Trainieren – wofür?
Wegen der Corona-Lage: Der Deutsche Schützenbund sagt die Bundesliga-Saison ab. Die Asse des SV Waldkirch reagieren entsetzt. Die Entscheidung könnte bis an die Basis wirken
Waldkirch/München Der Schlag kam aus dem Nichts und momentan kann niemand beurteilen, wie tief er letztlich sitzt und ob sich alle Schützen davon erholen werden. Der Deutsche Schützenbund (DSB) hat die Bundesliga-Saison 2020/21 abgesagt. Als Grund für die Mehrheitsentscheidung des Ligaausschusses nannte der mit mehr als 1,3 Millionen Mitgliedern viertgrößte Sportverband in Deutschland „die sich wieder zuspitzende Corona-Lage“.
Abseits von wenig konkreten „Bedenken der Vereine“(kommende Reisebeschränkungen oder Quarantänebestimmungen werden als Möglichkeiten genannt) fehlen in der offiziellen Erklärung des DSB vom Dienstag allerdings jegliche Argumente, die zu diesem weitreichenden Beschluss führten. Falls tatsächlich nur einige Erst- und Zweitligisten diese Bedenken äußerten, hätten sie ihre Teams womöglich aus dem insgesamt 135 Mannschaften betreffenden Wettbewerb zurückziehen können. Darüber hinaus lässt der allgemeine Verweis auf „die Vereine“im Unklaren, wie zu einer 10:5-Entscheidung kommen konnte. Der Ligaausschuss setzt sich nach Angaben des Referenten für Kommunikation im nationalen Verband, Thilo von Hagen, aus dem DSB-Vizepräsident Sport, Gerhard Furnier (Vorsitzender), DSB-Sportdirektor Heiner Gabelmann, fünf Liga-Leitern sowie vier Vereins- und vier Aktiven-Vertretern zusammen. Mehr als acht Vereinsstimmen sind damit nicht erreichbar.
Die mit gleich zwei Teams betroffenen Luftpistole-Schützen des SV Waldkirch reagieren verärgert auf die Liga-Absage. Ihr Manager Sebastian Kugelmann kommentiert kopfschüttelnd: „Es ist einfach lächerlich, dass ausgerechnet der Schießsport, der vergleichsweise wenige Zuschauer hat und vollkommen kontaktfrei auszuüben ist, das nicht auf die Beine bringt.“
Seine Gefühlslage und die Verfassung der anderen Waldkircher Pistoleros kann Kugelmann noch gar nicht richtig in Worte fassen. „Es ist alles Mögliche dabei, aber am ehesten Entsetzen.“Völlig unverständlich ist aus seiner Warte das Hin und Her des DSB. Erst hieß es wochenlang, die Bundesliga werde ausgetragen, und praktisch unmittelbar vor dem Start (die Luftgewehrschützen sollten bereits am 10./11. Oktober beginnen, die Luftpistoleschützen eine Woche später) folgte nun die Absage. „Das ist nicht die feine Art, aber wir können nichts anderes machen als das zu akzeptieren“, sagt der Erstliga-Schütze.
Auch Sven Martini, Trainer des Luftgewehr-Bundesligisten Pfeil Vöhringen, grollt den für die Absage Verantwortlichen. „Das ist eine Katastrophe. Die Vereine hatten ihre Konzepte fertig, Hallen angemietet, alles vorbereitet, um die Wettkämpfe nach den Hygieneregeln zu gestalten“, zählt er an Vorarbeiten auf, die sich jetzt als überflüssig herausstellen. Dem DSB wirft Martini „Führungsschwäche“vor.
Kugelmann prophezeit, es werde ihm und wohl vielen anderen Schützen mindestens für die nähere Zukunft sehr schwerfallen, sich zu motivieren. „Wer für die Bundesliga trainiert hat, weiß im Moment eigentlich nicht, wofür er weitermachen soll“, führt der Waldkircher aus. Er fragt in diesem Zusammenhang unter anderem, was denn eies gentlich geschehen wird, wenn die durch die Corona-Pandemie gesetzten Rahmenbedingungen auch in einem Jahr noch bestehen sollten.
Neben den psychologischen Folgen für die Sportler hat die SaisonAbsage auch ganz handfeste, finanzielle Nebenwirkungen für den SV Waldkirch. Zum ersten BundesligaWettkampf sollte Klaudia Bres mit dem Flugzeug aus Polen anreisen, zudem waren für die komplette Reisegruppe aus dem Holzwinkel Hotelzimmer in Franken gebucht. Kugelmann sagt achselzuckend: „Hoffen wir mal, dass wir das stornieren können.“
Seinen Landesverbänden lässt der DSB in Sachen Saisonplanung grundsätzlich freie Hand. Ein Aufstiegsrecht in die Zweite Liga wird es allerdings nicht geben, heißt es – was frei übersetzt bedeuten könnte, dass auch der Bayerische Sportschützenbund (BSSB) die Runde 2020/2021 absagen wird. Nur in diese Richtung interpretierbar ist jedenfalls folgende Wortmeldung des BSSB-Sportdirektors Jan-Erik Aeply: „Mit dieser Entscheidung regelt der DSB-Ligaausschuss indirekt alle unteren Ligen.“