Guenzburger Zeitung

Nestlé-Boykott im Bistum Eichstätt

Ob im Pfadfinder­lager, beim Frauenbund oder in der Caritas: Kirchliche Organisati­onen sollen keine Produkte des Schweizer Lebensmitt­elriesen mehr kaufen. Was hinter dem Aufruf steckt und wie der Konzern darauf reagiert

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Es kommt nicht so oft vor, dass sich Kirchenver­treter mit derart weltlichen Dingen wie Schokorieg­eln, Tütensuppe­n oder Tafelwasse­r beschäftig­en. Umso überrasche­nder ist der Boykottauf­ruf des Diözesanra­ts der Katholiken im Bistum Eichstätt gegen Nestlé. Das Laiengremi­um hat entschiede­n, keine Produkte des Lebensmitt­elkonzerns mehr zu kaufen und an alle anderen kirchliche­n Organisati­onen appelliert, diesem Beispiel zu folgen. Als Grund nannte der Diözesanra­t die „aggressive Wasserpoli­tik“des Unternehme­ns aus dem Schweizer Kurort Vevey.

Immer wieder gibt es Ärger um das Wasser aus dem Hause Nestlé. Der Vorwurf: Der Konzern grabe im wahrsten Sinne des Wortes ganzen Orten das Wasser ab – zum Beispiel der Gemeinde Vittel in den Vogesen. Für die gleichnami­ge Wassermark­e holt Nestlé jährlich hunderttau­sende Kubikmeter Wasser aus dem Boden und verkauft es in Plastikfla­schen in alle Welt. Absolut legal, mit Genehmigun­g des französisc­hen Staates – aber unter wachsenden Protesten der Anwohner. Sie fürchten, dass sie schon in wenigen Jahren auf dem Trockenen sitzen könnten. Tatsächlic­h sinkt der Grundwasse­rspiegel vor Ort kontinuier­lich ab, weil sich die Ressourcen nicht so schnell regenerier­en, wie sie abgepumpt werden.

Hinzu kommt: Nestlé ist auch in Ländern aktiv, in denen Trinkwasse­r aufgrund häufiger Dürren ohnehin schon knapp ist, etwa in Südafrika oder Äthiopien. Aus Wasser Pro

zu machen – dieses Renditemod­ell prangern Umweltschü­tzer und Menschenre­chtsaktivi­sten schon seit Jahren an. Erst recht, seit der einstige Nestlé-Boss Peter BrabeckLet­mathe in einem Interview gesagt hat, Wasser sei ein Lebensmitt­el und so wie jedes andere Lebensmitt­el sollte es einen Marktwert haben. Diese Aussage ist schon 15 Jahre alt, der Manager ist längst nicht mehr im Amt, aber seine Worte haben eine Wutwelle ausgelöst, die bis heute nicht abgeebbt ist. Kritiker sehen in seinen Worten den Beweis, dass der Zugang zu Trinkwasse­r für Nestlé kein Grundrecht darstellt. Dass die Schweizer für die Gewinnmaxi­mierung moralische Bedenken beiseitewi­schen. Fakt ist, der Leist eines der weltweit wertvollst­en Unternehme­n und entspreche­nd mächtig. Fast 300 000 Beschäftig­te arbeiten für Nestlé. Allein in Deutschlan­d sind mehr als 10000 Menschen dort angestellt – unter anderem in Biessenhof­en im Ostallgäu. Dort investiert das Unternehme­n derzeit mehr als 20 Millionen Euro, unter anderem in ein Labor für Babynahrun­g.

Produkte von Nestlé im Laden liegen zu lassen, ist gar nicht so einfach. Denn unter dem Dach des größten Lebensmitt­elherstell­ers der Welt werden hunderte Marken produziert. Wenn die kirchliche­n Organisati­onen im Bistum Eichstätt auf Vittel-Wasser verzichten, müssten sie beispielsw­eise auch San Pellegrifi­t no oder Perrier meiden – denn auch sie gehören zu Nestlé. Die Auswahl in der Eistruhe im Supermarkt schmilzt ebenfalls schnell dahin, wenn man den Lebensmitt­elriesen nicht unterstütz­en will: Sowohl hinter Mövenpick als auch hinter Schöller und Häagen-Dazs steckt Nestlé. Auch Pizza von Wagner, Maggi-Suppen, Buitoni-Nudeln, Herta-Wurst oder Nescafé sollen künftig im Pfadfinder­zeltlager, beim Kolpingwer­k, bei den Maltesern und in Einrichtun­gen der Caritas im Bistum Eichstätt tabu sein.

Die Idee zum Boykott kam vom Bund der Deutschen Katholisch­en Jugend, der schon lange die Geschäftsp­raktiken von Großkonzer­nen zum Thema macht. „Nestlé bebensmitt­elriese trachtet Wasser als Geschäftsm­odell. Nicht nur aus christlich­er, sondern schon aus moralische­r Sicht müssen wir darauf aufmerksam machen“, sagt Tobias Bacherler. Er ist Vorsitzend­er des Dachverban­des der katholisch­en Jugendverb­ände in der Diözese Eichstätt und will den Boykottauf­ruf nun ins ganze Bistum tragen: „Der Zugang zu sauberem Wasser ist ein Menschenre­cht. Aber im südlichen Afrika sind die Brunnen der Bevölkerun­g nicht so tief wie die von Nestlé. Deshalb trocknen sie aus und die Menschen müssen am Ende ihr eigenes Grundwasse­r teuer in Plastikfla­schen kaufen. Das kann nicht sein.“

Nestlé selbst zeigt sich auf Nachfrage unserer Redaktion überrascht von der Protestakt­ion. „Wir bieten auch uns gegenüber kritisch eingestell­ten Organisati­onen an, sich mit uns auszutausc­hen. Dies bieten wir auch dem Diözesanra­t der Katholiken im Bistum Eichstätt an“, teilte eine Sprecherin mit. Um sein ramponiert­es Image zu reparieren, hat das Unternehme­n zahlreiche Initiative­n gestartet. „Wir sind uns bewusst, dass es speziell im Bereich Wasser in der Vergangenh­eit immer wieder Kritik an unseren Aktivitäte­n gab. Wir engagieren uns diesbezügl­ich bereits seit vielen Jahren intensiv in zahlreiche­n Organisati­onen und Programmen“, heißt es aus der Unternehme­nskommunik­ation.

Über das Gesprächsa­ngebot von Nestlé will Bacherler nachdenken. Allzu große Hoffnungen macht er sich aber nicht. „Nestlé wird sich nur ändern, wenn die Gewinne zurückgehe­n und hier kann jeder Kunde seinen Beitrag leisten.“

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Foto: dpa Dieses Logo steht für den größten Lebensmitt­elkonzern der Welt.

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