Der Vorhang bleibt zu
Der zweite Lockdown trifft das Neue Theater in Burgau hart. Leiterinnen Vera Hupfauer und Dörte Trauzeddel sowie Schauspieler Matthias Klösel über ihre Erfahrungen und warum sie trotzdem ihr Weihnachtsstück proben
Burgau Der Theatersaal im Neuen Theater Burgau ist leer, die Stühle, auf denen normalerweise die Zuschauer sitzen, zum Teil aufeinandergestapelt, es ist kalt. „Die Heizung ist zu laut, die schalten wir nur kurz vor der Probe an“, erklärt Dörte Trauzeddel, neben Vera Hupfauer Leiterin des Theaters. Denn geprobt wird hier trotz der durch Corona bedingten Schließung – aktuell das geplante Weihnachtsstück mit Trauzeddel und Schauspielkollege Matthias Klösel aus Augsburg, das in diesem Jahr nun doch nicht aufgeführt werden wird. Warum also die regelmäßigen Proben?
„Wir proben, weil es schwierig ist, mitten im Prozess abzubrechen und irgendwann wieder anzufangen“, erklärt Hupfauer. Darum werde das Stück jetzt fertiggestellt und auch gefilmt, um es zu konservieren. Insgesamt stehen dafür nur Trauzeddel und Klösel auf der Bühne. „Wir haben in diesem CoronaJahr grundsätzlich Stücke mit kleinerer Besetzung geplant, schon allein, weil wir uns größere Belegungen bei den niedrigen Zuschauerzahlen im Sommer gar nicht leisten konnten“, erklärt Trauzeddel. Normalerweise würden aktuell Schulklassen in die Vorstellung kommen – das fällt jetzt natürlich aus. „Aber wir können jetzt nicht die Flinte ins Korn werfen.“
Wenn möglich, wird auch auf der Bühne auf Abstand geachtet. Das haben die Schauspieler im Neuen Theater in Burgau auch versucht, in ihre Stücke einzubauen. So spielten sie im Sommer in Boxen aus Plexiglas und hielten auch bei ihrer Aufführung von „Hamlet“gezielt Abstand ein. Einfach ist das nicht.
Doch das Schlimmste, da sind sich die drei Schauspieler einig, ist die fehlende Perspektive. „Wenn wir wüssten, es geht in zwei oder drei Monaten weiter, könnten wir uns gezielt darauf vorbereiten und vielleicht bis dahin auch mal ein größeres Projekt in Angriff nehmen“, sagt Hupfauer. Doch mit dem Lockdown, der regelmäßig verlängert wird, sei das schwierig. Man müsse immer bereit für eine spontane Wiedereröffnung sein. Das sei auch im Sommer so gewesen: Erst Anfang Juni habe man erfahren, dass Mitte des Monats wieder Zuschauer kommen dürfen. „Da muss man dann schon etwas Fertiges haben, in zwei Wochen reißt man nicht mehr viel.“
Es sei klar, dass der Spielplan, wie er aktuell stehe, so nicht ablaufen werde, sagt Trauzeddel. „Aber wenn es beispielsweise heißen würde, Ende Januar dürfen wir wieder, müssen wir wissen, mit welchem Stück wir beginnen und was wir vielleicht ganz rauslassen.“
Ein weiterer Sorgenfaktor ist das Geld. Das Neue Theater sei im Vergleich zu größeren Etablissements noch in einer guten Lage, da die laufenden Kosten nicht so hoch seien, erklärt Trauzeddel. Dazu kommen immer wieder Förderungen, wie etwa von der Stadt Burgau oder vom Förderverein sowie Spenden vom Rotary Club und von Gästen. So hätten viele, die bereits Karten für die Novembervorstellungen gekauft hatten, ihr Geld nicht zurückverlangt. „Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung unserer Besucher, wir haben auch sehr viele ermutigende E-Mails bekommen“, erzählt Trauzeddel und lächelt. Trotzdem kennt sie einige Kollegen, die nebenbei Aushilfsjobs wie Spargelstechen annehmen mussten, um über die Runden zu kommen.
Natürlich gibt es auch noch die Novemberhilfen, die jetzt beantragt werden können. Grundsätzlich berechnen sich diese über einen Vergleich zwischen den Einnahmen im November 2019 und 2020. Wer im November 2020 mindestens 75 Prozent des Umsatzes von 2019 einbüßt, kann in der Regel auch diese 75 Prozent als Zuschuss beantragen. Hier kommen für das Neue Theater Burgau wieder die erhaltenen Förderungen ins Spiel – denn diese werden als Einnahmen verbucht und entsprechend von der Unterstützung abgezogen, unabhängig davon, wofür sie verwendet wurden.
So komme im Dezember eine Förderung des Bundesrettungsprogramms „Neustart Kultur“, die das Theater im Sommer beantragt hat. „Das sind reine Investitionsmittel, die man für genau das ausgeben muss, wofür man sie auch beantragt hat“, erklärt Hupfauer. Das sei zwar schon eine Hilfe, da das Theater durchaus Investitionen tätigen müsse, doch unterm Strich bleibe von der Förderung kein Geld übrig. Trotzdem stehe diese bei der Berechnung der Novemberhilfe als Einnahme im Antragsformular.
Eine weitere Frage, die besonders Matthias Klösel umtreibt: Müssen erhaltene Fördergelder zurückgezahlt werden? Klösel ist der Leiter der Theaterwerkstatt in Augsburg und hat mehrere Förderungen für zwei Projekte bekommen, die wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden mussten. „Was mit diesen Fördergeldern passiert, wenn die Produktionen nicht nachgeholt werden können, ist noch unklar“, sagt er. Er gehe davon aus, dass er sie nicht zurückzahlen müsse – doch ganz sicher ist er sich nicht.
Die erneute Schließung der Theater hat bei den Schauspielern Frust ausgelöst. „Es ist wahnsinnig motivationskillend“, meint Klösel. Hupfauer ergänzt: „Es ist nicht immer ganz verständlich, was alles geschlossen wird.“In Theatern und der Gastronomie habe es nur wenige nachweisliche Infektionen gegeben. „Man kommt als Kulturschaffender einfach immer ein bisschen zu kurz, man fühlt sich nicht ernst genommen, weil wir immer die Ersten sind, die schließen müssen.“
Trotzdem habe man auch Verständnis für die Schließung im November gehabt. „Aber es war natürlich schon die Hoffnung da, dass wir im Dezember weitermachen können“, sagt Trauzeddel. Dass dies nicht der Fall sein würde, sei dann aber auch relativ schnell klar geworden. „Warum dürfen Klamottenoder Möbelgeschäfte geöffnet bleiben? Natürlich geht da weit mehr Geld über den Tresen als bei uns – aber es wäre einfach schön, wenn auch die Kulturstätten wie Theater, Kinos oder Museen mal einen Monat lang wieder in Betrieb gehen dürften“, sagt Trauzeddel.
Doch jetzt bleibt den drei Schauspielern erst einmal nichts weiter übrig, als abzuwarten. „Wir hoffen auf bessere Zeiten“, sagt Hupfauer. Auf ihre Unterstützer, das wissen sie jetzt, können sie sich auf jeden Fall auch in schlechten Zeiten verlassen.