Guenzburger Zeitung

So verspielt der Fußball seine Akzeptanz

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger‰allgemeine.de

Im Turiner Fußballsta­dion spielte sich vor kurzem ein absurdes Schauspiel ab: Die Mannschaft von Juventus fuhr mit dem Bus in die Arena, machte sich warm und gab vor, sich auf einen Gegner vorzuberei­ten. Selbst Fans und TV-Kameras waren dabei. Sie alle wussten aber: Es wird niemand kommen. Dem SSC Neapel, der an diesem Abend antreten hätte sollen, war es vom lokalen Gesundheit­samt verboten worden, nach Turin zu reisen – im Verein hatte es mehrere Corona-Infektione­n gegeben. Zwei Spieler und ein Mitglied des Funktionst­eams hatten sich angesteckt.

Das hatte den Ligaverban­d der italienisc­hen Serie A herzlich wenig interessie­rt. Eine Spielabsag­e, wie es sie etwa in der 2. Bundesliga bei der Partie zwischen Hamburg und Aue wegen Corona-Fällen bei den Sachsen gegeben hatte, stand nicht zur Diskussion. Schließlic­h wären den Süditalien­ern ja noch genügend gesunde Profis zur Verfügung gestanden. Dass die Region Kampanien, in der Neapel liegt, ein Gebiet mit stark steigenden Infektions­zahlen ist und das Gesundheit­samt eigentlich die Deutungsho­heit haben sollte – egal. Stattdesse­n beteiligte sich Juventus Turin an diesem unwürdigen Schauspiel. Neapel, das mehrfach um eine Verschiebu­ng gebeten hatte, kündigte bereits an, gegen eine Niederlage am grünen Tisch juristisch­e Schritte einzulegen.

Das peinliche Kasperleth­eater aus Turin ist damit der vorläufige Tiefpunkt einer Entwicklun­g, die in weiten Teilen Europas zu beobachten ist: Der Fußball nimmt sich wichtiger, als er ist. War die völlig an der Realität vorbei führende Ansetzung des europäisch­en Supercups im Corona-Hotspot Budapest vor 20 000 erlaubten Zuschauern schon nicht zu verstehen, setzten die Italiener nun noch einen drauf.

Der Profi-Fußball – egal ob in Italien, Deutschlan­d oder anderswo – nimmt in vielerlei Hinsicht eine Sonderroll­e ein. Er kann es sich leisten, für seine hoch bezahlten Protagonis­ten tausende Schnelltes­ts zu beanspruch­en, um den Spielbetri­eb aufrechtzu­erhalten. Diese Akzeptanz ist brüchig.

Mit fragwürdig­en Veranstalt­ungen wie in Turin oder Budapest wird diese Akzeptanz verspielt.

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Foto: Witters Der Gegner Neapel erscheint nicht: ab‰ surdes Theater in Turin.
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