Guenzburger Zeitung

Stiftungen kämpfen mit Widerständ­en

Parteinahe Organisati­onen betreiben weltweit Büros und setzen sich für Demokratie ein. Manche Staaten sehen sie als Gefahr und behindern ihre Arbeit. Das führt in China und Ägypten zum Rückzug

- VON PHILIPP SCHULTE

Tränengas- und Pfefferspr­aygranaten knallen auf Bordsteine im Einkaufsvi­ertel Causeway Bay in Hongkong. Drei schwarz gekleidete und vermummte Demonstran­ten schieben eine Holztür über die Straße, um sich zu schützen. Zwei Männer tragen einen Verletzten weg, andere fliehen vor Schüssen. Das Video auf Youtube, auf dem all das zu sehen ist, zeigt besonders eins: Angst.

Vor allem junge Menschen, viele Studenten, protestier­en gegen das Sicherheit­sgesetz der chinesisch­en Regierung, das im eigentlich autonomen Hongkong gelten soll. Es bestraft jeden, der sich gegen die Regierung auflehnt. Auch politische Stiftungen fürchten um ihre Sicherheit. Dass sie in China nicht mehr frei arbeiten können. Dass ihre Mitarbeite­r verhaftet werden. Die FDP-nahe Friedrich-NaumannSti­ftung schloss dieses Jahr ihr Büro in Hongkong. Nach nur zwei Jahren. Die Konrad-Adenauer-Stiftung, CDU-nah, verließ vergangene­s Jahr Pakistan, vor mehreren Jahren Ägypten und Ecuador.

Die Konrad-Adenauer- und die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung betreiben Büros in mehr als hundert Ländern. Die Naumann-Stiftung liegt bei gut 60. Zu den sechs deutschen politische­n Stiftungen zählen auch die Hanns-Seidel-Stiftung (CSU-nah), die Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne) sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke). Mehrere hundert Millionen Euro kostet die Arbeit in fremden Ländern. Das Geld kommt zum überwiegen­den Teil vom Staat. Die Stiftungen arbeiten aber nicht im Auftrag der Bundesregi­erung, sondern lediglich mit ihrer Zustimmung.

Die meisten politische­n Organisati­onen entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals ging es besonders um politische Bildung für die Bundesrepu­blik. Stiftungen vergeben Stipendien, fördern Demokratie und unterstütz­en die Zivilgesel­lschaft. Sie laden Bürgermeis­ter ein, um mit ihnen über die Zukunft der Städtepart­nerschafte­n zu diskutiere­n. So wie es dieses Jahr die Konrad-Adenauer-Stiftung in Paris gemacht hat. Oder die Hanns-Seidel-Stiftung. In Bolivien bietet sie Online-Seminar über das Studium in Deutschlan­d an, informiert darüber, wie Südamerika­ner ein Stipendium bekommen.

Nach eigenen Angaben fördert die Hanns-Seidel-Stiftung mehr als 97 Projekte in 71 Ländern. Ihre Arbeit basiert auf christlich-sozialen Idealen. Ihr Vorsitzend­er ist Markus Ferber, geboren in Augsburg, Mitglied des Europaparl­aments und Bezirksvor­sitzender der CSU Schwaben. Seine Stiftung versucht sich seit fünf Jahren in der Türkei zu registrier­en – ohne Erfolg. „Das ist schon auffällig“, sagt Ferber. Auch im Land eines anderen Nato-Partners gibt es Probleme, in den Vereinigte­n Staaten. „Unter Trump war es für uns schwierig, Kontakte in die oberste Regierungs­ebene zu bekommen.“Sprich: Referenten hatten für bilaterale Gespräche „keine Zeit“. In China hingegen hat die HannsSeide­l-Stiftung keine Probleme.

Regierunge­n beobachten genau, was ausländisc­he Organisati­onen in ihren Staaten treiben. Da sich die Friedrich-Naumann-Stiftung in Hongkong gemäß ihrem Namenszusa­tz für Freiheit einsetzte und Kontakte zur liberalen Democratic Party pflegte, war ihre Arbeit besonders gefährdet. Nachdem im August bei einer Razzia Kontaktleu­te der Stiftung festgenomm­en wurden, verkündete sie ein paar Wochen später ihren Rückzug.

Karl-Heinz Paqué ist Vorsitzend­er der Naumann-Stiftung. Er war mal Finanzmini­ster von SachsenAnh­alt, Jahre her. Heute ist er im Bundespräs­idium der FDP und retweetet gerne mal Christian Lindner. Er sagt: „Unsere Mitarbeite­r können in Hongkong unter dem Vorwand, sie seien ausländisc­he Agenten, angeklagt und zu Haftstrafe­n verurteilt werden. Ohne Chance auf einen fairen Prozess.“Wer ausländisc­he Akteure sind und inwiefern sie die nationale Sicherheit bedrohen, bestimmten die chinesisch­en Behörden. Für Paqué, 64, war es deshalb richtig, das Büro in Hongkong zu schließen. „Die Bedrohung für unsere Mitarbeite­r wurde zu groß“, sagt er. Nach dem Rückzug warf die chinesisch­e Regierung der Stiftung vor, ausländisc­her Agent gewesen und von westlichen Geheimdien­sten finanziert worden zu sein. „Das ist diffamiere­nd.“

Wenn eine Stiftung ein Land verlässt, könnte es sein, dass die dortige Regierung das als diplomatis­che Niederlage wertet, sagt Paqué. „Die meisten autokratis­chen Staaten seein hen das nicht gerne. Man schmückt sich gerne mit Nichtregie­rungsorgan­isationen.“Wie die Hanns-SeidelStif­tung hat auch die Naumann-Stiftung in der Türkei Probleme. „Erdogan ist kein Freund von liberalen Kräften“, sagt Paqué. Schikane beginnt nach seinen Worten, wenn die Stiftung für eine Veranstalt­ung keinen Raum bekommt. Deshalb wich sie mal in eine Kneipe aus.

Doch wann ist es für eine Stiftung Zeit, ein Land zu verlassen? Anruf bei Frank Priess. Er ist 63 Jahre alt und stellvertr­etender Leiter der europäisch­en und internatio­nalen Zusammenar­beit der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ob die Stiftung ein Büro von sich aus schließt, unterliege nach Priess’ Worten gewissen Kriterien. Was kann man in dem Land generell bewirken? Kann die Stiftung so frei arbeiten, wie sie will? Wie wichtig ist das Land? Fragen, die sich die Adenauer-Stiftung vermutlich auch in Bezug auf Hongkong stellt.

Im Gegensatz zur Friedrich-Naumann-Stiftung arbeitet sie in der ehemaligen britischen Kolonie weiter. Priess begründet das mit einem anderen Schwerpunk­t. „Wir richten den Blick dort auf Klima, Energie und Umwelt.“Diese Themen seien nicht so konfliktbe­haftet wie Menschenre­chte. Aber: „Unsere Partner sind vorsichtig­er geworden, mit wem sie reden.“

Stiftungen und andere Organisati­onen spüren auch in Russland Druck. Jede Nichtregie­rungsorgan­isation, die finanziell­e Unterstütz­ung aus dem Ausland erhält, muss sich seit diesem Jahr als „ausländisc­her Agent“registrier­en. Der Kreml will verhindern, dass sich Organisati­onen in innere Angelegenh­eiten des Staates einmischen. Derzeit diskutiert das Parlament über eine Verschärfu­ng des Agenten-Gesetzes. Künftig muss das Justizmini­sterium Veranstalt­ungen von Organisati­onen wohl genehmigen. Nachdem das Gesetz eingeführt wurde, haben zahlreiche Organisati­onen ihre Arbeit aufgegeben.

Frank Priess bereitet das Sorgen. Der Fall Ägypten soll sich nicht wiederhole­n. 2013 verurteilt­e ein Gericht zwei Mitarbeite­r der KonradAden­auer-Stiftung zu zwei und fünf Jahren Haft. Das Büro der Stiftung in Kairo wurde geschlosse­n. Der Vorwurf lautete „ohne Genehmigun­g eine Organisati­on betrieben zu haben“. Ein diplomatis­cher Skandal. Das Urteil gegen die Mitarbeite­r wurde fünf Jahre später aufgehoben, das Büro aber blieb dicht. Als „fadenschei­nig“bezeichnet Priess die damalige Anklage. „Wir haben zu diesem Zeitpunkt schon viele Jahre in Kairo gearbeitet.“

„Ausländisc­her Agent“lautet der Vorwurf Chinas

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Foto: Keith Tsuji, dpa Ein Polizist warnt Demonstran­ten: „Löst euch auf oder wir wenden Gewalt an.“In Hongkong richten sich Proteste gegen ein Sicherheit­sgesetz.
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