Flucht in das letzte Zeitfenster
Die DEL hat zum zweiten Mal den Saisonstart verschoben, diesmal in die zweite Dezemberhälfte. Sollte sich die Corona-Lage bis dahin nicht verbessert haben, droht die Absage
Augsburg Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten und sie fielen meist nicht sonderlich erfreut aus. Als die Deutsche Eishockey Liga (DEL) am Freitag bekannt gab, ihren Saisonstart noch einmal zu verschieben, setzte ein Rumoren in den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke ein. Aus dem 13. November war die zweite Hälfte des Dezembers geworden. Allein diese Unbestimmtheit rief viele Kritiker auf den Plan, allen voran Nationalmannschaftskapitän Moritz Müller. Er sagte gegenüber Magenta Sport: „Mitte Dezember ist für mich vage ausgedrückt: Was heißt das für mich? Auf welchen Tag bereite ich mich vor? An welchem Tag beginnt man das Trainingslager? An welchem Zeitpunkt geht der Spieler aus der Kurzarbeit raus? Das sind ja alles so Fragen, die man sich als Spieler stellt.“Müller ist auch Vorsitzender der neuen Spielervereinigung SVE und damit die Stimme der Eishockey-Profis.
„Ich höre, dass alle Vereine spielen wollen, sehe aber nur eine Handvoll Vereine, die dafür in der Öffentlichkeit kämpfen“, schrieb er auf Facebook. „Wie viel Zeit ist verstrichen ohne ein klares Konzept, wie man einen geregelten Spielbetrieb aufstellen kann?“Laut Müller habe man es verpasst, „den Sport auf gesündere, breitere Füße zu stellen“.
Lothar Sigl, Hauptgesellschafter der Augsburger Panther und Mitglied des DEL-Aufsichtsrats, sieht das etwas differenzierter. Er verweist auf die Heterogenität der Liga. Deren 14 Klubs hätten sehr unterschiedliche Bedingungen an ihren Standorten. Diese gelte es nun alle unter einen Hut zu bekommen. Mit den momentan erlaubten 20 Prozent Auslastung der Hallen sei Eishockey nicht finanzierbar.
Auf 60 Millionen Euro hatte die Liga schon vor zwei Wochen das Minus beziffert und Hilfe vonseiten der Politik gefordert. Diese wird es aller Voraussicht nach in dieser Größenordnung nicht geben. Trotzdem habe sich seitdem schon einiges bewegt hinter den Kulissen, sagt Sigl. „Allerdings nicht in einer Geschwindigkeit, die schon zu Resultaten führt.“Damit dürfte er vor allem die angekündigten Zuschüsse für den Profisport aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung meinen. Ob und wie viel Geld fließt, ist weiterhin unklar. Mit der erneuten Verschiebung des Saisonstarts habe man sich noch einmal Zeit verschafft, „auch wenn es für viele schwer zu verstehen ist, wenn sie nicht so nahe dran sind an dem Ganzen. Aber wir werden weiter ackern, um Lösungen zu finden.“Klar sei jedoch: „Ohne Hilfe werden wir es nicht schaffen.“
Aufmerksam beobachtet wird nun, was in den Hallen und Stadien der anderen Sportarten passiert, die mit 20 Prozent Zuschauerauslastung begonnen haben. Vor allem die Bundesligen im Basketball und Handball sind dabei von Interesse, da diese Sportarten eine ähnliche Struktur haben wie die DEL. Eishockey ist die einzige große Hallensportart in Deutschland, die den Saisonstart scheut. Sigl will (noch) nicht bewerten, welche Variante die klügere ist. „Warten wir mal ab, wer die weiseren Entscheidungen getroffen hat. Jede Sportart ist anders und wir können nicht auf die anderen deuten. Mit den aktuellen Rahmenbedingungen können zumindest wir nicht spielen, auch wenn wir das alle wollen.“
Klar sei auch, sagt Sigl, dass es eine weitere Verschiebung wohl nicht geben könne. „Wenn wir noch eine vernünftige Runde spielen wollen, dann ist dieses Zeitfenster bis Mitte oder Ende Dezember sicherlich das letzte.“Immerhin benötigten die Mannschaften sechs Wochen Vorbereitung. Momentan sind die Profis der meisten Klubs noch in Kurzarbeit und dürfen deshalb nur individuell trainieren.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die komplette Absage der Saison zu einem immer realistischeren
Szenario wird. Denn angesichts steigender Infektionszahlen deutet momentan wenig darauf hin, dass die Politik bis Dezember mehr Zuschauer in die Hallen lassen wird. „Eine Absage wäre der allerletzte Ausweg, mit dem wir uns momentan aber noch nicht beschäftigen“, sagt Sigl.
Eine weitere denkbare Variante ist, dass nur die Klubs in die Saison starten, für die es unter den gegeben Bedingungen finanziell machbar ist. Noch aber sei auch in diese Richtung nichts diskutiert worden, sagt Sigl. „Wenn nur ein paar Mannschaften spielen, ist das ja nicht vergleichbar mit einer DEL, die wir bisher kennen. Wir gehen von einer kompletten Liga aus.“