Guenzburger Zeitung

Mit dem Abstrich allein ist es längst nicht getan

Welche Herausford­erung Covid-19-Testungen für eine Arztpraxis sind und warum der Kötzer Arzt Dr. Wolfgang Stolle über „Filterstat­ionen“für Patienten mit Grippe- und Erkältungs­symptomen nachdenkt

- VON IRMGARD LORENZ

Kötz Der Test an sich ist „eine Sekundensa­che“, sagt der Kötzer Hausarzt Wolfgang Stolle. Auch wenn er an manchen Tagen in seiner Praxis 20 bis 30 Testungen auf SarsCoV-2 vornimmt, könnte man also denken, das sei ja keine große Affäre. Dennoch sagt der Mediziner: „Es reißt sich niemand um diesen Test“– und er hat eine Reihe von Gründen dafür.

Die Abnahme des Abstrichs aus dem Nasen-, Mund-, Rachenbere­ich an sich ist schnell gemacht. Damit ist es aber nicht getan, der Aufwand an Dokumentat­ion und der Probenvers­and kosten auch Zeit. Insgesamt etwa 20 Minuten Verwaltung­sarbeit erfordere jeder Test, sagt Dr. Stolle. Mittlerwei­le erstattet die Kassenärzt­liche Vereinigun­g den Praxen dafür 25 Euro, bis vor kurzem waren es 16,60 Euro. „Eine defizitäre Angelegenh­eit“für Arztpraxen, die auch wirtschaft­lich denken müssten, sagt Stolle. „Und wir importiere­n auch eine Infektions­gefahr.“Dass Berufskoll­egen diesen Aufwand und das Risiko nicht auf sich nehmen und in ihrer Praxis deshalb keine Testungen vornehmen, sei „nachvollzi­ehbar“.

Stolle, der mit einer Ärztin und einem weiteren Arzt eine Gemeinscha­ftspraxis für Allgemeinm­edizin in Kötz und eine Praxis in BibertalBü­hl betreibt, fühlt sich ethisch in der Pflicht: „Ich persönlich sehe das gegeben im Rahmen meiner hausärztli­chen Tätigkeit.“Allerdings sagt er auch klipp und klar: „Wir sind kein Abstrichze­ntrum!“und verweist gegebenenf­alls fremde Patienten an deren Hausärzte oder eben auch an die Abstrichze­ntren, die der Landkreis in den Medizinisc­hen Versorgung­szentren (MVZ) bei den Kliniken in Günzburg und Krumbach eingericht­et hat.

Abstriche nimmt Stolle normalerwe­ise nicht im laufenden Betrieb ab, sondern in extra dafür eingericht­eten Zeitfenste­rn, um möglicherw­eise infizierte Menschen bestmöglic­h von anderen Patienten fernzuhalt­en. der Mittagspau­se Abstriche“, sagt er und ist froh, dass sein Praxispers­onal das „klaglos, aber schon belastet“mitträgt. Dazu kommt neben dem zeitlichen Aufwand: „Das ist keine angenehme Arbeit.“

Aber auch, wenn keine SarsCoV-2-Testungen vorgesehen sind, ergibt sich die Notwendigk­eit im Rahmen anderer Untersuchu­ngen und Behandlung­en doch immer wieder. Von fünf ungeplante­n CoronaTest­s berichtet der Arzt am Tag des Gesprächs mit unserer Zeitung.

Seit Januar macht Stolle die Tests in seiner Praxis und trägt eine FFP2-Maske und eine entspreche­nde Schutzklei­dung. Dass das Tragen dieser Kleidung anstrengen­d ist und sie auch Geld kostet, findet er angesichts des Infektions­risikos für Ärzte Helferinne­n schon fast eher nebensächl­ich.

Besonders viele Tests fielen zum Ende der Urlaubszei­t an. „Mit den Reiserückk­ehrern war es ein Graus“, sagt der Mediziner, man habe einen „Abstrichko­rridor“eingericht­et und mit Mitarbeite­rn der Firma Alko in Kötz schon vor der Reise zu Familienan­gehörigen beispielsw­eise in die Türkei Abstrichte­rmine vereinbart, um den Ablauf möglichst reibungslo­s und effizient zu gestalten. Bei Personen, die symptomlos waren, seien höchstens ein Prozent tatsächlic­h infiziert gewesen, sagt Stolle und berichtet von Negativ-Ergebnisse­n, auch in Fällen, wo ein Familienmi­tglied tatsächlic­h infiziert war.

Wenn der Mediziner an die be„Statt vorstehend­e Grippe-Saison denkt, dann ist für ihn ganz klar: „Wir müssen weg von dieser Flut an nicht indizierte­n Abstrichen!“, denn dann seien ja zahlreiche Patienten mit Grippe-Symptomen zu erwarten. Stolle hält dann nur symptombez­ogene Testungen für sinnvoll. „Die Labors arbeiten jetzt schon an der Grenze und stehen mit dem Rücken zur Wand“, die Abläufe in dem Labor, mit dem die Gemeinscha­ftspraxen in Kötz und Bühl zusammenar­beiten, funktionie­rten aber gut. In der Regel liege das Testergebn­is innerhalb von zwölf bis 36 Stunden vor. Bei positiven Befunden, wenn also eine Infektion festgestel­lt worden ist, erfolge, um ganz sicher zu gehen, ein weiterer Test mit einer anderen Methode. Das erfordert zuund sätzliche Zeit. Der Mediziner rechnet damit, dass es in der Grippe-Saison aufgrund der „Flut von Abstrichen“zu Verzögerun­gen kommen kann, bis der Patient sein Testergebn­is und Gewissheit über eine eventuelle Infektion hat.

Stolle überlegt, ob er in seiner Praxis in Kötz einen zweiten Eingang extra für infizierte Patienten einrichten kann, über die Garage, „ganz primitiv“, wie er sagt, aber auf jeden Fall sinnvoll in seinen Augen. „Die Hausärzte werden stark gefordert sein“, sagt er, „das überforder­t unser ganzes System.“Derart großzügige­s Abstreiche­n wie während und nach der Reisezeit gehe nicht mehr.

Der Kötzer Mediziner denkt deshalb auch an die Schwerpunk­tpraxis, die es während des Katastroph­enfalls im Frühjahr in Zusammenar­beit von Landkreis, Bundeswehr und niedergela­ssenen Ärzten beim Abfallzent­rum in Leipheim gegeben hat. Er hält es für überlegens­wert, wieder eine solche Schwerpunk­tpraxis einzuricht­en, quasi „als Filterstat­ion“, damit möglichst wenig mit Corona infizierte Menschen das Virus womöglich unwissentl­ich in Praxen tragen.

„Damit die Flut an Infizierte­n nicht in die Arztpraxen muss“, so sagt es Stolle, denn er weiß als jahrzehnte­lang tätiger Mediziner, dass im Herbst und im Winter viele Menschen mit Erkältungs- und Grippesymp­tomen zum Arzt gehen. Und auch, wenn es im Landkreis derzeit „Gott sei Dank ganz wenige Fälle“von Covid-19-Erkrankung­en gibt, plädiert er dafür, in der Grippe-Saison auch bei leicht Erkrankten mit ungeklärte­n Grippe-Symptomen zur Sicherheit großzügig Abstriche zu nehmen. Möglicherw­eise könnten auch die Medizinisc­hen Versorgung­szentren (MVZ) in Günzburg und Krumbach Abstriche nehmen und ebenso wie eine solche Schwerpunk­tpraxis die Akutbehand­lung übernehmen, sagt Dr. Wolfgang Stolle. Zur Folgebehan­dlung könnten die Patienten dann wieder zu ihrem Hausarzt gehen.

 ?? Foto: Irmgard Lorenz ?? Die Reisezeit hat Dr. Wolfgang Stolle in seinen Gemeinscha­ftspraxen für Allgemeinm­edizin in Kötz und Bühl viel zusätzlich­e Arbeit mit Testungen auf Covid-19 gebracht. Für die Grippe-Saison erwartet er noch deutlich mehr Patienten. Er will verhindern, dass Menschen mit Erkältungs- und Grippesymp­tomen das Corona-Virus in Arztpraxen bringen.
Foto: Irmgard Lorenz Die Reisezeit hat Dr. Wolfgang Stolle in seinen Gemeinscha­ftspraxen für Allgemeinm­edizin in Kötz und Bühl viel zusätzlich­e Arbeit mit Testungen auf Covid-19 gebracht. Für die Grippe-Saison erwartet er noch deutlich mehr Patienten. Er will verhindern, dass Menschen mit Erkältungs- und Grippesymp­tomen das Corona-Virus in Arztpraxen bringen.

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