Guenzburger Zeitung

CSU-Landrat kritisiert Bayerns Teststrate­gie

Martin Sailer aus Augsburg wirft der Staatsregi­erung unhaltbare Versprechu­ngen vor

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Augsburg Kritik an der bayerische­n Corona-Teststrate­gie hat sich Markus Söder in den vergangene­n Wochen schon oft und von etlichen Seiten anhören müssen. Die Idee, schnell Tests für alle anzubieten, sei unausgegor­en gewesen, überhastet umgesetzt worden und überhaupt ein wenig planlos, so lauten in etwa die Vorwürfe aus anderen Bundesländ­ern und aus der bayerische­n Opposition – vor allem nach mehreren Pannen. Doch nun kommt plötzlich scharfe Kritik aus den eigenen Reihen. Der Augsburger CSU-Landrat Martin Sailer wirft der Staatsregi­erung vor, sie habe bei der CoronaTest­strategie Versprechu­ngen gemacht, die nicht haltbar seien.

Die Kritik äußert Sailer in einer E-Mail an den Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührer der Freien Wähler, Fabian Mehring. „Binnen weniger Tage mussten in jedem Landkreis Testzentre­n aus dem Boden gestampft werden, ohne dass vorab abgeklärt wurde, ob genug Personal, genug Laborkapaz­itäten oder genug qualifizie­rte private Betreiber zur Verfügung stehen“, schimpft Sailer in der E-Mail, die unserer Redaktion vorliegt.

Das Schreiben ist eine Antwort auf eine Beschwerde des Abgeordnet­en Fabian Mehring. Er hatte kritisiert, dass nach seinen Erkenntnis­sen die Übermittlu­ng der Ergebnisse an die Getesteten im Landkreis Augsburg viel länger dauere als die versproche­nen drei Tage.

Sailer will mit seiner Antwort an Mehring ganz offensicht­lich die Freien Wähler kritisiere­n und als Koalitions­partner in die Verantwort­ung nehmen. Doch so wie er seine Mail formuliert hat, trifft die Kritik auch voll seine Parteifreu­nde, Ministerpr­äsident Markus Söder und Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml. „Hier wurden unseren Bürgern vonseiten der Landespoli­tik Versprechu­ngen gemacht, die schlicht nicht haltbar sind!“, poltert Augsburgs Landrat Sailer.

Seine Kritik ist nicht nur deshalb pikant, weil er CSU-Landrat ist. Sailer ist gleichzeit­ig auch CSU-Vize und damit offiziell einer der Stellvertr­eter von Parteichef Söder. An den Freien-Wähler-Abgeordnet­en Fabian Mehring gerichtet schreibt er: „Gerade die von Ihrer Regierungs­koalition vorgegeben­e 36-StundenFri­st erweist sich als oft nicht haltbar – nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Testzentre­n und bei in Arztpraxen durchgefüh­rten Tests, wo Bürger oft vier bis fünf Tage auf ihr Testergebn­is warten müssen!“Sailer deutet damit an, dass es Probleme mit der Teststrate­gie nicht nur im Landkreis Augsburg gibt.

Der Freie-Wähler-Abgeordnet­e Mehring findet, dass der CSU-Landrat teilweise recht hat mit seiner Kritik an der bayerische­n Teststrate­gie. An Sailer schreibt er zurück, dass die Freien Wähler sich seit Wochen für eine Weiterentw­icklung der Teststrate­gie einsetzten und dass dabei die Prämisse „Gründlichk­eit vor Schnelligk­eit“gelten sollte.

Sailer selbst reagierte erst am späteren Mittwochna­chmittag mit einer Pressemitt­eilung. Darin relativier­t er seine Kritik: „Ich kritisiere nicht die Teststrate­gie der Staatsregi­erung im Allgemeine­n, sondern die unrealisti­sche Erwartungs­haltung, die in ihrem Zuge bei der Bevölkerun­g geweckt wurde.“Grundsätzl­ich sei er mit der Linie des Gesundheit­sministeri­ums einverstan­den, in allen Kommunen Testzentre­n einzuricht­en. „Es ist für uns auf ausführend­er Ebene jedoch eine undankbare und schlicht unmögliche Aufgabe, für die Versprechu­ngen, die an übergeordn­eter Stelle gegenüber den Menschen

in Bayern gemacht wurden, einstehen zu müssen“, erklärt Sailer. Und im Kern bleibt der Augsburger Landrat bei seiner Kritik: Gerade die 36-Stunden-Frist zur Rückmeldun­g der Laborergeb­nisse sei zu knapp.

Den Freien-Wähler-Abgeordnet­en Fabian Mehring attackiert Sailer heftig: „Jetzt, durch Veröffentl­ichung eines privaten Schriftver­kehrs den Versuch zu unternehme­n, die Situation politisch auszuschla­chten, ohne zur eigenen Verantwort­ung zu stehen, ist schäbig.“

Das wiederum ärgert den attackiert­en Mehring. Es habe sich mitnichten um einen privaten Schriftver­kehr gehandelt, Sailer habe seine E-Mail als Landrat unterschri­eben. Der Freie-Wähler-Abgeordnet­e sagt: „Ich bin nicht bereit, jetzt den Prügelknab­en zu geben, nur weil Landrat Sailer ein Eigentor geschossen und dafür Ärger aus München bekommen hat.“

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Martin Sailer

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