Deutlich weniger Geld vom Staat für Günzburg
Die größte Stadt im Landkreis erhält über 1,5 Millionen Euro weniger Schlüsselzuweisungen. Das bleibt nicht folgenlos. Warum Oberbürgermeister Gerhard Jauernig Bund, Bayern und auch den Landkreis in der Pflicht sieht
Günzburg Auf diese Nachricht haben die Bürgermeister und Kämmerer auch im Corona-Jahr 2020 gewartet – vielleicht stärker denn je. Über die sogenannten Schlüsselzuweisungen werden die Städte und Gemeinden im Landkreis Günzburg an den Steuereinnahmen des Freistaats beteiligt. Schlüsselzuweisungen haben die Aufgabe, die Finanzkraft der Kommunen zu stärken und Unterschiede in der Steuerkraft abzumildern. Dabei wird auch die unterschiedliche Aufgabenlast der Kommunen berücksichtigt.
37,7 Millionen Euro werden dieses Jahr in den Landkreis Günzburg fließen. Der Landkreis selbst erhält davon über 19 Millionen Euro, an die kreisangehörigen Städte und Gemeinden gehen zusammengerechnet fast 18,7 Millionen Euro. Das haben jetzt die beiden Landtagsabgeordneten Alfred Sauter (CSU) und Max Deisenhofer (Grüne) mitgeteilt. „Mit diesen Geldern können vor Ort auch wichtige Projekte vorangetrieben werden, die den Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar nützen“, sagt Sauter.
Vor allem Ichenhausen, Krumbach, Günzburg, Ursberg, Kammeltal, Thannhausen und Bibertal können sich über hohe Schlüsselzuweisungen freuen, die jeweils über einer Million Euro und in zwei Fällen über zwei Millionen Euro liegen. Ichenhausen erhält mit gerundet 2,47 Millionen Euro den höchsten Betrag, es folgen Krumbach (2,38 Millionen Euro), Günzburg (1,81 Millionen Euro), Ursberg (1,37 Millionen Euro), Thannhausen (1,10 Millionen Euro) und Bibertal (1,08 Millionen Euro).
In Günzburg dürfte die Freude allerdings nicht allzu groß ausfallen. Denn im Gegensatz zum vergangenen Jahr muss die Stadt über 1,5 Millionen Euro weniger an Schlüsselzuweisungen hinnehmen. Es sei keine Überraschung gewesen, sagt der Günzburger Oberbürgermeister Gerhard Jauernig auf Anfrage unserer Zeitung. „Nach eigenen Berechnungen haben wir mit diesem Betrag kalkuliert. Dennoch reißt das ein großes Loch in die Jahresplanung.“
Die Steuerkraft Günzburgs ist in den vergangenen Jahren angewachsen, was sich auch an den gestiegenen Einnahmen bei Einkommens-, Gewerbe- und Grundsteuer niederschlägt (2019: 22,6 Millionen Euro, 2020: 22,8 Millionen Euro, 2021: 25,8 Millionen Euro). Insofern sei es an sich ein gutes Zeichen, wenn der Staat mit seinen Mitteln nicht mehr so stark ausgleichen müsse.
Jauernig sieht dennoch alle politischen Ebenen in der Pflicht, den Städten und Gemeinden künftig stärker unter die Arme zu greifen, um die Folgen der Corona-Pandemie zu kompensieren. Was sich ins Negative verkehrt hat, ist aus Sicht des Oberbürgermeisters sehr deutlich bei den Einbrüchen der Gewerbesteuer in den größeren Städten des Landkreises zu erkennen, die anhalten werden, wie seine Prognose lautet. „Es wird keine rasche Erholung geben.“
Über den Tellerrand der Schlüsselzuweisungen hinaus seien seitens des Freistaates und des Bundes Aufwir gaben übertragen worden, die mit einem deutlichen Anstieg des Finanzzuwachses verbunden seien. Als Beispiel nennt der SPD-Kommunalpolitiker, der auch Bezirksvorsitzender des Städtetags in Schwaben ist, den Anspruch auf einen Kindergartenplatz sowie die Weiterführung der Digitalisierung des Schul- und Bildungswesens. In diesem Zusammenhang kritisiert er „massive Versäumnisse des Kultusministeriums“. Jetzt solle innerhalb von Wochen und Monaten das aufgeholt werden, was jahrelang nicht gemacht worden sei. Jauernig erkennt allerdings weder eine technische noch eine finanzielle Strategie. Es nütze nichts, allein Hard- und Software anzuschaffen, wenn es nicht genügend betreuendes Fachpersonal gebe, das entsprechend geschult und fortgebildet werden müsse. Und das alles sei eben auch mit Kosten verbunden.
„Steigende Ausgaben und geringere Steuereinnahmen“, fasst Jauernig zusammen, „führen zu gewaltigen Finanzierungslücken. Das werden die größeren Städte massiv zu spüren bekommen.“Die Investitionsbereitschaft sinke. Statt eines Impulses werde die heimische Wirtschaft mit den Folgen eines Vakuums, das entstehe, zu tun haben.
Deshalb müssen Jauernig zufolge nicht nur Bund und Land im Jahr 2021 weitere Mittel für Aufgaben bereitstellen. „Auch unser Landkreis ist gefordert, wirklich alle Spielräume für die kreisangehörigen Städte und Gemeinden zu nutzen“, sagt Günzburgs Oberbürgermeister und weist darauf hin, dass die Kreisumlage neben den Personalkosten der größte Ausgabeposten in den Verwaltungshaushalten ist. „Wir haben diese Umlage immer zuverlässig bezahlt. Jetzt brauchen wir eine spürbare Senkung der Kreisumlage.“
Offenbar mehren sich die Zeichen, dass Städte ihre Verwaltungshaushalte (sie kommen für laufende Kosten auf) nurmehr durch eine Fremdfinanzierung ausgleichen können – von der Zuführung eines Überschusses in die Vermögenshaushalte (sie stehen für Investitionen) erst gar nicht zu sprechen. Kreditaufnahmen sind für Jauernig aber kein geeignetes Mittel. „Das ist so, als ob man einem schwer Kranken ein Medikament gibt, damit er noch eine Zeit lang leben kann. Was
aber brauchen, ist eine regelrechte Therapie der Städte und Gemeinden.“
Die meisten Kommunen im Landkreis Günzburg sind übrigens „Verlierer“. 20 Städte und Gemeinden erhalten weniger staatliche Mittel als noch 2019. Neun bekommen mehr Geld. Und bei den restlichen fünf bleibt alles so wie es ist: Es gibt nicht mehr, aber auch nicht weniger (eine detaillierte Aufstellung ist im Infokasten).
Einige Kommunen im Landkreis Günzburg müssen 2021 auf Schlüsselzuweisungen ganz verzichten. Hierzu gehören: Balzhausen, Burgau, Gundremmingen. JettingenScheppach, Kötz, Neuburg und Waldstetten.
Bayernweit betragen die Schlüsselzuweisungen im kommenden Jahr 3,93 Milliarden Euro. Die Gemeinden erhalten davon über 2,5 Milliarden Euro, die Landkreise über 1,4 Milliarden Euro.
Alfred Sauter (CSU): „Unser Ziel ist es, dass in verstärktem Maße die reicheren Kommunen aus eigener Kraft zurechtkommen und die Schlüsselzuweisung vor allem den schwächeren Kommunen hilft. Die Empfänger können über die Verwendung der Schlüsselzuweisungen frei entscheiden.“
Der Grünen-Abgeordnete Max Deisenhofer findet es erfreulich, „dass die Schlüsselzuweisungen in ganz Bayern und auch für den Landkreis Günzburg relativ stabil bleiben – und das trotz Pandemie. Das ist besonders wichtig, damit die Kommunen auch nach Corona ihren Aufgaben gerecht werden können. Wir Grüne fordern insgesamt einen höheren Anteil der Kommunen am Steueraufkommen.“
Für den Landkreis und dessen Kommunen stehen etwas weniger Mittel aus den Schlüsselzuweisungen zur Verfügung, für den Landkreis zum Beispiel 19,05 Millionen Euro für 2021 (2020 waren es 19,90 Millionen Euro). (mit zg)
Massive Kritik am Kultusministerium