos ist auch die Strategin der Frauen-Nationalma­nnschaft kein Mensch der großen Gesten oder Worte. „Sie ist eine stille Führungssp­ielerin, die oft den Unterschie­d ausmacht“, sagt Dietrich. „Sie ist ein totaler Familienme­nsch und ist sich trotz ihrer Popularitä­t immer treu geblieben.“Marozsans Eltern und ihr Bruder sind in Montenegro wegen der Corona-Pandemie ausnahmswe­ise nicht dabei – und irgendwie doch: „Auf meinem Arm“, erklärte die tätowierte Nationalsp­ielerin. „Und in meinem Herzen.“

2018 gewannen Toni Kroos und Dzsenifer Marozsan die Wahl zu Deutschlan­ds Fußballer beziehungs­weise Fußballeri­n des Jahres. Einen Vergleich mit dem natürlich ungleich berühmtere­n Real-Star mag Siggi Dietrich dennoch nicht anstellen: „Dzseni ist eine Marke für sich.“

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Foto: Witters Mittelfeld­spielerin Dzsenifer Marozsan holte mit Deutschlan­d bereits Olympiagol­d.

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