So verspielt der Fußball seine Akzeptanz
Im Turiner Fußballstadion spielte sich vor kurzem ein absurdes Schauspiel ab: Die Mannschaft von Juventus fuhr mit dem Bus in die Arena, machte sich warm und gab vor, sich auf einen Gegner vorzubereiten. Selbst Fans und TV-Kameras waren dabei. Sie alle wussten aber: Es wird niemand kommen. Dem SSC Neapel, der an diesem Abend antreten hätte sollen, war es vom lokalen Gesundheitsamt verboten worden, nach Turin zu reisen – im Verein hatte es mehrere Corona-Infektionen gegeben. Zwei Spieler und ein Mitglied des Funktionsteams hatten sich angesteckt.
Das hatte den Ligaverband der italienischen Serie A herzlich wenig interessiert. Eine Spielabsage, wie es sie etwa in der 2. Bundesliga bei der Partie zwischen Hamburg und Aue wegen Corona-Fällen bei den Sachsen gegeben hatte, stand nicht zur Diskussion. Schließlich wären den Süditalienern ja noch genügend gesunde Profis zur Verfügung gestanden. Dass die Region Kampanien, in der Neapel liegt, ein Gebiet mit stark steigenden Infektionszahlen ist und das Gesundheitsamt eigentlich die Deutungshoheit haben sollte – egal. Stattdessen beteiligte sich Juventus Turin an diesem unwürdigen Schauspiel. Neapel, das mehrfach um eine Verschiebung gebeten hatte, kündigte bereits an, gegen eine Niederlage am grünen Tisch juristische Schritte einzulegen.
Das peinliche Kasperletheater aus Turin ist damit der vorläufige Tiefpunkt einer Entwicklung, die in weiten Teilen Europas zu beobachten ist: Der Fußball nimmt sich wichtiger, als er ist. War die völlig an der Realität vorbei führende Ansetzung des europäischen Supercups im Corona-Hotspot Budapest vor 20 000 erlaubten Zuschauern schon nicht zu verstehen, setzten die Italiener nun noch einen drauf.
Der Profi-Fußball – egal ob in Italien, Deutschland oder anderswo – nimmt in vielerlei Hinsicht eine Sonderrolle ein. Er kann es sich leisten, für seine hoch bezahlten Protagonisten tausende Schnelltests zu beanspruchen, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Diese Akzeptanz ist brüchig.
Mit fragwürdigen Veranstaltungen wie in Turin oder Budapest wird diese Akzeptanz verspielt.