Stiftungen kämpfen mit Widerständen
Parteinahe Organisationen betreiben weltweit Büros und setzen sich für Demokratie ein. Manche Staaten sehen sie als Gefahr und behindern ihre Arbeit. Das führt in China und Ägypten zum Rückzug
Tränengas- und Pfefferspraygranaten knallen auf Bordsteine im Einkaufsviertel Causeway Bay in Hongkong. Drei schwarz gekleidete und vermummte Demonstranten schieben eine Holztür über die Straße, um sich zu schützen. Zwei Männer tragen einen Verletzten weg, andere fliehen vor Schüssen. Das Video auf Youtube, auf dem all das zu sehen ist, zeigt besonders eins: Angst.
Vor allem junge Menschen, viele Studenten, protestieren gegen das Sicherheitsgesetz der chinesischen Regierung, das im eigentlich autonomen Hongkong gelten soll. Es bestraft jeden, der sich gegen die Regierung auflehnt. Auch politische Stiftungen fürchten um ihre Sicherheit. Dass sie in China nicht mehr frei arbeiten können. Dass ihre Mitarbeiter verhaftet werden. Die FDP-nahe Friedrich-NaumannStiftung schloss dieses Jahr ihr Büro in Hongkong. Nach nur zwei Jahren. Die Konrad-Adenauer-Stiftung, CDU-nah, verließ vergangenes Jahr Pakistan, vor mehreren Jahren Ägypten und Ecuador.
Die Konrad-Adenauer- und die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung betreiben Büros in mehr als hundert Ländern. Die Naumann-Stiftung liegt bei gut 60. Zu den sechs deutschen politischen Stiftungen zählen auch die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah), die Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne) sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke). Mehrere hundert Millionen Euro kostet die Arbeit in fremden Ländern. Das Geld kommt zum überwiegenden Teil vom Staat. Die Stiftungen arbeiten aber nicht im Auftrag der Bundesregierung, sondern lediglich mit ihrer Zustimmung.
Die meisten politischen Organisationen entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals ging es besonders um politische Bildung für die Bundesrepublik. Stiftungen vergeben Stipendien, fördern Demokratie und unterstützen die Zivilgesellschaft. Sie laden Bürgermeister ein, um mit ihnen über die Zukunft der Städtepartnerschaften zu diskutieren. So wie es dieses Jahr die Konrad-Adenauer-Stiftung in Paris gemacht hat. Oder die Hanns-Seidel-Stiftung. In Bolivien bietet sie Online-Seminar über das Studium in Deutschland an, informiert darüber, wie Südamerikaner ein Stipendium bekommen.
Nach eigenen Angaben fördert die Hanns-Seidel-Stiftung mehr als 97 Projekte in 71 Ländern. Ihre Arbeit basiert auf christlich-sozialen Idealen. Ihr Vorsitzender ist Markus Ferber, geboren in Augsburg, Mitglied des Europaparlaments und Bezirksvorsitzender der CSU Schwaben. Seine Stiftung versucht sich seit fünf Jahren in der Türkei zu registrieren – ohne Erfolg. „Das ist schon auffällig“, sagt Ferber. Auch im Land eines anderen Nato-Partners gibt es Probleme, in den Vereinigten Staaten. „Unter Trump war es für uns schwierig, Kontakte in die oberste Regierungsebene zu bekommen.“Sprich: Referenten hatten für bilaterale Gespräche „keine Zeit“. In China hingegen hat die HannsSeidel-Stiftung keine Probleme.
Regierungen beobachten genau, was ausländische Organisationen in ihren Staaten treiben. Da sich die Friedrich-Naumann-Stiftung in Hongkong gemäß ihrem Namenszusatz für Freiheit einsetzte und Kontakte zur liberalen Democratic Party pflegte, war ihre Arbeit besonders gefährdet. Nachdem im August bei einer Razzia Kontaktleute der Stiftung festgenommen wurden, verkündete sie ein paar Wochen später ihren Rückzug.
Karl-Heinz Paqué ist Vorsitzender der Naumann-Stiftung. Er war mal Finanzminister von SachsenAnhalt, Jahre her. Heute ist er im Bundespräsidium der FDP und retweetet gerne mal Christian Lindner. Er sagt: „Unsere Mitarbeiter können in Hongkong unter dem Vorwand, sie seien ausländische Agenten, angeklagt und zu Haftstrafen verurteilt werden. Ohne Chance auf einen fairen Prozess.“Wer ausländische Akteure sind und inwiefern sie die nationale Sicherheit bedrohen, bestimmten die chinesischen Behörden. Für Paqué, 64, war es deshalb richtig, das Büro in Hongkong zu schließen. „Die Bedrohung für unsere Mitarbeiter wurde zu groß“, sagt er. Nach dem Rückzug warf die chinesische Regierung der Stiftung vor, ausländischer Agent gewesen und von westlichen Geheimdiensten finanziert worden zu sein. „Das ist diffamierend.“
Wenn eine Stiftung ein Land verlässt, könnte es sein, dass die dortige Regierung das als diplomatische Niederlage wertet, sagt Paqué. „Die meisten autokratischen Staaten seein hen das nicht gerne. Man schmückt sich gerne mit Nichtregierungsorganisationen.“Wie die Hanns-SeidelStiftung hat auch die Naumann-Stiftung in der Türkei Probleme. „Erdogan ist kein Freund von liberalen Kräften“, sagt Paqué. Schikane beginnt nach seinen Worten, wenn die Stiftung für eine Veranstaltung keinen Raum bekommt. Deshalb wich sie mal in eine Kneipe aus.
Doch wann ist es für eine Stiftung Zeit, ein Land zu verlassen? Anruf bei Frank Priess. Er ist 63 Jahre alt und stellvertretender Leiter der europäischen und internationalen Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ob die Stiftung ein Büro von sich aus schließt, unterliege nach Priess’ Worten gewissen Kriterien. Was kann man in dem Land generell bewirken? Kann die Stiftung so frei arbeiten, wie sie will? Wie wichtig ist das Land? Fragen, die sich die Adenauer-Stiftung vermutlich auch in Bezug auf Hongkong stellt.
Im Gegensatz zur Friedrich-Naumann-Stiftung arbeitet sie in der ehemaligen britischen Kolonie weiter. Priess begründet das mit einem anderen Schwerpunkt. „Wir richten den Blick dort auf Klima, Energie und Umwelt.“Diese Themen seien nicht so konfliktbehaftet wie Menschenrechte. Aber: „Unsere Partner sind vorsichtiger geworden, mit wem sie reden.“
Stiftungen und andere Organisationen spüren auch in Russland Druck. Jede Nichtregierungsorganisation, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhält, muss sich seit diesem Jahr als „ausländischer Agent“registrieren. Der Kreml will verhindern, dass sich Organisationen in innere Angelegenheiten des Staates einmischen. Derzeit diskutiert das Parlament über eine Verschärfung des Agenten-Gesetzes. Künftig muss das Justizministerium Veranstaltungen von Organisationen wohl genehmigen. Nachdem das Gesetz eingeführt wurde, haben zahlreiche Organisationen ihre Arbeit aufgegeben.
Frank Priess bereitet das Sorgen. Der Fall Ägypten soll sich nicht wiederholen. 2013 verurteilte ein Gericht zwei Mitarbeiter der KonradAdenauer-Stiftung zu zwei und fünf Jahren Haft. Das Büro der Stiftung in Kairo wurde geschlossen. Der Vorwurf lautete „ohne Genehmigung eine Organisation betrieben zu haben“. Ein diplomatischer Skandal. Das Urteil gegen die Mitarbeiter wurde fünf Jahre später aufgehoben, das Büro aber blieb dicht. Als „fadenscheinig“bezeichnet Priess die damalige Anklage. „Wir haben zu diesem Zeitpunkt schon viele Jahre in Kairo gearbeitet.“
„Ausländischer Agent“lautet der Vorwurf Chinas