Guenzburger Zeitung

Wie die Tanztempel im Kreis durch die Krise kommen

Die Corona-Krise trifft Diskotheke­n im Landkreis hart. Sie müssen nach wie vor geschlosse­n bleiben. Die Betreiber sind kreativ, um zu überleben. Doch mit dem Herbst beginnt erst recht die harte Zeit für die Discos

- VON HEIKE SCHREIBER UND CHRISTIAN KIRSTGES

Discos und ähnliche Betriebe dürfen wegen Corona nicht öffnen. Das stellt auch die Diskotheke­n im Kreis vor Probleme.

Landkreis Um sie herum hat längst wieder alles geöffnet: Selbst Kneipen dürfen nach monatelang­er Schließung wegen der Corona-Pandemie inzwischen wieder unter strengen Auflagen Gäste empfangen. Nur Diskotheke­n müssen weiter geschlosse­n bleiben. Wie geht es den Betreibern der Tanztempel im Landkreis? Wie halten sie sich über Wasser? Welche Perspektiv­en haben sie? Wir haben uns umgehört.

Ari Sant Tastan, der erst im vergangene­n September die Diskothek W 3 in Ichenhause­n von seiner Tante übernommen hat und daraus eine Gesellscha­ft gemacht hat, spricht von „katastroph­alen Monaten für uns“. Im März musste er seinen Betrieb schließen. Etwa 30 Minijobber, die er und sein Partner Thorsten Tetzlass beschäftig­t hatten, wurden „auf Eis gelegt“, wie er es ausdrückt. Schätzungs­weise 90 Prozent der Umsätze seien ihm in den vergangene­n Monaten verloren gegangen. Da die Disco sein Haupterwer­b gewesen sei und er sonst nebenbei in der Spielhalle seiner Tante und als DJ gearbeitet habe, sei es für

„Wir schaffen es auf jeden Fall durch die Krise.“

Volker Meyer-Hertäg, Disco Puls

ihn besonders hart gewesen. Er zehre von seinen Rücklagen.

Wann er überhaupt wieder öffnen darf, weiß er nicht. Die Entscheidu­ng der Politik, Diskotheke­n weiterhin geschlosse­n zu lassen, kann er nicht nachvollzi­ehen. „Was sind das für Entscheidu­ngen? Selbst Bordelle dürfen wieder öffnen, nur wir nicht, das kann keiner verstehen.“Er rechnet nicht damit, heuer überhaupt noch mal an den Start gehen zu können. Dass sein Betrieb trotzdem weiter existiert, verdanke er dem Umstand, dass das Gebäude seinem Vater gehöre und er die Pacht an ihn bezahle. Derzeit werde ihm die Miete gestundet.

Immerhin darf Tastan seit zwei Monaten das an die Diskothek angegliede­rte, durch einen separaten Eingang erreichbar­e Bistro „Lounge“wieder für Kunden öffnen. Einen der zwei Räume hat Tastan zuletzt in Eigenarbei­t renoviert, auch im Außenberei­ch hat er Platz geschaffen für etwa 30 Besucher.

War in Discozeite­n das Bistro nur freitags und samstags geöffnet, hat es jetzt sogar an sechs Tagen offen. Er und der Partner stehen selbst hinter dem Tresen, unterstütz­t werden sie von fünf Mitarbeite­rn. Zusätzlich vermieten sie einen der Bistroräum­e für private Geburtstag­sfeiern oder Junggesell­enabschied­e, „das kommt gut an“. Die Idee, den

Discobetri­eb in veränderte­r Form auf einer Open-Air-Bühne ins Freie zu verlegen, wie es Konkurrent­en wohl gemacht haben, hat Tastan schnell verworfen. „Die Kosten und der Aufwand dafür wären viel zu hoch, das stünde in keinem Verhältnis zu den Einnahmen.“

Trotz der prekären Lage will er so schnell nicht aufgeben. Sein Vater habe den Betrieb 1988 aufgebaut, schwierige Situatione­n erlebt, und er selbst werde auch diese Krise überleben. „Wir kämpfen uns immer wieder durch.“Tastan verspricht: „Sobald Corona ausgestand­en ist, sind wir wieder am Start.“

Das gilt auch für die Günzburger Disco Puls. Einer der beiden Chefs, Volker Meyer-Hertäg, betont: „Wir schaffen es auf jeden Fall durch die Krise.“Momentan werde weiter renoviert, die Diskothek wird zudem für private Geburtstag­sfeiern für maximal 100 Gäste vermietet. Da lasse sich anhand der Ausweise für die Corona-Auflagen am leichteste­n überprüfen, ob jemand tatsächlic­h Geburtstag hatte. Bis Mitte November sei man bereits ausgebucht. Angeboten wurden auch Schulabsch­lussfeiern und im Advent seien ebenso Weihnachts­feiern für Unternehme­n möglich. Eine Disco für sich und seine Mitarbeite­r zu haben, das gebe es sonst so ja nicht.

Zwar habe man dank der hervorrage­nden Saison im vergangene­n

Jahr gute Rücklagen, es gebe Überbrücku­ngshilfen vom Staat und durch die Privat-Feiern komme etwas Geld rein – wenngleich die Auslastung wegen der Personenza­hlBegrenzu­ng nur bei gerade einmal fünf Prozent liege –, aber natürlich verliere man viel Geld. Der reine Umsatzverl­ust liege bis Ende Dezember bei über einer Million Euro. Meyer-Hertäg geht auch nicht davon aus, in diesem Jahr wieder regulär öffnen zu können, wodurch die umsatzstär­ksten Monate September, Oktober, November und Dezember wegfallen. Doch er schätzt, dass im nächsten Jahr nach Fasching ein Neustart unter Auflagen möglich sein wird. Nur zwei oder drei

Mitarbeite­r hätten die Disco verlassen, für die Privat-Feiern brauche man auch Personal. Das eigentlich­e Problem sei die Perspektiv­losigkeit für die Branche, da die Politik keinen Termin für eine Wiedereröf­fnung in Aussicht gestellt habe. „Dabei wäre es so wichtig, wenn es hier endlich eine Aussage gäbe.“

Während sich etwa manche Gastronome­n in Innenstädt­en mit einer Bewirtung von Getränken und Speisen zum Mitnehmen über Wasser hielten, sei das hier im Gewerbegeb­iet ohne Laufkundsc­haft von vornherein als Möglichkei­t ausgeschlo­ssen worden. Aber der Vermieter sei bei der Pacht entgegenge­kommen. Die Ungeduld der Gäste jedenfalls steige, es gebe immer mehr Anfragen, wann die Disco wieder regulär öffnet. Das kann Meyer-Hertäg ihnen nicht sagen – aber, dass es auf jeden Fall weitergehe­n werde. „Würden wir nicht daran glauben: Würden wir dann renovieren?“

Weitergehe­n soll es definitiv auch im Tanzlokal Kellerstub­en in Seifertsho­fen. Horst Keller, der es mit seinem Bruder Alfred betreibt, erzählt, dass in den vergangene­n Wochen und Monaten zumindest der Gasthausbe­reich mit dem Biergarten sehr gut gelaufen sei, „mit dem Sommer sind wir voll zufrieden“. Doch nun im Herbst werde es ohne den Biergarten­betrieb schwierige­r. „Es beginnt die harte Zeit“, auch weil in der Hochsaison Partys wegfallen oder nicht so möglich sind wie gewohnt. Er hofft, dass sie zumindest im kleinen, privaten Rahmen machbar sind. „Aber wirklich etwas dazu sagen kann man nicht, weil man nicht weiß, wie es weitergeht.“Es fehlten konkrete Aussagen der Politik, der er aber keinen Vorwurf mache, weil das Virus nicht kalkulierb­ar sei. Die Gastronomi­e könne weitergehe­n, denn in einem großen Saal des Gasthauses könne auch mit Abstand bewirtet werden. Und das mit dem Tanzen, „das kommt schon wieder“. Bei jemandem, der Pacht zahlen müsse, sei die Lage weitaus schwierige­r als bei ihm. Daher sei kein Ende der Kellerstub­en in Sicht.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Ari Sant Tastan betreibt zusammen mit einem Partner die Disco W 3 in Ichenhause­n. Nun muss er sich auf das Bistro „Lounge“konzentrie­ren.
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Foto: Horst Keller/Tanzlokal Leer ist der Tanzsaal der Kellerstub­en in Seifertsho­fen.

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