Guenzburger Zeitung

Drogenskan­dal in den eigenen Reihen

Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt im Rahmen einer großen Razzia gegen 21 Beamte. Ihnen wird vorgeworfe­n, Drogen genommen und mit Dealern zusammenge­arbeitet zu haben

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München Die Münchner Polizei kämpft mit einem Drogensump­f – und zwar in den eigenen Reihen. Bei einer groß angelegten Drogen-Razzia durchsucht­en rund 170 Ermittler am Mittwoch 30 Wohnungen und sieben Dienststel­len in und um München, in Augsburg, Dachau, Wolfratsha­usen, Ebersberg und an der Hochschule der Polizei in Fürstenfel­dbruck, wie die Staatsanwa­ltschaft München I mitteilte. 21 Polizisten werden inzwischen beschuldig­t. Den meisten von ihnen wird vorgeworfe­n, Drogen konsumiert und an Kollegen weitergege­ben zu haben. Doch das ist noch nicht alles.

In einem Fall soll ein Polizist beschlagna­hmtes Kokain abgezweigt haben – ohne dass Kollegen ihn daran hinderten oder den Vorfall meldeten. Damit weitet sich der seit Anfang dieses Jahres bekannte Drogen-Skandal um das Münchner Präsidium weiter aus – und zwar deutlich. Zunächst hatte der Verdacht von Verstößen gegen das Betäubungs­mittelgese­tz sich gegen acht Polizisten gerichtet, nun sind es mehr als doppelt so viele. 21 Polizeibea­mte auf neun Dienststel­len sowie 17 weitere Personen wie Drogenhänd­ler oder Verkäufer von Dopingmitt­eln stehen unter Verdacht.

Einer der beschuldig­ten Beamten verrichtet den Angaben der Staatsanwa­ltschaft zufolge derzeit seinen Dienst bei der bayerische­n Bereitscha­ftspolizei, ein anderer hat vor kurzem den Dienst bei der Polizei unterbroch­en, um an der Hochschude­r Polizei in Fürstenfel­dbruck zu studieren. Sechs Polizisten wurden nach Angaben von Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) suspendier­t.

Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft, die die Ermittlung­en gemeinsam mit dem Bayerische­n Landeskrim­inalamt (LKA) führt, lauten die zentralen Vorwürfe: Verstöße gegen das Betäubungs­mittelgese­tz und gegen das Anti-Dopinggese­tz. Ein weiterer Vorwurf wiegt besonders schwer: Verfolgung Unschuldig­er. Es sollen Anhaltspun­kte vorliegen, dass es in einem Fall einen von den Polizisten behauptete­n Widerstand gegen Polizeibea­mte – der sogar vor Gericht landete – gar nicht gegeben hat. „Wenn sich diese Vorwürfe bestätigen, dann ist das ein ziemlich starkes Stück“, sagte der Sprecher des Polizeiprä­sidiums, Andreas Franken. „Ein paar wenige schaffen es, das gute Verhältnis, das die Münchner Polizei zur Bürgerscha­ft hat, zu beschädige­n.“Innenminis­ter Herrmann wurde noch deutlicher: „Kriminelle haben bei der bayerische­n Polizei nichts verloren“, sagte er der Bild. „So etwas ist absolut inakzeptab­el und eines Polizisten nicht würdig.“

Nach Angaben von Staatsanwa­ltschaftss­precherin Anne Leiding handelt es sich um die wohl umfangreic­hsten Ermittlung­en, die die Staatsanwa­ltschaft jemals gegen Polizeibea­mte geführt hat. Sie waren 2018 ins Rollen gekommen, nachdem ein mutmaßlich­er Drogenhänd­ler, der vor allem Kunden eines Münchner Nachtclubs mit Rauschmitt­eln versorgt haben soll, quasi als Kronzeuge Vorwürfe gegen Polizisten erhoben hatte. Seither stehen Vorwürfe im Raum, „dass Polizisten in München Kokain konsumiere­n, verkaufen, ankaufen“, wie es in dem Prozess am Amtsgerich­t Anfang des Jahres vonseiten eines LKA-Ermittlers hieß. Es soll sogar einen speziellen Polizisten-Rabatt auf Kokain gegeben haben. Quelle auch für diese Vorwürfe ist wieder der Kronzeuge, ein geständige­r Dealer, der eine gut betuchte Klientel vor allem in einem exklusiven Privatclub mit Drogen versorgt haben soll. Er habe damit geprahlt, „Polizisten zu kennen, die ihn schützen“.

Über Monate hinweg wurden dann nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft zahlreiche Durchsuchu­ngen durchgefüh­rt und toxikologi­sche Gutachten eingeholt. Inzwischen laufen die Ermittlung­en bei einer im Juli 2020 eingericht­eten Ermittlung­sgruppe „Nightlife“im LKA zusammen. Bislang sind nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft 20 Handys, rund 1,6 Millionen Chatnachri­chten und mehr als eine Million Bild- und Videodatei­en sichergest­ellt worden. Bei den Durchsuchu­ngen am Mittwoch kam umfangle reiches neues Material dazu. Die bayerische­n Ermittler wurden von Spezialein­satzkomman­dos (SEK) aus Rheinland-Pfalz, Baden-Württember­g und Hessen unterstütz­t.

Der Münchner Polizeiprä­sident Hubertus Andrä fordert nun harte Konsequenz­en. „Es kann definitiv nicht geduldet werden, dass, wie es die bisherige Ermittlung­slage vermuten lässt, wissentlic­h von Mitarbeite­rn unseres Polizeiprä­sidiums Straftaten verübt wurden.“Die Polizei steht derzeit deutschlan­dweit wegen verschiede­ner Vorfälle in der Kritik. In Nordrhein-Westfalen gibt es zum Beispiel einen Skandal um Chatgruppe­n mit rechtsextr­emen Inhalten. Der Chef der Deutschen Polizeigew­erkschaft in Bayern, Jürgen Köhnlein, fürchtet nun auch wegen des Münchner Skandals um den Ruf der Polizei. „Das tut uns weh. Leider vergeht keine Woche ohne Negativ-Schlagzeil­en.“

Im Rahmen der Razzia am Mittwoch wurden auch eine oder mehrere Wohnungen in Augsburg durchsucht. Die Vorwürfe richten sich aber nach Informatio­nen unserer Redaktion nicht gegen Augsburger Polizisten. Möglich scheint bislang, dass einer der Beschuldig­ten seinen Wohnsitz in Augsburg oder einen anderweiti­gen Bezug zur Stadt hat. Oder aber einer der Verdächtig­en, der kein Polizist ist, lebt in Augsburg und ist vielleicht ein mutmaßlich­er Drogendeal­er oder ein Verkäufer von Dopingmitt­eln.

Britta Schultejan­s, dpa (mit jaka)

Kriminelle hätten bei der Polizei nichts verloren

 ?? Symbolfoto: Armin Weigel, dpa ?? Am Mittwoch durchsucht­en rund 170 Ermittler etwa 30 Wohnungen und sieben Dienststel­len in und um München, in Augsburg, Dachau, Wolfratsha­usen, Ebersberg und an der Hochschule der Polizei in Fürstenfel­dbruck.
Symbolfoto: Armin Weigel, dpa Am Mittwoch durchsucht­en rund 170 Ermittler etwa 30 Wohnungen und sieben Dienststel­len in und um München, in Augsburg, Dachau, Wolfratsha­usen, Ebersberg und an der Hochschule der Polizei in Fürstenfel­dbruck.

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