Eine Branche im Ungewissen
Die Pandemie macht Künstlern und Organisatoren weiter schwer zu schaffen. Ein DJ rechnet damit, aufhören zu müssen, ein Musiker spricht von einer Katze, die sich selbst beißt
Die Corona-Pandemie hält die Kulturschaffenden und -betriebe weiterhin im eisernen Griff. Veranstalter können Tourneen und Konzerte weder planen noch durchführen, Künstlern bleibt momentan nur die Produktion. Doch wie sollen sie ihre Alben verkaufen, wenn sie die Lieder nicht auf Konzerten, auf Festivals oder in den Klubs präsentieren können? „Da beißt sich die Katze selber in den Schwanz“, fasst es der Allgäuer Musiker Rainer von Vielen zusammen.
● Rainer von Vielen „Wir verkaufen Alben auf unseren Konzerten“, sagt von Vielen. Das bedeutet momentan: keine Konzerte, kein Albumverkauf. Er versuche, das Beste aus der Situation zu machen. Im Dezember startet er etwa eine Crowdfunding-Kampagne für sein Soloalbum „Oriom“. Längerfristig arbeite von Vielen gerade mit seiner anderen Band „Orange“an einem Album. Dennoch sei die Situation verheerend: „Es sind etwa 40 Shows weggefallen.“Und damit alles, was Geld einbringt. Immerhin hatte von Vielen mit einem anderen Bandmitglied im Sommer einige Auftritte auf
Alpen und in Biergärten. Nur mit Akkordeon und Gitarre. Unverstärkt. „Das war total spannend und interessant.“
Dennoch fehlen von Vielen die gewohnten Auftritte mit der gesamten Band. „Ich brauche und lebe es, auf der Bühne zu stehen. Mir fehlt ein wichtiges Ventil.“
Den Musiker stört außerdem, dass die staatlichen Förderungen so an der Lebenswirklichkeit vieler Künstler vorbeigehen: Die eine dürfe man nicht zum Lebensunterhalt verwenden, bei der anderen müsse man Mitglied in der Künstlersozialkasse sein. Zudem ändern sich laut von Vielen die Regularien ständig. Umso wichtiger sei die Unterstützung der Anhänger. „Wenn die Fans wollen, dass ihre Lieblingsbands weiter existieren, sollten sie spenden.“
● Daniel Bortz Der Augsburger DJ Daniel Bortz legt normalerweise in Klubs und auf Festivals auf der ganzen Welt auf. Nun lebt er von Sozialhilfe, die Soforthilfe von 2000 Euro war nur auf drei Monate ausgelegt. Das decke nicht einmal die Betriebskosten für einen Monat. „Ich stelle mich darauf ein, etwas anderes zu machen.“Zusätzlich macht ihm zu schaffen, dass er keinerlei Gleichgesinnte in der Nähe hat, mit denen er sich austauschen kann. Der Vorteil, sein eigener Chef zu sein, wird nun zum Nachteil: „Ich hab keinen, der mich motiviert und aufmuntert.“
Das und die Ungewissheit wirke sich auf seine Arbeit aus. „Es nimmt mir die Produktivität und Motivation.“Erst vor kurzem hat er sein Album „Stay“veröffentlicht. Allerdings konnte er es nicht wie sonst bewerben. Früher hätten laut Bortz vorab andere DJs bereits Songs aus dem Album gespielt, was ihm mehr Aufmerksamkeit gebracht hätte.
● ArgoKonzerte Das Unternehmen Argo-Konzerte veranstaltet unter anderem das Festival Rock im Park sowie Konzerte von Helene Fischer, Sido und Vorstellungen des Cirque du Soleil. „Das Veranstaltungsjahr 2020 hat für uns Mitte März geendet“, sagt der Geschäftsführer Peter Pracht. Er und seine Mitarbeiter können momentan nicht sicher planen. „Eine Vielzahl an Konzertterminen wurde vom Frühjahr in den Herbst und von dort nun größtenteils weiter ins nächste oder übernächste Jahr verschoben“, sagt Pracht. Auch bei Tourneen sehe es schlecht aus: „Aufgrund der unterschiedlichen Vorgaben der EU-Länder können Veranstalter nahezu unmöglich eine Europatournee zu planen.“
Wie von Vielen kritisiert er die staatlichen Hilfen. Die fallen Pracht zufolge nur gering aus – wenn sie denn überhaupt bereitgestellt werden. Denn sollten sie nur bei einem Neustart im Jahr 2021 greifen, stellt sich laut Pracht die Frage, wie die Branche überleben soll. In der ersten Hälfte des kommenden Jahres sei so etwas (noch) nicht in Sicht. „Hier gibt es definitiv Handlungsbedarf seitens der Politik, bevor das große Veranstaltersterben beginnt.“
● Birdland Jazz Club „Uns geht es den Umständen entsprechend nicht schlecht“, sagte Manfred Rehm noch vergangene Woche. Er ist der Vorsitzende des Birdland Jazz Clubs in Neuburg an der Donau. Doch dann verkündete die Regierung den „Lockdown light“. Zuvor waren im Birdland Jazz Club jeden Freitag und Samstag Musiker aufgetreten. Nun hat Rehm vorerst alle Konzerte für den November abgesagt. „Die Konsequenzen daraus sind noch gar nicht absehbar“, erklärt der Birdland-Vorsitzende.