Frieden für Libyen?
UN will freie Wahlen. Doch die Lage bleibt gefährlich
Istanbul Nach Jahren des Krieges in Libyen melden die UN einen Erfolg. Die UN-Libyen-Beauftragte Stephanie Williams spricht von einem neuen „Durchbruch“. Bei Verhandlungen in Tunesien haben sich 75 Delegierte aus Libyen nach ihren Worten auf freie gesamtlibysche Wahlen innerhalb der nächsten 18 Monate geeinigt. Angesichts des Scheiterns früherer Friedensverhandlungen und der Entschlossenheit ausländischer Akteure, in Libyen weiter mitzumischen, trifft die Nachricht auf Skepsis.
Libyen hat seit dem Sturz von Diktator Muammar Gaddafi 2011 keine funktionierende Zentralgewalt mehr und ist Schauplatz von Kämpfen zwischen rivalisierenden Milizen. Seit 2014 ist das Land zwischen den Herrschaftsgebieten der Regierung im Westen Libyens und des Parlaments im Osten des Landes geteilt. Auch ausländische Mächte haben sich in den Konflikt aktiv eingeschaltet. Der ostlibysche Militärchef Khalifa Haftar versuchte 2019, die Hauptstadt Tripolis im Westen einzunehmen, scheiterte aber wegen der Unterstützung der Türkei für die Regierung. Heute verläuft die Front bei der Küstenstadt Sirte, die für die Ölindustrie wichtig ist. Immerhin wird ein Ende Oktober ausgerufener Waffenstillstand bisher eingehalten. Wie dringend eine Einigung ist, zeigte auch der Tod von mehr als 90 Bootsflüchtlingen, die am Donnerstag auf dem Weg nach Europa vor der libyschen Küste ertranken.
UN-Vertreterin Williams, eine amerikanische Diplomatin, treibt die Friedensgespräche mit Rückendeckung der Regierung in Washington voran. Die USA sorgen sich, dass Russland nach seinem Engagement in Syrien nun auch in Libyen Fuß fassen und sich damit an der Südflanke der Nato festsetzen könnte. Parallel zu den Verhandlungen in Tunis organisieren die UN Kontakte zwischen den Streitkräften beider Seiten in Sirte. Dabei vereinbarten die Kriegsparteien, eine Küstenstraße zu öffnen, die die beiden verfeindeten Landesteile miteinander verbindet. Allerdings läuft bei den Gesprächen nicht alles glatt. Vertreter der westlibyschen Regierung beschwerten sich, ihre Unterhändler hätten nicht auf einem Militärstützpunkt bei Sirte landen können, weil dieser von russischen Söldnern auf Haftars Seite blockiert werde. Andere Verbündete von Haftar zeigen ebenfalls keine Neigung, sich aus dem Konflikt zurückzuziehen. So ist zu befürchten, dass ein Funke ausreicht, um die Waffenruhe zu beenden.