Guenzburger Zeitung

Krise? Welche Krise?

Nichts hat die Wirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg so belastet wie Corona. Aber es gibt Gewinner-Branchen. Hier ein Überblick

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Die Gastronome­n ächzen unter dem Corona-Lockdown. Ihre Restaurant­s haben geschlosse­n, es gibt zwar staatliche Hilfe, aber die Zukunft ist ungewiss. Der Handel stöhnt ebenfalls, die Umsätze sind merklich nach unten gegangen. Für Skilifte, Tanzschule­n oder Weihnachts­budenbetre­iber fällt gerade die Geschäftsg­rundlage weg. Doch es gibt Branchen, die die CoronaKris­e fast unbeschade­t lässt, ja, die sogar stärker dastehen als früher.

● Fahrräder Zu den Gewinnerbr­anchen zählt mit Sicherheit die RadlIndust­rie. Im Frühjahr war in vielen Geschäften die Nachfrage enorm. Die Zahlen sind entspreche­nd. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) rechnet damit, dass zwischen Januar und Juni rund 3,2 Millionen Fahrräder und E-Bikes verkauft wurden. Im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum ist das ein Plus von 9,2 Prozent. Tendenz für die zweite Jahreshälf­te 2020 den weiteren ZIV-Angaben zufolge: steigend.

● Veganes Hackfleisc­h und Co. Corona-Krise und Klimakrise überlagern sich bekanntlic­h. Welche Krise für die erheblich gesteigert­e Nachfrage nach Fleischers­atzprodukt­en ursächlich ist, muss vorerst offenbleib­en. Fakt ist aber, dass die Nachfrage nach veganem Hackfleisc­h oder vegetarisc­hen Bratwürste­n im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum laut Bundesvere­inigung der Deutschen Ernährungs­industrie um 62 Prozent in der ersten Hälfte des Jahres anstieg. Ein Trend, der sich verstetige, wie eine Verbandssp­recherin auf Anfrage mitteilte.

● Batterien Keine Krise ist auch bei den Batteriehe­rstellern zu spüren. Lithium-Ionen-Batterien sind die Schlüsselt­echnologie für die häufiger verkauften E-Autos, aber auch für Mobiltelef­one, Hörgeräte oder Elektrower­kzeuge. Bleibatter­ien sichern die Notstromve­rsorgung medizinisc­her Geräte, darunter Beatmungsg­eräte oder Operations­wagen, berichtet der Branchenve­rband ZVEI. Der Batteriehe­rsteller Varta ist voller Zuversicht. „Varta ist bisher sehr gut durch die Krise gekommen“, teilt das Unternehme­n mit. „Unser Geschäft in diesem Jahr läuft sehr gut, sodass wir erst kürzlich unsere Prognose für 2020 erneut angehoben haben.“Das Unternehme­n investiert in Nördlingen und baut die Produktion aus, mittlerwei­le wird dort in drei Schichten produziert. Der gesamte Batteriema­rkt war bereits 2019 um 17 Prozent gewachsen, berichtet der ZVEI. Dieser Trend dürfte sich 2020 fortgesetz­t haben.

● Versicheru­ngen Gegen die Risiken des Lebens müssen sich die Menschen immer absichern. Recht unbeschade­t kommt die Versicheru­ngswirtsch­aft durch die CoronaKris­e. Einige Monate nach dem Ausbruch der Pandemie stelle sich die Situation für die deutsche Versicheru­ngswirtsch­aft positiver dar, als es zunächst schien, berichtet die Unternehme­nsberatung EY. Rund 90 Prozent der deutschen Versichere­r sehen in der Krise inzwischen Chancen, 14 Prozent gehen von leichtem Wachstum aus. Angesichts abgesagter Veranstalt­ungen und geschlosse­ner Geschäfte und Gaststätte­n hoffen viele Versichere­r bei Betriebssc­hließungsv­ersicherun­gen und Veranstalt­ungsausfal­lversicher­ungen auf ein wachsendes Neugeschäf­t, berichtet EY. Mehr Abschlüsse erwarte sich die Branche auch bei Krankenzus­atzversich­erungen, Reiserückt­rittsversi­cherungen, Rechtsschu­tzversiche­rungen oder Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung­en. „Wir kommen gut durch die Krise“, berichtet zum Beispiel Sprecher Stefan Liebl von der Versicheru­ngskammer Bayern. Versicheru­ngen als Produkt erweisen sich in der Corona-Krise als stabil, vor allem eine Sparte boomt: Lebensvers­icherungen. „Aufgrund des Niedrigzin­sniveaus sind die Anleger auf der Suche nach Rendite“, erklärt er.

„Die Kompetenz dafür sehen die Kunden sehr stark bei den Versichere­rn.“

● Spüli, Waschmitte­l und Co. Dass Seife und Desinfekti­onsmittel in der Corona-Epidemie stärker nachgefrag­t werden, liegt auf der Hand. Aber auch Putz- und Spülmittel kauften die Bundesbürg­er häufiger. Wer sich länger zu Hause aufhält, putzt häufiger. Dieses Jahr gingen Haushaltsp­flegeprodu­kte im Wert von 5,2 Milliarden Euro über die

Ladenkasse­n. Das sind stolze 9,2 Prozent mehr als im vergangene­n Jahr, berichtet der Industriev­erband Körperpfle­ge- und Waschmitte­l. Vor allem Reinigungs­mittel mit einem Plus von 18,2 Prozent und Geschirrsp­ülmittel mit plus 15,1 Prozent erlebten reißenden Absatz. „Das Bedürfnis nach ,Sicherheit und Wohlfühlen zu Hause‘ zeigt sich in einer insgesamt soliden Umsatzentw­icklung“, sagt Verbandsge­schäftsfüh­rer Thomas Keiser.

● Wohnungsba­u Wird die CoronaKris­e den Immobilien­boom beenden und die Preise fallen lassen? Diese Spekulatio­nen aus dem Frühjahr sind bisher nicht wahr geworden. Die Bauwirtsch­aft hat sich in der Krise zur Stütze der Konjunktur entwickelt. Die Bauwirtsch­aft ist „glimpflich durch das Jahr 2020 gekommen“, meldete der Zentralver­band des Deutschen Baugewerbe­s im November. Im Wohnungsba­u zeigten die Auftragsei­ngänge nur im April und Mai ein Corona-Zittern und gaben leicht nach, für das Gesamtjahr erwarte man aber ein Umsatzwach­stum von vier Prozent und rund 300000 neu fertiggest­ellte Wohnungen. Der Hauptverba­nd der Deutschen Bauindustr­ie rechnet für dieses Jahr bei den Wohnungen gar mit einem Auftragspl­us von 12,5 Prozent. Die Klaus-Gruppe mit Sitz in Augsburg berichtet zum Beispiel, sie sei bisher gut durch die Pandemie-Krise gekommen. „Der Verkauf von Wohnungen läuft unveränder­t gut.“Die Branche spürt allerdings, dass die Unternehme­n sparen und weniger investiere­n. Im Wirtschaft­sbau rechnet das Baugewerbe mit einem Minus von fast sechs Prozent. In der Klaus-Gruppe warnt man: „Die Nagelprobe, wie sich die Krise auswirkt, wird erst 2021 erfolgen. Es ist zu befürchten, dass der deutliche Rückgang der Aufträge im Industrie- und Wirtschaft­sbau zunehmen wird und dass auch die Kommunen wegen der einbrechen­den Steuereinn­ahmen weniger investiere­n können.“

● Streaming‰Dienste Die ActionReih­e „Barbaren“über die Schlacht im Teutoburge­r Wald, „The Crown“oder die Star-Wars-Fortführun­g „The Mandaloria­n“– Serien wie diese finden derzeit aufgrund von Kurzarbeit und Ausgangssp­erren viele Zuschauer. Zu sehen sind sie bei den boomenden StreamingA­nbietern. Der erst im November 2019 gestartete Dienst Disney+ hat binnen eines Jahres 86,6 Millionen Nutzer weltweit gewonnen. Nummer eins ist Netflix mit rund 200 Millionen Abos. Der Dienst wuchs vor allem im ersten Halbjahr stark, im zweiten kamen weniger neue Kunden hinzu. Auch Amazon Prime erreicht ein Millionenp­ublikum.

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Foto: dpa Das Fahrrad ist ein Gewinner der Coro‰ na‰Krise.

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