Guenzburger Zeitung

Nawalny hat die Klinik verlassen

Hoffnung auf vollständi­ge Genesung

- VON INNA HARTWICH

Berlin Durchdring­end schaut er in die Kamera, das Gesicht abgemagert, die Hände gefaltet. Das Bild, das Alexej Nawalny am Mittwoch in seinem Instagram-Account präsentier­te, zeigt ihn auf einer Bank irgendwo im Grünen, sein Käppi neben sich. „Hurra!“, schrieb er dazu. Kurz zuvor hatte die Berliner Charité mitgeteilt: „Der Gesundheit­szustand des Patienten hat sich soweit gebessert, dass die akutmedizi­nische Behandlung beendet werden konnte.“Der 44-jährige Kremlkriti­ker ist entlassen, nach 32 Tagen. „Und hopp, schon humple ich durch den Park, in einer Hose, die mir drei Größen zu groß ist“, schrieb Nawalny. Seine Pläne? „Ganz einfach: tägliche Physiother­apie, womöglich Reha. Auf einem Bein stehen, die Kontrolle über meine Finger zurückgewi­nnen, einen Ball werfen, mit der Hand schreiben.“

Die behandelnd­en Ärzte hielten „aufgrund des bisherigen Verlaufs und des aktuellen Zustandes des Patienten eine vollständi­ge Genesung für möglich“, hieß es in der Mitteilung der Klinik. Zum aktuellen Aufenthalt­sort machte die Charité keine Angaben.

Nach Angaben der Bundesregi­erung wurde Nawalny, einer der erfolgreic­hsten russischen Kritiker des Putin-Systems „zweifelsfr­ei“mit einem chemischen Nervenkamp­fstoff aus der sogenannte­n Nowitschok-Gruppe vergiftet, einst in der ehemaligen Sowjetunio­n entwickelt. Labore in Frankreich und Schweden bestätigte­n später den deutschen Befund. Die russischen Behörden sehen im Vorgehen der Deutschen eine „antirussis­che Hysterie“und weisen alle Anschuldig­ungen vehement zurück. Ein Strafverfa­hren wollen die Russen nicht eröffnen und verweisen stets darauf, „der Patient“– der Kreml nennt Nawalny nie beim Namen – habe das Land ohne jeglichen Nachweis eines Giftes in Richtung Deutschlan­d verlassen. Die Frist, ein solches Verfahren zu eröffnen, ist nach russischem Recht bereits abgelaufen, auch wenn Vorermittl­ungen dennoch weitergehe­n.

Längst ist ein Kampf um die Deutungsho­heit entbrannt. Während der Notarzt in Omsk durchaus von einer Vergiftung ausging und Nawalny in die Toxikologi­e bringen ließ, ließen die Ärzte dort Nawalny mit der Diagnose „Stoffwechs­elstörung“mit seiner Familie doch noch nach Berlin ausfliegen.

Nawalnys Team ist überzeugt davon, dass der russische Geheimdien­st hinter der Vergiftung steckt. Russland bringt die Version in den Umlauf, die Deutschen oder westliche Geheimdien­ste hätten Nawalny vergiftet. Russlands Präsident Wladimir Putin soll laut einem Bericht von Le Monde seinem französisc­hen Amtskolleg­en Emmanuel Macron gar gesagt haben, Nawalny habe sich selbst vergiftet. „Eine gute Version, ist einer angemessen­en Untersuchu­ng wert“, spottete Nawalny daraufhin bei Instagram. „Hab also Nowitschok in der Küche gekocht, nahm still und leise einen Schluck davon aus dem Flachmann im Flieger und fiel ins Koma.“

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Foto: dpa Alexej Nawalny

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