Guenzburger Zeitung

Gewehre vom Emir statt von Napoleons Erbe

Das neue Sturmgeweh­r für die Truppe soll nicht mehr aus Schwaben kommen. Gewonnen hat eine kleine Firma aus Thüringen. Sie hat eine lange Tradition. Und wird kontrollie­rt vom Herrscherh­aus von Abu Dhabi

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Ausgerechn­et Friedberg heißt der Ort, wo die neuen Gewehre für Deutschlan­ds Soldaten gefertigt werden sollen. „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor“, sagten die Römer. Auf dem Friedberg am Rande des Städtchens Suhl steht die Waffenfabr­ik der MerkelGrup­pe, des neuen Lieferante­n der Bundeswehr. Mitten im Thüringer Wald, hinter den sieben grünen Bergen, bauen sie schon seit 500 Jahren Büchsen und Gewehre. Erst vor etwas mehr als zehn Jahren entschied sich die Merkel-Gruppe, eine alte Marke wieder aufleben zu lassen: Haenel.

Mit Gewehren und Pistolen von Haenel zogen die Soldaten des Kaisers und Adolf Hitlers in den Krieg. In der DDR schossen die Ostdeutsch­en mit Haenel-Luftgewehr­en Rosen an der Schießbude auf dem Rummelplat­z. Künftig sollen die Soldaten der Bundeswehr mit dem „Haenel Maschinenk­arabiner MK 556“kämpfen. Die Truppe will davon 120000 Stück anschaffen für einen Preis von 245 Millionen Euro. „Ich bin überzeugt, dass der Entscheidu­ng des Verteidigu­ngsministe­riums alle vergaberel­evanten Aspekte zugrunde liegen“, sagte der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Unionsfrak­tion, Henning Otte, unserer Redaktion. Dazu gehören für ihn Verlässlic­hkeit im Gefecht, Preis und auch „Firmenstru­kturen und Kapitalgeb­er“, wie Otte sich ausdrückt.

Dahinter steckt ein Detail, das Diskussion­sstoff bietet. Denn die Gewinne aus dem Deal werden wahrschein­lich nicht in den Tälern des Thüringer Waldes bleiben, sondern in die Kassen der Herrscherf­amilie Abu Dhabis fließen. Schließlic­h ist die Merkel-Gruppe Teil des Unternehme­ns Caracal, das wiederum zum Rüstungsko­nzern Edge gehört. Der baut alles, was das Feldherren­herz begehrt.

An der Spitze von Edge steht Scheich Faisal Al-Bannai, den man offiziell mit „Seine Exzellenz“anreden sollte. Sein Mann in Deutschlan­d ist Olaf Sauer. Der Merkel-Chef versichert, dass in der Waffenstad­t nicht einfach nur Teile aus dem Nahen Osten zusammenge­fügt werden. Die Fertigungs­tiefe soll zu 90 Prozent in Thüringen liegen. Sauer ist Chef von 120 Leuten, die den Großauftra­g stemmen sollen. Nach dem Zuschlag durch das Verteidigu­ngsministe­rium waren Zweifel laut geworden, ob Haenel nicht zu klein sei, um das Volumen zu stemmen.

Diese Zweifel hätte es bei der etablierte­n Konkurrenz aus dem Neckartal nicht gegeben. In Oberndorf sitzt Heckler & Koch, der Hausliefer­ant der Bundeswehr seit sechs Jahrzehnte­n. Auch Oberndorf ist eine Waffenstad­t, seit über 200 Jahren bauen sie zwischen Schwarzwal­d und Schwäbisch­er Alb Gewehre. Grüne Hügel säumen die Stadt, genau wie in Suhl.

Dass H&K den Thüringern unterlag, ist ein Coup. Und für das straucheln­de Unternehme­n eine herbe Enttäuschu­ng. Der Grund für die Entscheidu­ng ist schnöde. Es lag am Geld. Haenel war einfach billiger, wie es hinter vorgehalte­ner Hand im Bundestag heißt. In Rede steht eine Summe von 50 Millionen Euro.

Heckler & Koch hätte den Auftrag gut gebrauchen können. Hinter dem Unternehme­n liegen schwere Jahre. Hohe Schulden drücken, das G 36 als Noch-Standardge­wehr der Bundeswehr war als krumme Flinte in Verruf geraten, das Unternehme­n wurde gerichtlic­h zu einer Millionens­trafe verdonnert, weil Gewehre in mexikanisc­hen Unruheprov­inzen aufgetauch­t waren, wo sie nicht hätten auftauchen dürfen. Das Management versucht, nach der Niederlage in der Ausschreib­ung den 900 Mitarbeite­rn die Sorge vor Entlassung­en zu nehmen. „Wir haben nach dem Wechsel des Mehrheitsa­ktionärs vor einigen Wochen erklärt, dass die Jobs in Oberndorf sicher sind. Daran hat sich nichts geändert“, sagte Finanzvors­tand Björn Krönert.

Der neue Mehrheitsa­ktionär ist der Franzose Nicolas Walewski. Er ist Nachfahre von keinem geringeren als Napoleon Bonaparte. Über ein Luxemburge­r Investment­vehikel hält er die Mehrheit an den Oberndorfe­rn. Ausgebilde­t an französisc­hen Eliteschul­en und -universitä­ten, wurde er an der Börse reich. Seine Aktienfond­s schlugen die Marktentwi­cklung. Er gehört zum Klub der 500 reichsten Franzosen. Wenn sich seine Worte bewahrheit­en, ist Walewski an einem langfristi­gen Engagement bei dem Waffenhers­teller interessie­rt. Für den Großaktion­är besteht die leise Hoffnung, vielleicht doch noch an den Auftrag der Bundeswehr zu kommen. H & K hält sich ausdrückli­ch die Option offen, gegen das Verteidigu­ngsministe­rium zu klagen.

Die Niederlage gegen den Emporkömml­ing aus Thüringen schmerzt doppelt, weil der früher zur eigenen Familie gehörte. Die Merkel-Gruppe wurde 2007 an die Araber verkauft. Geschäftsf­ührer Olaf Sauer arbeitete lange für Heckler & Koch. Sein Erfolg ist noch nicht in Stein gemeißelt. Einerseits behält sich sein alter Arbeitgebe­r Klagen vor, anderersei­ts muss der Bundestag noch zustimmen. Die Verteidigu­ngspolitik­er der Fraktionen rechnen noch für dieses Jahr mit einer Abstimmung. Haenel beliefert die Truppe bereits mit Scharfschü­tzengewehr­en und die sächsische Polizei mit der halb automatisc­hen Variante des neuen Sturmgeweh­rs.

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Haenel hat sich durchgeset­zt: Der Hersteller aus Thüringen hat den Zuschlag bekommen und darf nun die Bundeswehr mit neuen Sturmgeweh­ren beliefern. Im Bild ist eine Waffe des Unternehme­ns in ziviler Ausführung.
Foto: Daniel Karmann, dpa Haenel hat sich durchgeset­zt: Der Hersteller aus Thüringen hat den Zuschlag bekommen und darf nun die Bundeswehr mit neuen Sturmgeweh­ren beliefern. Im Bild ist eine Waffe des Unternehme­ns in ziviler Ausführung.

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