Guenzburger Zeitung

Wirtschaft erwartet mehr Insolvenze­n

Der Handel in Schwaben fordert Sonntagsöf­fnungen, um Verluste wettzumach­en

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Zum Höhepunkt der Corona-Krise hatte die Politik ein Auge zugedrückt: Selbst wenn in Deutschlan­d Unternehme­n in eine starke Schieflage gerieten, mussten sie nicht gleich Insolvenz anmelden. Dementspre­chend waren kaum Pleiten zu beobachten. Doch das könnte sich bald ändern – auch in unserer Region. „Ja, wir werden Insolvenze­n sehen“, sagt Marc Lucassen, der Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben im Gespräch mit unserer Zeitung. „Wir werden auch mehr davon sehen als zuvor“, fügt er an.

Der Grund: Zum 1. Oktober tritt eine Änderung bei den Corona-Regelungen in Kraft. Dann müssen Firmen wieder Insolvenz anmelden, wenn sie zahlungsun­fähig sind – selbst wenn die Corona-Krise daran Schuld trägt. Nur für Unternehme­n, die krisenbedi­ngt überschuld­et sind, gilt die Ausnahmere­gelung noch bis zum Jahresende. Hart getroffen hat die Krise zum Beispiel den Freizeitse­ktor. „Für Nachtclubs oder Reiseveran­stalter ist die Situation schwierig“, sagt Lucassen.

Doch bis auf besonders hart getroffene Branchen fasst die Wirtschaft in der Region langsam wieder Tritt. Auf den steilen Absturz durch Corona folgt eine schnelle Erholung. „Wir sehen im konjunktur­ellen Verlauf ein V“, sagt Lucassen. Die Zahl der Kurzarbeit­er sinke bereits spürbar. Dass eine regelrecht­e Pleitewell­e die Wirtschaft überrollt, davon geht auch die Handwerksk­ammer für Schwaben nicht aus.

Jetzt kommt es aus Sicht der Wirtschaft darauf an, die Erholung zu stabilisie­ren. „Einen Lockdown darf es nie wieder geben – das wäre der Super-GAU, dann bekommen wir eine Pleitewell­e ohne Ende“, sagt der Präsident der Handwerksk­ammer, Hans-Peter Rauch. Er fordert auch mehr Verlässlic­hkeit von der Politik bei den Corona-Lockerunge­n: „Derzeit haben die Unternehme­n

keine Planungssi­cherheit, die Regeln können sich täglich ändern.“Viele Mitgliedsu­nternehmen etwa würden sich fragen, ob Weihnachts­feiern stattfinde­n können.

Im schwäbisch­en Handel plädiert man zudem für zusätzlich­e Sonntagsöf­fnungen – auch, damit die Einzelhänd­ler ausgefalle­ne Marktsonnt­age nachholen können. „Auf den lokalen Einzelhand­el wirkte Corona wie ein Brandbesch­leuniger“, schildert Gerhard Pfeifer, der stellvertr­etende Präsident der IHK, die dramatisch­e Lage. Der Handel litt schon vor dem Virus stark unter der Online-Konkurrenz.

Überhaupt verschärft die Corona-Krise Probleme, die es zuvor bereits gab. Das gilt auch für die Autoindust­rie. Der Absatzrück­gang und der Wandel hin zur E-Mobilität beuteln die Branche, große Zulieferer wie Continenta­l bauen Stellen ab. Auch unsere Region kann betroffen sein, schwäbisch­e Autozulief­erer beschäftig­en mehr als 60000 Mitarbeite­r. Wo geht es für sie hin? Ist das E-Auto die Zukunft oder wird Wasserstof­f eine Rolle spielen? „Es fehlt im Automobilb­ereich die industriep­olitische Konzeption“, kritisiert Lucassen. Der Erfolg von Tesla beruhe darauf, dass E-Autos und Ladenetz aus einer Hand angeboten würden. In Deutschlan­d sei dies bisher nicht gelungen.

Dass der Freistaat 100 Millionen Euro in den Großraum Augsburg pumpt, um den Strukturwa­ndel besser zu stemmen, begrüßen die Wirtschaft­svertreter. Gefördert wird Forschung zu Künstliche­r Intelligen­z und die Entwicklun­g der Wasserstof­f-Technologi­e. „Jetzt kommt es darauf an, daraus etwas zu machen“, mahnt Lucassen. Ziel müsse es sein, eine „Modellregi­on Wasserstof­f-Technologi­e Schwaben“zu schaffen. Das Handwerk wünscht sich, beim Thema Künstliche Intelligen­z stärker eingebunde­n zu werden. Wie Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger die konjunktur­elle Lage beurteilt, steht auf Bayern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany