Kraftanstrengung
Wellenbrecher sollen wir sein. Nicht zaghaft, sondern mit voller Wucht der Entschlossenheit haben wir uns in diesem November 2020 den aufbrausenden Covid19-Infektionszahlen entgegenzustemmen. Die Kanzlerin sagt: „Das Virus bestraft Halbherzigkeiten“.
Und Gesundheitsminister Jens Spahn beschwört bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder die „nationale Kraftanstrengung“. Das klingt ein wenig angestrengt und antiquiert, nach verbaler Kraftmeierei. Der geforderte Kraftakt besteht paradoxerweise ja vor allem aus Zurückhaltung, aus Defensive, Unterlassen, Abwenden. Denn die Kraftanstrengung, die nun allenthalben beschworen wird, ist eine des Verzichts. Mit aller Kraft voraus wegducken und Kontakte vermindern. Kraftumlenkung in den Rückwärtsgang! Herunterfahren! Alle Anstrengung auf Abstand ausrichten. Aktionsradius einmotten, Umtriebigkeit abwürgen.
Je weniger Bewegung es im Kraftraum Deutschland gibt, desto besser. Phlegma! Im Grunde hätte Jens Spahn einer nationalen Kraftloserklärung das Wort reden müssen. Hätte ausrufen und befördern können eine deutschlandweite Vorsichtskampagne, eine nationale Anstrengung der Umsichtigkeit, eine german Unterlassungsinitiative … Oder wenigstens den LeichtLockdown. Das hätte auch das in Deutschland mitschwingende Echo der „Kraft“ausgeschaltet. Das nämlich klingt immer ein wenig schwurbelvölkisch, schmeckt nach Kraftbrühe und tönt wie aus geschwellter Brust im Gleichschritt. „Kraft durch Freude“– Achtung: Nazi-Vergleich – nannten die ihre 1933 als Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront gegründete „Leistungsgemeinschaft“. Ziel von KdF: die robuste Volksgesundheit. Doch jetzt lassen wir mal die Luft aus dem Kraftpaket.