Der Zauber des Anfangs ist dahin
Markus Söder und Hubert Aiwanger versuchen, sich nichts anmerken zu lassen. Einige Etagen tiefer aber schwelen Konflikte in der Koalition aus CSU und Freien Wählern
München Was sagt dieser Blick? Hubert Aiwanger spricht, Markus Söder hört zu. Oder sollte man besser sagen: muss zuhören? Das Bild entstand vergangene Woche im Landtag, als der Wirtschaftsminister, Vize-Ministerpräsident und Chef der Freien Wähler die Abgeordneten mit einer Regierungserklärung langweilte. Das Presseecho tags darauf war, nun ja, ziemlich durchwachsen. Einige Medien versuchten, aus der Rede irgendwie eine Nachricht zu destillieren: „Aiwanger gibt den Optimisten“, „Aiwanger hat Hoffnung“, Aiwanger sagt, Bayern habe „das Schlimmste hinter sich“. Einige Berichterstatter bemühten sich, die feinen Unterschiede in der Beurteilung der Lage zwischen Söder und Aiwanger herauszuarbeiten. Wieder andere verzichteten – „mangels Nachrichtenwert“, wie das unter Journalisten heißt – lieber gleich komplett auf eine Berichterstattung.
So lustig wie Woche für Woche im Bayerischen Rundfunk bei Quer mit Christoph Süß und Wolfgang Krebs ist der Alltag in der Staatsregierung jedenfalls nicht. „Wir können halt einfach maßlos übertreiben“sagt Krebs. „Und grad der Aiwanger als praktisch veranlagter Mensch liefert da Vorlagen, die sind einfach grandios: Wischmopps, Taschenmesser, Fieberthermometer, Ersatzwiesn.“Eine Fundgrube für Albernheit und Klamauk.
Die raue Wirklichkeit in der Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern freilich sieht anders aus. Seit dem Start vor knapp zwei Jahren, als man sich praktisch innerhalb weniger Stunden einig war, Bayern künftig gemeinsam zu regieren, ist jede Euphorie verflogen. Söder arbeitet Tag für Tag an seiner Superstar-Performance. Aiwanger rackert tapfer in den Niederungen der praktischen Politik und versucht irgendwie den Anschluss zu halten. Die beiden sind alles andere als ein Herz und eine Seele, aber sie tun sich nichts.
Die schwelenden Konflikte werden einige Etagen tiefer ausgetragen: im Regierungsapparat und im Landtag. Die Freien Wähler leiden unter der Dominanz des omnipräsenten Ministerpräsidenten, der mit
CSU – zumindest in den Umfragen – schon längst wieder eine absolute Mehrheit erreicht hat „und sich auch so benimmt“. In der CSU zeigt man sich „genervt“über einige „unprofessionelle Aktionen“einzelner FW-Abgeordneter.
Auslöser sind oft Kleinigkeiten. Vergangene Woche begann es damit, dass der niederbayerische FWAbgeordnete Manfred Eibl der CSU in einer Presseerklärung vorwarf, die Reaktivierung einer Bahnstrecke im Bayerischen Wald zu blockieren. Derlei öffentliche Attacken sind normalerweise Sache der Opposition.
Dann folgte der Streit zwischen dem FW-Abgeordneten Fabian Mehring und dem Augsburger Landrat Martin Sailer. Mehring hatte sich bei Sailer darüber beschwert, dass die Übermittlung von CoronaTestergebnissen im Landkreis Augsburg zu lange dauere. Sailer, der auch stellvertretender CSUVorsitzender ist, konterte, dass die Vorgaben der Staatsregierung in so kurzer Zeit nicht umsetzbar waren. Die Sache wurde öffentlich. Die Misere war perfekt.
Und am Wochenende brachte dann der virtuelle CSU-Parteitag den nächsten Ärger. Söder kündigte an, eine Corona-Kommission einzusetzen. Die Fraktionsführung der Freien Wähler meldete sich umgehend zu Wort, dass das ihre Idee gewesen sei – was die CSU im Landtag bestreitet.
Jeder der beiden Koalitionspartner erkennt seine eigene Logik hinter diesen kleinen Scharmützeln. Bei den Freien heißt es, es sei „doch die alte Masche der CSU, sich die Urheberschaft für fremde Ideen anzueignen“. Die traurige Realität in der Koalition sei: „Wir haben die Ideen, aber wir sollen unsichtbar bleiben.“In der CSU dagegen vertritt man die Ansicht, dass es in den Reihen der Freien Wähler „viel Profilierungssucht“gebe und dass sie „immer noch nicht verstanden haben, dass sie jetzt in der Regierung und nicht mehr in der Opposition sind“.
Wer die Kontrahenten in der Koseiner alition mit den Argumenten der jeweils anderen Seite konfrontiert, bekommt noch weitere Antworten. Der Vorwurf der „Profilierungssucht“, so heißt es im Fraktionsvorstand der Freien, gehe ins Leere. Zwar räumen Mandatsträger ein, dass die gesunkenen Umfragewerte „schmerzen und ärgern“und dass man deshalb „selbstverständlich“darum kämpfen müsse, ein eigenes Profil zu zeigen. Doch von den CSU-Abgeordneten im Landtag will man sich dafür nicht kritisieren lassen. „Denen fällt doch selber gar nichts ein. Die laufen doch nur hinter Söder her.“Bei der CSU wiederum hält man es „für strategisch völlig falsch“, sich gegen die eigene Regierung zu positionieren und einen erfolgreichen Ministerpräsidenten zu attackieren. „Die Freien Wähler sollten sich lieber die Opposition zur Brust nehmen.“
Immerhin: Ein grundlegendes Zerwürfnis sieht man weder hier noch dort. „Mit der FDP damals war’s viel schlimmer“, heißt es bei der CSU. „Einen Konflikt, der zur Trennung führt, gibt es nicht“, beteuern die Freien Wähler.
Der eine ist der Superstar, der andere kämpft tapfer
Wer hatte jetzt wirklich die gute Idee?