Attentäter von Wien war als Islamist bekannt
Wurde er zu früh freigelassen? Unter den fünf Toten ist auch eine Deutsche
Wien/Berlin War der Anschlag von Wien doch das Werk eines Einzeltäters? Nachdem ein Großaufgebot der Polizei noch in der Nacht zum Dienstag die Innenstadt nach möglichen Komplizen des Attentäters durchkämmt hatte, beurteilt Österreichs Innenminister Karl Nehammer die Dinge am Tag nach dem Anschlag mit insgesamt fünf Toten und mehr als 20 Verletzten in einem etwas anderen Licht. „Die bisher ausgewerteten Hinweise“, räumte er ein, „ergeben keine Hinweise auf einen zweiten Täter.“Trotzdem nahmen die Sicherheitskräfte insgesamt 14 Personen fest. Unter den Toten ist nach Angaben des Auswärtigen Amtes auch eine Deutsche.
Bei dem von der Polizei erschossenen Attentäter handelt es sich um den 20-jährigen Kujtim Fejzulai, einen gebürtigen Wiener, der neben dem österreichischen auch einen nordmazedonischen Pass besitzt und den Behörden als Islamist bekannt war. Weil er versucht hatte, aus Österreich auszureisen und sich dem Islamischen Staat in Syrien anzuschließen, wurde er im April vergangenen Jahres zu 22 Monaten Haft verurteilt, im Dezember aber schon wieder freigelassen. Es sei ihm gelungen, kritisierte Nehammer, die Justiz durch die Teilnahme an einem Deradikalisierungsprogramm zu täuschen und eine günstige Prognose für eine vorzeitige Haftentlassung zu bekommen. Bei dem Anschlag war er offenbar mit mehreren Schusswaffen und einer Machete bewaffnet. Außerdem habe er, so Nehammer, die Attrappe eines Sprengstoffgürtels und noch viel Munition bei sich getragen.
Nach Angaben des Innenministers hatten die Wiener Behörden ein Verfahren angestrengt, um Fejzulai die österreichische Staatsbürgerschaft aberkennen zu lassen. Es habe aber wohl „zu wenige Hinweise auf das aktive Tun des Attentäters“gegeben, um das Verfahren erfolgreich abzuschließen. Noch am Montag ordnete die Regierung eine dreitägige Staatstrauer an. Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach von einem Anschlag auf die Freiheit und die Demokratie. Es sei in Europa zu hart um diese Freiheit und Toleranz gerungen worden, „als dass wir jetzt klein beigeben“, betonte Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
In Deutschland schätzt der Verfassungsschutz die Bedrohungslage durch Islamisten weiterhin als hoch ein. „Deutschland wird von dschihadistischen Organisationen nach wie vor als Feind wahrgenommen und steht unverändert in deren Zielspektrum“, warnt der Inlandsgeheimdienst. Wie real diese Bedrohung ist, hat erst Anfang Oktober der Messerangriff von Dresden gezeigt, bei dem ein Tourist von einem syrischen Extremisten erstochen und ein weiterer schwer verletzt wurde. Seit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016 haben die Sicherheitsbehörden nach Angaben des Bundeskriminalamts rund ein Dutzend Terror-Attacken verhindert. Als größte Gefahr fürchten Polizei und Verfassungsschützer radikale Einzeltäter, die auf der Straße wahllos Unschuldige angreifen, wie es jetzt auch in Wien geschehen ist. Der Verfassungsschutz rechnet in Deutschland 28000 Personen zur radikalen Islamistenszene. Von ihnen werden etwa 630 als sogenannte Gefährder eingestuft, von denen ein hohes Risiko für Anschläge und Gewalttaten ausgeht. Etwa ein Viertel von ihnen befindet sich in Haft.
Am Abend reklamierte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) den Anschlag für sich. Ein „Soldat des Kalifats“habe die Attacke verübt, teilte der IS auf seiner Plattform Naschir News mit. Das österreichische Innenministerium teilte mit, es prüfe die Echtheit des Bekennerschreibens, wie es am Abend gegenüber der Nachrichtenagentur APA hieß. (mit dpa)