Er schnitt schon Claudia Schiffer die Haare
Der einstige Starfriseur Stephane Vigier über seine Zeit in Paris. Was ihn nach Bühl zog und wie er die Corona-Pandemie erlebt
Bühl/Neu-Ulm Stephane Vigier ist kritische Beobachter bei der Arbeit gewohnt. Früher war es Modezar Karl Lagerfeld, der ihm beim Haareschneiden über die Schulter schaute. Seit Ausbruch der Pandemie sind es Passanten, die in sein kleines Friseurgeschäft in Neu-Ulm spickeln, um zu sehen, ob der Franzose eine Maske aufhat.
Gründe, der Polizei Bescheid zu geben, sehen diese aber nicht: „Ich
Stephane Vigier über Maskenpflicht im Salon
bin da sehr genau mit den Vorschriften“, sagt der 52-Jährige mit einem charmanten französischen Akzent. Selbstverständlich ist das offenbar nicht: Wie berichtet, kam es kürzlich zu mehreren Anzeigen wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz durch Verstöße eines anderen Friseurs in der Neu-Ulmer Ludwigstraße. Auf der Polizeidienststelle in Neu-Ulm ging laut Polizeibericht die Mitteilung ein, dass Mitarbeiter ohne den entsprechend vorgeschriebenen Mund-Nase-Schutz frisieren würden. Eine Streife war schnell zur Stelle und beanstandete auch gleich fehlende Kontaktpersonenlisten.
Die Folge: Gegen den Salonbetreiber und drei Friseure wurde eine Anzeige nach dem Infektionsschutzgesetz erstellt.
Doch auch für den Salon von „Stephane de Paris“hatte die Polizeimeldung Folgen. „Kunden wollten ihre Termine absagen“, sagt Vigier. Es kostete ihn viele, viele Worte, zu erläutern, dass sein Salon nicht in den Fokus der Polizei geriet.
Vigier achtet peinlich genau auf die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes. Gerade weil er als Franzose, der viele Jahre im heutigen Corona-Risikogebiet Paris gelebt hat, durch Freunde weiß, wie gefährlich Covid-19 ist. Mit mehr als 30400 Coronatoten zählt Frankreich zu den schwer von der Pandemie betroffenen Ländern in Europa.
Stephane Vigiers Salon „Stephane der Paris“ist auch deshalb gerüstet. Jeder Gast muss seine Hände desinfizieren und eine Maske tragen. Ein Aushang erinnert im ganz im Zeichen des Eiffelturms durchgestylten Laden an die Pandemie. „Anweisung“steht auf einem Aushang, der zur Beachtung der Vorschriften aufruft. Beschäftigte tragen demnach verpflichtend Einmalhandschuhe – von der Begrüßung der Kundschaft bis nach dem obligatorischen Haarewaschen – und nach jedem Kundenkontakt sind die Hände zu desinfizieren.
Die Pandemie ist eine schwere Zeit für alle Friseure. Für Vigier ist sie wohl noch schwerer. Seit Februar hat er seine Kinder nicht mehr gesehen, weil sie in französischen Risikogebieten wohnen und der Besuch deshalb mit einer Quarantäne bei der Rückreise verbunden ist. „Das schmerzt“, sagt Vigier, auch wenn seine Sprösslinge längst erwachsen sind.
Vor sechs Jahren kam der in Lille aufgewachsene Vigier nach Deutschland, vor drei Jahren eröffnete er seinen Salon in Neu-Ulm. „Der Liebe wegen.“Auf einer Reise lernte er seine heutige Frau Bettina kennen, die aus Günzburg stammt. Damals war Vigier an der Spitze seiner Zunft: Er lernte in der Akademie von Louis Alexandre Raimon. Der 2008 gestorbene „Alexandre de Paris“war in Frankreich ein Star, seitdem er 1963 Elizabeth Taylors
Frisur für den Film Cleopatra entwarf.
Vigier schaffte es in der Akademie als künstlerischer Leiter an die Spitze. Ein Foto in seinem Salon zeigt, wie er Topmodell Claudia Schiffer frisiert. Karl Lagerfeld habe ihm vor einer Modenschau dabei nervös über die Schulter geschaut: „Nur nicht zu viel“, sagte der damalige Chanel-Boss. Bei den berühmten Haute-Couture-Schauen vor dem Cabaret Lido auf den Champs-Élysées war Vigier mittendrin statt nur
„Ich bin da sehr genau mit den Vorschriften.“
„Ein Glas Rotwein, Käse und ein gutes Steak.“
Stephane Vigier über kulinarische Vorlieben
dabei. Topmodels und Schauspieler gingen bei ihm ein und aus.
Dann kam 2014 seine heutige Frau Bettina in sein Leben. Statt Paris ist Bühl im Bibertal heute sein Zuhause. „Ich bereue nichts“, sagt der durchtrainierte Mann. Irgendwie hatte er auch genug von der Welt des Glamours.
Leicht sei der Abschied aus Frankreich aber nicht gewesen, erzählt Vigier. Und ein wenig fremdelt er immer noch mit dem Schwabenland – auch weil es durchaus eine Sprachbarriere zu überwinden gibt, sagt Vigier, der besser Englisch als Deutsch spricht. „Ich bin jemand für ein gutes Glas Rotwein, Käse und ein gutes Steak.“Maultaschen sind nicht seine Welt.
Claudia Schiffer hat er als Kundin vorerst verloren. Dafür war neulich die Fernsehsendung „Shopping Queen“bei ihm zu Gast für Dreharbeiten. Für Vigier ist es letztlich der gleiche Job: Der Haarschnitt muss jeweils zur Persönlichkeit passen. Egal, ob ihm Modezare, Kameras oder Maskenwächter bei der Arbeit auf die Finger schauen.