Guenzburger Zeitung

Ihre Gebeine liegen in den Kirchen

Die Reliquien der Katakomben­heiligen in Krumbach, Ursberg und Roggenburg werden noch immer verehrt. Was aus Leben der Heiligen bekannt ist

- VON HANS BOSCH

Krumbach/Ursberg/Roggenburg Es war am 31. Mai des Jahres 1578: Römische Weinbergar­beiter stießen mit ihren Spaten und Hacken auf einen Hohlraum im Erdreich und fanden die erste von mehreren unterirdis­chen Begräbniss­tätten, die zwischen dem 1. und 5. Jahrhunder­t nach Christus angelegt worden waren. Die Schätzunge­n der Historiker, wie viele Menschen insgesamt in diesen Katakomben beigesetzt wurden, gehen weit auseinande­r. Am plausibels­ten erscheint die Zahl einer wissenscha­ftlichen Studie aus dem Jahre 1950, die von 500 000 bis 750000 Bestattete­n ausgeht. Die Körper oder lediglich Gebeinetei­le von vier „Katakomben­heiligen“sind in der Pfarrkirch­e Ursberg zu sehen. St. Michael in Krumbach besitzt den hl. Valentin und auch in der Roggenburg­er Klosterkir­che gibt es vier Reliquien solcher Toten.

Gesicherte Dokumente, wie diese römischen Heiligen im 17. Jahrhunder­t in unsere Gegend kamen, gibt es nur wenige. Eine Ausnahme macht der hl. Valentin, von dem feststeht, dass er nachweisli­ch im Jahre 1734 von dem venezianis­chen Adeligen Joannes Delfin den Christen des damaligen Marktes Krumbach geschenkt worden war. Es ist der in Krumbach geborenen Uschi Raab mit ihrer Facharbeit und dem derzeitige­n Mesner von St. Michael, Gerhard Heinisch, durch seine privaten Recherchen zu verdanken, dass über den Heiligen wertvolle Details vorliegen. Unklar bleibt, warum gerade Krumbach ein solches Geschenk bekam. Die Vermutung liegt nahe, dass die Augsburger Fugger eine Rolle spielten oder aber der geplante Neubau von St. Michael, mit dem 1751 begonnen wurde.

Im Pfarrarchi­v gibt es die Urkunde, aus der „unzweifelh­aft“hervorgeht, dass der damalige Erzbischof Thomas vom Berg Ilcino „den heiligen Körper zur größeren Ehre des allmächtig­en Gottes aus dem Friedhof von Calepodus herausgezo­gen (ausgegrabe­n) und dem erlauchtes­ten und excellente­sten Joannes Delfin, einem adeligen Venezianer, zum Geschenk gemacht hat“. Es wird

In einem Schrein an der linken westlichen Innenwand der Ursberger Kirche liegt die hl. Getreu. In den beiden Fenstern darunter sind Reliquien der hl. Benerose und Mar‰ tina zu sehen. diesem gleichzeit­ig bestätigt, er dürfe den Körper für sich behalten und ihn sogar aus Rom entfernen. Allerdings soll er die Reliquie in einer ihm beliebigen Kirche der öffentlich­en Verehrung aussetzen. Durch sein Siegel bestätigte Delfin, dass es sich bei diesem „heiligen Körper“um den „Heiligen Märtyrer Valentinus“handelt. Allerdings bleibt unklar, um welchen Valentin es sich handelt, da historisch ab 300 n. Chr. mehrere Heilige dieses Namens auftauchen. St. Michael kann trotzdem stolz auf diesen Schatz sein und feiert zurecht den Geburtstag des Heiligen am 14. Februar mit einem festlichen Gottesdien­st.

Weitaus weniger bekannt ist die Geschichte und Herkunft der Reliquien in der Pfarrkirch­e Ursberg. Es handelt sich um die vier Heiligen Caritas, Getreu, Benerose und Martina. Der heute in Los Angeles (USA) lebende Autor und Fotograf Paul Koudounari­s schreibt in seinem Buch „Katakomben-Heilige verehrt, verleugnet, vergessen“über die heilige Caritas lediglich, dass sie vermutlich im 17. Jahrhunder­t von einer aus dem Umfeld stammenden Adeligenfa­milie dem damaligen Prämonstra­tenserklos­ter Ursberg geschenkt worden war. Jedenfalls stammen nach seiner Ansicht Rock und Korsett stilmäßig aus diesem Jahrhunder­t. Für ihn wurden die Gebeine der Heiligen in diesem Zeitraum zu einem Skelett zusammenge­setzt, gewandet und in bestimmte Posen gebracht. Koudounari­s: „Man setzte oder stellte sie also in aufwendig und kunstvoll gestaltete Schaukäste­n, in denen sie ihren endgültige­n Platz in der Kirche finden sollten.“Für Ursberg war dies wohl der rechte Seitenalta­r, in dem heute die heilige Caritas den

Mittelpunk­t bildet. In seltenen Fällen legte man die zumeist von Klosterfra­uen kunstvoll eingekleid­eten Skelette in einen Schrein, der an der Wand befestigt wurde. Ein Beispiel dafür ist die heilige Getreu, die in einer Nische der westlichen Kirchenwan­d links vom Eingang aufbewahrt wird. Unter ihr sind durch zwei kleine Fenster Teilreliqu­ien von zwei anderen Katakomben­heiligen zu sehen. Es handelt sich wohl um die Märtyrerin­nen Martina und Benerose. Auch für sie gilt wie ebenso für die vermutlich­en Märtyrerin­nen Caritas und Getreu, dass nicht mehr festzustel­len ist, wie die Skelette nach Ursberg gekommen sind. Unbekannt ist auch ihr Lebensweg und Genaueres über ihren Tod, denn in den vorliegend­en Fachbücher­n sind lediglich ihre Namen als Heilige genannt.

Gleiches gilt für die in der Roggenburg­er Klosterkir­che zu sehenden Katakomben­heiligen, bei denen es sich um die Heiligen Laurentia, Severina, Valeria und Venantius handelt. Nach Koudounari­s wurden sie irgendwann im 19. Jahrhunder­t „radikal umgestalte­t“und „mit schweren Corsagen, Röcken und Roben verhüllt und ihre Schädel hinter Pappmaché-Masken versteckt“. Und auch die Schreine, in die man die Katakomben­heiligen bettete, seien umgestalte­t worden. Das Fazit des Historiker­s: „Sie sind vollständi­g hinter bemalten Abdeckunge­n verborgen, auf denen Skelette mit lebhaften Gesichtern verziert dargestell­t sind. Und in dieser einsamen Dunkelheit fristen die maskierten und leblosen Gebeine von Roggenburg ihr vergessene­s und stilles Dasein.“

Bis auf einen Tag im Jahr: Am 15. August feiern seit über zwei Jahrhunder­ten die Mönche zu Ehren der Heiligen das sogenannte Leiberfest. Dafür werden die Reliquien aus ihrem Schrein gehoben, auf Bahren gelegt, liebevoll mit Blumen geschmückt und in einer festlichen Prozession um das Kloster getragen. Weitere Katakomben­heilige sind im schwäbisch­en Bereich nur noch in den Kirchen Biberbach, Donauwörth, Irsee und Ottobeuren zu finden.

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Foto: Georg Drexel
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Foto: Georg Drexel
 ?? Foto: Archiv St. Michael ?? Der hl. Valentin in St. Michael wird jetzt wieder jedes Jahr zu seinem Namenstag im Februar mit einem Festgottes­dienst geehrt.
Foto: Archiv St. Michael Der hl. Valentin in St. Michael wird jetzt wieder jedes Jahr zu seinem Namenstag im Februar mit einem Festgottes­dienst geehrt.

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