Die dunklen Seiten des Münsters
Die Ulmer Grünen-Fraktion springt der Münstergemeinde in der Debatte um die Krippe zur Seite
Ulm Die Fraktion der Grünen im Ulmer Gemeinderat springt der Münstergemeinde in der Debatte um die Figur des schwarzen Königs Melchior zur Seite. Stadtrat Ulrich Metzger, selbst Münsterpfarrer von 1995 bis 2006, erkennt in der Entscheidung, die Heiligen Drei Könige vorerst aus der Krippe zu verbannen, große Sensibilität. Die Fraktion lobt in einer Erklärung den Mut der Münstergemeinde, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Entscheidung verdiene umso größere Anerkennung, als abzusehen war, dass eine Welle von Beleidigungen und Verleumdungen folgen würde, heißt es weiter.
„Die Figur gehört in ein Museum, wo eine Auseinandersetzung mit der jeweiligen Kunstepoche und deren Werten möglich ist“, sagt Stadtrat Metzger über den von Künstler Martin Scheible geschnitzten schwarzen König – und erklärt, warum: „Im Sinne der universalen Liebe Gottes zu allen Menschen müssten aber alle drei Könige gleichermaßen positiv dargestellt werden, was in vielen Darstellungen auch der Fall ist, aber nicht bei den Figuren von Martin Scheible.“Mit seiner unförmigen Gestalt, den wulstigen Lippen, der Narrenkappe aus Federn und dem Goldreif am Fuß habe die Figur des schwarzen Königs etwas Sklavenhaftes. Mit dem „Mohrenkind“, das die Schleppe eines der weißen Könige trägt, transportiere die Darstellung die Klischees rassistischer Abwertung. Als Kritik am Künstler und an früheren Generationen im Allgemeinen will Metzger diese Einordnung nicht verstanden sehen. „Wir sind heute sensibler“, sagt er.
Metzger räumt offen ein, dass ihm selbst die Problematik in seiner Zeit als Münsterpfarrer nicht bewusst war. „Ich habe mir die Figuren nicht im Detail angesehen“, sagt er. Stattdessen habe er sich als Münster- und Studentenpfarrer mit anderen kritischen Punkten auseinandergesetzt. „Wir haben uns mit den dunklen Seiten des Münsters befasst“, sagt er über die elf Jahre, in denen er dort wirkte.
Da ist die Figur des Erzengels Michael mit erhobenem Schwert – eingeweiht im August 1934 vor 30000 Besuchern, die aus vielen
Teilen des Deutschen Reichs angereist waren und das Horst-WesselLied sangen. „Hitler-Engel“oder „Kriegsgott“heißt diese von den Nationalsozialisten gefeierte Figur heute bei vielen. Weg kann sie nicht, obwohl das immer wieder gefordert wurde. Der Denkmalschutz hat etwas dagegen. Und so widmet sich die Münstergemeinde seit 2016 jährlich am Michaelistag, dem 29. September, kritisch einem politischen Thema. Im Münster gibt es nicht nur militaristische Symbolik, sondern auch Zeichen von Antisemitismus: In einem Fenster in der Bessererkapelle ist ein stereotyper Jude mit dem Spitzhut im Höllenschlund abgebildet.
Über diese dunklen Erinnerungsstücke aus anderen Zeiten sei in seiner Zeit am Münster gesprochen worden, berichtet Ulrich Metzger, der heute als Berufsschullehrer in Biberach arbeitet. „Die Krippe hatte ich nicht auf dem Schirm“, sagt er. Jetzt ermutige er die Münstergemeinde, dran zu bleiben. Die Fraktion der Grünen wird in ihrer Erklärung noch deutlicher: Die Münstergemeinde sei ein Vorbild für die ganze Stadtgesellschaft.