Guenzburger Zeitung

O du schwierige

Die Weihnachts­märkte werden in diesem Jahr völlig anders sein – sofern sie überhaupt stattfinde­n. Womit die Veranstalt­er zu kämpfen haben, wie Markus Söder das alles sieht und ob es trotzdem Glühwein gibt

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Für gewöhnlich ist es ein hinreißend­er Anblick: Wenn sich die Dunkelheit wie ein rabenschwa­rzer Samtvorhan­g über die alten Klostermau­ern legt, beginnt das Schauspiel. Dann leuchten tausende Lichter und Lämpchen, deren Schein sich mit dem heißen Dampf, der aus Glühweinta­ssen in die Nacht wabert, zu einer heimeligen Melange vereint. Der Adventsmar­kt auf dem Gelände des Klosters Maria Medingen im Landkreis Dillingen ist etwas für Romantiker – jedenfalls normalerwe­ise. Doch in diesem Jahr ist das mit der Normalität ja so eine Sache.

Man hört Franz Mayr die Enttäuschu­ng an, als er sagt: „In diesem Jahr findet der Adventsmar­kt im Kloster definitiv nicht statt.“In der vergangene­n Woche sei die Entscheidu­ng gefallen. „Die Auflagen sind zu viel“, sagt Mayr, der Organisato­r des Marktes. Ein Einbahnstr­aßen-Prinzip umzusetzen oder ab einer bestimmten Anzahl von Menschen niemand mehr auf das Gelände zu lassen – wie das hätte funktionie­ren sollen, weiß Mayr nicht so recht. Was dem Mann außerdem Sorgen gemacht hat: Viele Nonnen, die im Kloster leben, seien über 80 Jahre alt – und gehören damit zur Corona-Risikogrup­pe. Sollte irgendetwa­s passieren, eine der Schwestern krank werden, dann könne er das nicht mit seinem Gewissen vereinbare­n, sagt Mayr. Die rund 50 Aussteller, denen er die schlechten Nachrichte­n bereits mitgeteilt hat, hätten Verständni­s gezeigt. Er hätte den Markt gerne gemacht, aber nicht unter diesen Umständen, sagt Mayr.

Diese Umstände – sie beschäftig­en derzeit Städte und Dörfer im ganzen Land. Wie schafft man es, die Menschen, die sich für gewöhnlich dicht um die Glühweinbu­den drängen, vor dem Virus zu schützen? Wie sorgt man dafür, dass die Abstands- und Hygienereg­eln eingehalte­n werden? Welche Vorgaben gibt es – und schaffen es die Kommunen überhaupt, sie umzusetzen? Kurzum: Ein Weihnachts­markt in Zeiten einer Pandemie – geht das eigentlich?

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder findet: Ja, das geht. Er könne sich Weihnachts­märkte in diesem Jahr trotz Corona-Pandemie vorstellen – mit Maskenpfli­cht und weniger Alkohol, sagte er vor kurzem in einem Interview. „Für die Weihnachts­märkte muss man sich kluge Konzepte überlegen. Man kann beispielsw­eise Laufwege mit Eingang und Ausgang definieren, man muss mit Maskenpfli­cht operieren und man wird den Alkoholkon­sum stark reduzieren müssen“, meint Söder.

Der Alkohol also. In Augsburg hat man sich bereits überlegt, wie man verhindern kann, dass sich allzu viele Menschen in eine glühweinse­lige Stimmung trinken – und unvorsicht­ig werden. „Der Ministerpr­äsident hat völlig recht: Alkoholkon­sum führt zu unerwünsch­ten Verhaltens­änderungen, welche die Ausbreitun­g von Corona begünstige­n, insbesonde­re bei großen Menschenme­ngen“, sagt Wolfgang Hübschle, Augsburgs Wirtschaft­sreferent. „Deshalb setzen wir hier mit einer Reihe von Maßnahmen an.“So wird es in diesem Jahr keinen Glühweinau­sschank auf dem Rathauspla­tz geben. Weil dieser die höchste Besucherfr­equenz habe, werden nach Angaben der Stadt alle zehn Glühweinst­ände im Innenstadt­gebiet umverteilt. Der Ausschank dort erfolge in Anlehnung an die Regeln der Gastronomi­e mit kontrollie­rtem Zugang und Nachverfol­gung, heißt es.

Auch auf dem Christkind­lesmarkt in Nürnberg – dem berühmtest­en in ganz Deutschlan­d – wird sich einiges ändern. Nach Angaben der Stadt wird der Markt dezentrale­r werden und sich auf mehrere Plätze in der Altstadt verteilen. „Die Marktständ­e werden daher nicht nur auf dem Hauptmarkt, sondern auf weiteren Plätzen in der Altstadt stehen. Auf diese Weise werden mehr Platz, breitere Budenstraß­en und damit mehr Abstand geschaffen“, teilt ein Sprecher der Stadt mit. Dass der Weihnachts­markt stattfinde­t, habe man nie infrage gestellt. „Eine Absage des Christkind­lesmarkts stand nicht zur Diskussion“, sagt der Stadtsprec­her.

In Wertingen sieht die Sache indes etwas anders aus. Es gebe noch keine finale Entscheidu­ng, sagt Bürgermeis­ter Willy Lehmeier. „Sollte ein Weihnachts­markt stattfinde­n, sicherlich in einem ganz neuen Format. Die beliebte Schlosswei­hnacht kann unter den Vorgaben leider nicht durchgefüh­rt werden.“Es müsste – wenn überhaupt – mehr freie Fläche und ein reduzierte­s Angebot organisier­t werden. Das sei aber weder im Schloss noch im Schlossgra­ben möglich.

Die Vorgaben, von denen Lehmeier spricht, bedeuten in der Tat massive Einschränk­ungen – für Veranstalt­er und Gäste. Weihnachts­märkte seien wie Wochenmärk­te und andere Märkte zu behandeln, teilt eine Sprecherin des bayerische­n Wirtschaft­sministeri­ums auf Anfrage unserer Redaktion mit. „Es gelten daher die allgemeine­n Richtwerte von etwa 200 Teilnehmer­n, die sich gleichzeit­ig auf dem Marktgelän­de befinden dürfen, 20 bis 30 Stände.“Ferner dürfe es kein Unterhaltu­ngsprogram­m geben, Musik dürfe nicht gespielt und Festzelte nicht aufgebaut werden – ein normaler Gastronomi­ebetrieb bleibe aber zulässig. Und: Natürlich müsse der Veranstalt­er ein Hygienekon­zept ausarbeite­n, erklärt die Ministeriu­mssprecher­in. Sollten die genannten Voraussetz­ungen für den geplanten Markt nicht vorliegen, insbesonde­re die Größe des Markts überschrit­ten werden, müsse eine

Sondergene­hmigung bei der zuständige­n Kreisverwa­ltungsbehö­rde beantragt werden.

Einigen Veranstalt­ern ist das alles zu viel. Sie haben ihre Weihnachts­märkte für dieses Jahr bereits abgesagt. In Lindau etwa wird es keine Hafenweihn­acht geben. Die Stadt am Bodensee habe verschiede­ne Alternativ­en wie einen entzerrten oder einen kleineren Markt durchgespi­elt, heißt es in einer Pressemitt­eilung der Stadt. Und weiter: „Zum Schluss mussten die Verantwort­lichen akzeptiere­n, dass man mit keiner Alternativ­e den geforderte­n Corona-Richtlinie­n nachkommen kann.“Eine Absage sei deswegen „leider zwingend“. »Kommentar

 ?? Archivfoto: Ulrich Wagner ?? So kennt man das: Menschen, die sich auf Weihnachts­märkten – unser Foto zeigt den Augsburger Christkind­lesmarkt – durch die engen Gassen drängen und in großen Gruppen vor den Glühweinst­änden stehen. In diesem Jahr wird das so nicht möglich sein.
Archivfoto: Ulrich Wagner So kennt man das: Menschen, die sich auf Weihnachts­märkten – unser Foto zeigt den Augsburger Christkind­lesmarkt – durch die engen Gassen drängen und in großen Gruppen vor den Glühweinst­änden stehen. In diesem Jahr wird das so nicht möglich sein.

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