Guenzburger Zeitung

Droht uns ein Lockdown bis Ostern?

Ministerpr­äsident Söder bezweifelt, dass ein Stillstand bis 10. Januar ausreicht

- VON MARIA HEINRICH, DANIELA HUNGBAUR UND SARAH SCHIERACK

Augsburg Im Nachhinein klingen die Worte von Lothar Wieler fast noch bitterer. Es würden tödliche CoronaWeih­nachten werden, warnte der Chef des Robert-Koch-Instituts noch am Dienstag in einer Pressekonf­erenz. Am folgenden Morgen meldete sein Institut bereits einen traurigen Rekord: 952 Menschen sind binnen 24 Stunden an oder mit dem Coronaviru­s gestorben. Rein rechnerisc­h gibt es damit alle eineinhalb Minuten einen Corona-Todesfall in Deutschlan­d.

Ein zweiter harter Lockdown soll Infektions­zahlen und Sterbefäll­e nun nach unten drücken. Doch wie lange dauert es, bis dieser Zeitpunkt erreicht ist? Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) ist sehr skeptisch, dass sich die Lage nach dem 10. Januar rasch normalisie­rt. Er stimmt die Bevölkerun­g vielmehr auf längere Einschränk­ungen ein: „Manche hoffen, dass ab Januar wieder geöffnet werden kann. Ich sage, die ganzen Maßnahmen müssen getätigt werden, solange sie nötig sind“, sagte Söder am Mittwochab­end im LiveInterv­iew mit unserer Redaktion. Der CSU-Chef geht noch weiter: Er glaubt nicht, dass ab März alles vorbei sein wird. „Aber es kann leichter werden“, sagte Söder. Dafür setzt Bayerns Ministerpr­äsident auf Impfungen. Es sei eine große Hoffnung, dass möglicherw­eise noch im Dezember geimpft werden kann. Auf diesen Zeitpunkt stellen sich nun auch die Gesundheit­sminister der Länder ein. Wie am Mittwochab­end bekannt wurde, benannte Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) den 27. Dezember als Beginn für die Corona-Impfungen.

Trotz aller Hoffnungen auf den Impfstoff reiche eine LockdownPh­ase bis zum 10. Januar nicht aus, erklärte der Vorsitzend­e des Weltärzteb­undes, Frank Ulrich Montgomery. Der Mediziner rechnet mit

Einschränk­ungen bis Ostern. Modellrech­nungen würden zeigen, dass der harte Lockdown die Zahl der Neuinfekti­onen frühestens ab Ende Januar bundesweit unter den Wert von 50 Fällen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen drücken werde. 50 Ansteckung­en innerhalb einer Woche auf 100000 Einwohner gilt als Richtwert, ab dem die Gesundheit­sämter in der Lage sind, Ansteckung­en nachzuverf­olgen.

Montgomery­s Mediziner-Kollege Clemens Wendtner geht sogar noch weiter. Der Chefarzt der München Klinik behandelte den ersten deutschen Corona-Patienten. „Das wird nicht der letzte Lockdown sein“, betont der Arzt im Interview mit unserer Redaktion. Er prognostiz­iert „einen Zyklus aus Lockerunge­n und harten Lockdowns auch 2021“. Auch er ist überzeugt davon, dass der durchschni­ttliche Inzidenzwe­rt wieder zweistelli­g werden müsse, bevor im Land über Lockerunge­n nachgedach­t werden könne.

Hinter verschloss­enen Türen schwört Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Mitglieder der Unionsfrak­tion ebenfalls auf einen strengen Winter ein. Januar und Februar würden nochmals harte pandemisch­e Monate werden. „Da dürfen wir uns keine Illusionen machen“, wird sie von Teilnehmer­n zitiert.

Die Impfungen, die in Deutschlan­d zwischen den Jahren beginnen sollen, werden nach Einschätzu­ng des Mediziners Wendtner nicht sofort die erhoffte Erholung bringen. „Eine Herdenimmu­nität werden wir erst Ende 2021, vielleicht sogar erst 2022 erreichen“, prognostiz­iert der Experte. Weltärztep­räsident Montgomery dämpft ebenfalls die Hoffnungen: „Auch wenn die Impfungen jetzt früher beginnen als erwartet, wird der Effekt nur allmählich zu einer Verbesseru­ng der Lage beitragen.“

Einen ausführlic­hen Artikel über Clemens Wendtner lesen Sie auf Bay‰ ern. Auf Politik erfahren Sie außerdem, wie Deutschlan­d den ersten Tag im Lockdown erlebt hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany