Lockdown trifft Geschäfte trotz offener Läden
Mit Blick aufs Weihnachtsgeschäft wollen die Einzelhändler ihren Optimismus nicht verlieren. Doch die Lage in den Innenstädten im Landkreis ist alles andere als einfach. Das zeigen Beispiele aus Günzburg und Krumbach
Landkreis Während beim ersten Corona-Lockdown im Frühjahr fast alles und somit bis auf Lebensmittelversorger auch die meisten Geschäfte schließen mussten, dürfen die Läden jetzt weiter geöffnet sein. Doch wer durch die Innenstädte geht, ist mitunter ziemlich allein. Händlern drohen existenzgefährdende Einbußen, sagte kürzlich Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland. Doch wie ist die Situation im Kreis Günzburg? Eine Bestandsaufnahme an den Beispielen Günzburg und Krumbach.
Als „unterirdisch“bezeichnet Ju dith Ganser vom Günzburger Mode haus Schild den bisherigen Verlauf des Novembers. Der Umsatz liege 35 Prozent unter dem des Vorjahresmonats. Die Kontaktbeschränkungen führten dazu und natürlich, dass die Menschen derzeit keine neue Kleidung für schöne Anlässe und das Büro bräuchten. Doch die Türen geschlossen zu lassen, sei nicht infrage gekommen: „Das wäre das falsche Zeichen. Wir gehen davon aus, das zu überleben, und setzen auf ein gutes Weihnachtsgeschäft, da die Menschen sich in dieser Zeit sicherlich etwas Schönes schenken wollen.“Und da etwa Reisen erst einmal eher schwierig blieben, falle die Wahl hoffentlich auf Mode. Die langen Einkaufsabende donnerstags bis 20 Uhr in der Adventszeit in Verbindung mit dem kostenfreien Parken in der Stadt seien da auch eine große Hilfe, der Günzburger Online-Marktplatz wir-in-günzburg.de hingegen nicht, die Seitenaufrufe seien zu gering.
Ein Modegeschäft betreibt auch Claudia Strauch am Günzburger Marktplatz. Da sie zu 95 Prozent Stammkunden habe und diese weiter kämen, sei sie eine der wenigen, die keinen Anlass zur Klage habe. Manche kämen sogar zwei Mal die Woche zu ihr, deshalb sei die Lage für ihren Laden recht entspannt. Doch natürlich fehle durch die weitgehend geschlossene Gastronomie die Laufkundschaft. Aber sie gehe von einem guten Weihnachtsgeschäft aus, der Sommer sei auch gut gewesen, vom ersten Tag an nach dem Lockdown.
Citymanagerin Nikola Gamm von der Cityinitiative erklärt, die Situation für Geschäfte in der Innenstadt sei vergleichbar mit der Zeit vor dem ersten Lockdown: „Es herrscht eine zurückhaltende und vorsichtige Atmosphäre.“Die Kundenfrequenz im Zentrum während der ersten Woche des jetzigen „Lockdowns light“sei sehr niedrig gewesen. Das spürten auch Ladeninhaber: Sehr wenige Kunden seien zum Einkauf in die Stadt gekommen, einige Parkplätze vor der Tür blieben frei.
Die Händler sorgten sich, dass die Kunden gar nicht wüssten, dass die Geschäfte geöffnet haben. „Und das in einer für den Handel sehr wichtigen Zeit. Wir hoffen für den lokalen Handel gerade jetzt besonders auf
Eine fast leere Fußgängerzone in Günzburg: Das Bild entstand am Freitagmittag.
das Weihnachtsgeschäft.“Schutzund Hygienekonzepte seien ausgearbeitet worden, das Einkaufen in Günzburg sei sicher und mache aufgrund der Angebote Freude. In der Adventszeit können die Kunden nicht nur an den Donnerstagen bis 20 Uhr, sondern auch an Samstagen bis 16 Uhr einkaufen – vom 26. November bis Weihnachten. Dazu kämen Weihnachtsangebote der Geschäfte und eine Stempelaktion mit Gewinnspiel. In der geschmückten Altstadt komme beim Bummeln Weihnachtsstimmung auf. „Ein Besuch in Günzburg lohnt sich.“
Zu aktuellen Umsätzen liegen der Cityinitiative keine konkreten Aussagen vor, erklärt Gamm. Sicherlich gebe es hier auch branchenspezifisch unterschiedliche Ergebnisse. In Günzburg könne man jedenfalls nicht nur „stationär“einkaufen, sondern auch den Online-Marktplatz wir-in-günzburg.de nutzen.
Einen Querschnitt der Günzburger Wirtschaft stellt nach den Worten der Vorsitzenden Eva Flemisch die Wirtschaftsvereinigung mit ihren gut 100 Mitgliedern aus verschiedenen Branchen dar. Der „Lockdown light“habe selbstverständlich Auswirkungen auf die lokalen Einzelhändler. Der Inzidenzwert auf hohem Niveau und die QuarantäneAnordnungen sorgten bei vielen Bürgern zusätzlich für Verunsicherung. Dies habe sich durch einen starken Frequenzrückgang gezeigt. Nach Rücksprache mit dem stellvertretenden Vorsitzenden Hermann Hutter, Präsident des Handelsverbands Baden-Württemberg, habe sich das als ein allgemeiner Trend herausgestellt. „Die Hoffnung ist, dass sich die Kunden an die Situation gewöhnen und das regionale An
gebot, vor allem für die Weihnachtseinkäufe, in Anspruch nehmen werden“, so Flemisch.
Hierfür würden von den Händlern Hygienemaßnahmen wiederholt überprüft und optimiert, sodass jeder „im persönlichen Umfeld unserer Kleinstadt ein möglichst sicheres Einkaufserlebnis genießen kann“. Die Statistiken zeigten, dass durch Corona viel gezielter eingekauft werde, dies spiegele auch das Feedback der Mitglieder wider. Der Umsatz pro Einzeleinkauf sei gestiegen, könne aber in der Summe den flächendeckenden Frequenzrückgang bei Weitem nicht abfangen.
Die Lage der Mitgliedsunternehmen sei unterschiedlich, und zwar je nach Warenangebot, „denn hier schlagen sich unsere aktuellen Lebensumstände direkt nieder“. Etwa Mode und Faschingsartikel seien in diesem Jahr weniger gefragt, Fahrräder und Genussmittel hätten teils Umsatzzuwächse zu verzeichnen. Unabhängig von dieser Tatsache sei das eindeutige Feedback der Händler, dass sie auf das Weihnachtsgeschäft angewiesen seien, um dieses Krisenjahr zu überstehen. „Jeder von uns kann an dieser Stelle mitentscheiden, wie unsere Innenstadt in Zukunft aussehen wird.“
Es sei wichtig, dass alle die Händler und Gastronomen in diesem schwierigen Winter unterstützen. Für alle, die trotz der getroffenen Maßnahmen nicht shoppen wollten oder könnten, gebe es ja wir-ingünzburg.de oder den Einkaufsgutschein der Cityinitiative. „Sonst könnten alle Bemühungen der letzten Jahre, welche wir über die Institutionen hinweg für die Attraktivität unserer Innenstadt unternommen haben, umsonst gewesen sein!“
Als „besorgniserregend“bezeichnet Günzburgs Pressesprecherin Julia Ehrlich die Umsatzrückgänge beim Einzelhandel in den bayerischen Städten. Es sei zu befürchten, dass auch das Weihnachtsgeschäft nicht die dringend erhoffte Kompensation bringe. Wie stark die Frequenz in Günzburg eingebrochen ist, lässt sich derweil auch an der Auslastung der Tiefgaragen ablesen. Normalerweise sei das Parkhaus „Altstadt“zu 70 bis 75 Prozent ausgelastet, die Anlage „Stadtberg“zu 80 bis 85 Prozent. Von März bis April, also während des ersten Lockdowns, hätten die Stadtwerke einen Umsatzrückgang von 75 bis 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen müssen. Und auch jetzt sei die Auslastung auf demselben Niveau. Im Juni und Juli hingegen habe es keine Rückgänge gegeben, während im August die ausbleibenden Touristen in der Statistik – minus 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – abzulesen seien. Zumindest die Fieranten des Wochenmarkts seien mit ihrem Geschäft zufrieden, erklärt Ehrlich. Auch sie verweist auf die langen Einkaufsabende mit Marktständen sowie die Stempelaktion mit Gewinnspiel während der Adventszeit, wodurch wieder mehr Menschen in die Innenstadt gelockt werden sollen.
Beim Treffen der Oberbürgermeister der bayerischen Großen Kreisstädte in Günzburg (wir berichteten) sei der Handel übrigens auch Thema gewesen. Um die drastischen Umsatzeinbußen nur annähernd zu kompensieren, müssten in dieser existenzgefährdenden Situation auch Maßnahmen umgesetzt werden, die die Einkaufsmöglichkeiten an Sonntagen erleichtern. Die
Stadtchefs forderten daher in ihrer Resolution das Schaffen größerer Spielräume für verkaufsoffene Sonntage und Abendöffnungen.
In Krumbach sagt Brigitte Ober meierSchober von Mode Obermeier, dass die Frequenz spürbar nachgelassen habe, aber auch die Stammkunden vorsichtig seien. Zudem fehlten einfach Anlässe wie Hochzeiten. Nach dem ersten Lockdown sei der Betrieb fast wieder normal gewesen, „aber die Umsätze kamen nicht wieder“. Daher müsse man an die Menschen appellieren, bei den örtlichen Händlern statt im Internet zu kaufen. Sie bleibe jedenfalls optimistisch, und das auch in Sachen Weihnachtsgeschäft.
Barbara WiedemannFröhlich vom Modehaus Wiedemann in Krumbach sagt ebenfalls, dass es deutlich ruhiger geworden sei, die Stadt sei wie ausgestorben. Aber wer ins Geschäft kommt, „der kauft“. Vor allem die Stammkunden hielten die Treue, wenn schon die Laufkundschaft fehle, die auch sehr wichtig sei. Nach dem Lockdown habe sich der Umsatz fast wieder auf dem Niveau davor stabilisiert, deshalb bleibt auch sie guter Dinge, was die Zeit nach den jetzigen Einschnitten angeht.
„Es herrscht eine vorsichtige Atmosphäre.“
„Jetzt sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen.“
Zumal die Stammkunden fast wie Freunde seien, die zum Laden ihrer Wahl hielten.
Der Vorsitzende des Gewerbe und Handelsvereins, HansPeter Zieg ler, bedauert, dass man derzeit nichts tun könne, um für mehr Frequenz zu sorgen. Denn Veranstaltungen seien ja nicht erlaubt, „da können wir nur warten“. Der Vor sitzende der Werbegemeinschaft, Christian Mayer, mahnt: „Jetzt sollte man keine voreiligen Schlüsse ziehen.“Der Teil-Lockdown laufe erst seit gut zwei Wochen. Die Frequenz in der Stadt sei geringer, in seinem Lebensmittelgeschäft laufe aber alles normal. In Krumbach seien vor allem Baustellen ein Problem.
Dass der Krumbacher Einzelhandel leider nicht verschont bleibe, erklärt auch Mathias Vogel von der Stadtverwaltung. Vereinzelt seien die Umsätze „etwas eingebrochen“. Eine Geschäftsaufgabe wegen Corona sei derzeit aber nicht bekannt. Im laufenden Jahr wurden 122 Gewerbe-Anmeldungen und 85 Abmeldungen verzeichnet.
Nicht nur auf Günzburg und Krumbach fokussiert, sagen Axel Egermann von der Regionalmarke tingGesellschaft des Landkreises und Oliver Stipar, Regionalgeschäfts führer der Industrie und Handels kammer, dass die Situation natürlich schwierig sei, aber dass man erst nach dem Teil-Lockdown Bilanz ziehen könne. Beim ersten Mal seien die Geschäfte auch ganz unterschiedlich durch die Schließung gekommen. Das Problem sei eben, dass der Frequenzbringer Gastronomie derzeit weitgehend ausfalle. Die Reserven vieler Betriebe seien geschmolzen, aber, so Stipar, er habe zumindest noch von keinem gehört, der aufgebe. »Diese Woche