Mick Schumacher greift nach den Sternen
Der 21-Jährige steigt in die Formel 1 auf und tritt damit in die Fußstapfen seines berühmten Vaters Michael. Der ist siebenmaliger Weltmeister und sein großes Vorbild. Warum die gesamte Familie für den Motorsport so wichtig ist
Augsburg Manchmal ist das mit den bekannten Namen ja so eine Sache. Auf dem Weg nach oben kann es durchaus bremsen, wenn der Druck wegen des Namens zu stark wird. Und viel größer als der Name Schumacher geht es im Motorsport nun mal nicht. Michael Schumacher ist siebenmaliger Weltmeister, was von allen Experten als einzigartige Leistung gewürdigt wurde. Siebenmal Weltmeister, das gelingt keinem mehr, da waren sich viele einig. Bis ein gewisser Lewis Hamilton seine Traumpartnerschaft mit Mercedes einging und seit dieser Saison ebenfalls siebenmaliger Weltmeister ist.
Schumachers Rekord ist eingestellt, sein Name aber leuchtet noch immer sehr hell am Formel-1-Himmel. Und jetzt greift ein anderer Schumacher nach den Sternen, sein Sohn Mick.
Lange Zeit haben deutsche Formel-1-Fans darauf gewartet. Seit Michael Schumachers Abschied aus der Formel 1 im Jahr 2012 hatten sie zu keinem anderen deutschen Fahrer mehr eine solch intensive Bindung aufgebaut. Zu Schumachers Hochzeiten waren seine Fans zu Zehntausenden an die Rennstrecken gepilgert. Sie haben neben dem Hockenheimring im Wald gecampt, auch die Eifel rund um den Nürburgring hatten sie zur Partyzone erklärt. Schumacher war ihr Held, und er ist es geblieben.
Seit seinem Skiunfall 2013, als er mit seinem Kopf auf einen Stein krachte und sich trotz Helms schwer verletzte, ist er aber aus der Öffentlichkeit verschwunden. Nur seine Familie und die engsten Vertrauten wissen, wie es dem 51-Jährigen geht. Er wird im Haus der Schumachers
in der Nähe des Genfer Sees gepflegt. Wie viel er vom Aufstieg seines Sohnes mitbekommt, ist nicht bekannt.
Seinen Sohn Mick hat der große Name bislang nicht ausgebremst. Er hielt dem Druck stand. Der 21-Jährige ist inzwischen in der Formel 1 angekommen, dort, wo sein Vater triumphierte. Am vergangenen Wochenende bestritt er für das HaasTeam sein erstes offizielles Formel1-Training, am Dienstag saß er zu weiteren Testfahrten erneut im Haas-Boliden. Ab 2021 wird er Stammfahrer bei dem US-amerikanischen Team sein. Damit ist er neben Sebastian Vettel der zweite deutsche Formel-1-Pilot in der neuen Saison.
Was aber noch wichtiger ist: Mit ihm ist der Name Schumacher in der Königsklasse zurück. Die Familientradition wird fortgeführt.
Mick ist bereits der dritte Schumacher in der Formel 1 nach seinem Vater Michael und seinem Onkel Ralf. Der bekannte Name führte und führt dabei nicht automatisch zum Erfolg. Er kann helfen auf dem Weg nach oben, das schon. Doch in der Weltspitze ist die Luft oftmals dünn. Das hat Ralf Schumacher erkennen müssen. Er brachte es zwar auf 180 Grand-Prix-Einsätze, ihm gelangen aber nur sechs Siege. Im Vergleich zu seinem Bruder Michael ist das eine enttäuschende Bilanz. Wobei der jüngere SchumacherBruder weder Glück bei seiner Teamauswahl hatte noch den unbedingten Willen zum Sieg – und wohl auch trotz der Schumacher-Gene nicht das Talent. Er fuhr für Jordan, Williams und Toyota, ehe er 2007 seine Formel-1-Karriere beendete. Ihm fiel es offenbar auch schwer, im Schatten seines Bruders zu stehen.
Ähnlich könnte es Ralfs Sohn David ergehen. Der hat es ebenfalls in den Motorsport geschafft, ist aber bei weitem nicht so erfolgreich wie sein Cousin Mick. Der 19-Jährige fährt in der Formel 3. Wird er irgendwann der vierte Schumacher in der Formel 1? „Da brauchen wir jetzt noch nicht drüber nachdenken“, sagte sein Vater Ralf vor wenigen Monaten. Zuletzt fiel David Schumacher eher mit privaten Bildern auf Instagram auf als durch seine Leistungen. Er zeigte sich mit seiner Freundin Vivien Keszthelyi küssend an einem Strand. Die Ungarin ist selbst Rennfahrerin und gehört der Audi Sport Racing Academy an. Die Schumachers sind einfach eine Motorsportfamilie.
Vor allem ihre Heimat im Rheinland hat sie geprägt. Im Kerpener Ortsteil Sindorf steht zum Beispiel das Michael-Schumacher-Kartcenter. Natürlich in der Michael-Schumacher-Straße. Groß ist die nicht, sie endet als Sackgasse in einem Industriegebiet. Das Kartcenter ist in einem weißen, zweckmäßigen Bau untergebracht. Es wirkt wenig glamourös. Irgendwie passt aber genau das zu Michael Schumacher und seiner Frau Corinna. Andererseits ist ihr Anwesen in Gland am Genfer See alles andere als bescheiden. Das Gelände ist weitläufig, das Haupthaus erinnert an ein Schloss. Schumachers Vater Rolf wohnt mittlerweile mit seiner Lebensgefährtin Barbara in einem Nebengebäude. Michael Schumachers Mutter Elisabeth starb 2003. Genau an jenem Wochenende, an dem ihr Sohn ein Formel-1-Rennen in Imola gewann.
Selten ist es nicht, dass Söhne ihren prominenten Vätern nacheifern. Die Schumachers sind ein gutes Beispiel dafür, eines von vielen im Motorsport. Einigen ist sogar ganz Besonderes gelungen. Etwas, das den Schumachers noch fehlt. Nico Rosberg wurde wie sein Vater Keke Weltmeister, gleiches gelang Graham und Damon Hill. Die Erwartungen an Mick Schumacher sind riesig. Die Motorsport-Welt erhofft sich nichts weniger von ihm, als dass er die Königsklasse wieder attraktiver erscheinen lässt. Das ist einem
Sebastian Vettel trotz vier Weltmeistertiteln und des Wechsels zu Ferrari nie gelungen. Nicht alleine, weil er dort die Erwartungen nicht erfüllte. Vettel ist auch kein Mann der großen Worte. Er verbringt seine Freizeit lieber auf seinem umgebauten Bauernhof in der Schweiz als auf angesagten Partys.
Ein Partygänger war auch Michael Schumacher nicht. Ihn jedoch liebten die Fans wegen seines Fleißes und seiner Akribie. Und dafür, dass sie so schön mit ihm mitzittern konnten. Er schaffte es, aus dem strauchelnden Ferrari-Team wieder ein vorneweg galoppierendes Pferd zu machen. Dafür bewundern ihn seine Anhänger noch heute.
Seine Eigenschaften hat Mick Schumacher geerbt. Er sagt: „Ich glaube, wir haben ein ähnliches Temperament und besitzen die gleiche Zielstrebigkeit.“Er sei stolz, da sein zu können, wo sein Vater seine größten Erfolge gefeiert habe. „Ich habe schon als Kind keinen anderen
Wunsch gehabt. Mein Vater war immer mein größtes Idol. Es ist toll, in seine Fußstapfen treten zu können. Dass es jetzt so weit ist, ist verrückt.“Ansonsten sagt er wenig über sein Privatleben. Die Familie ist ein Tabuthema. So hat es schon Michael Schumacher gehalten. Vor allem über den Gesundheitszustand seines Vaters redet Mick nicht. Als seine Motorsportkarriere richtig Fahrt aufnahm, sollte er weitgehend aus der Öffentlichkeit herausgehalten werden. Zuständig dafür war und ist die ehemalige Journalistin Sabine Kehm, die bereits Michael Schumacher in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit beriet.
Sie ist eine wichtige Ansprechpartnerin für Mick Schumacher. Noch deutlich wichtiger aber ist seine Mutter Corinna. Wirklich überrascht war sie über den Aufstieg ihres Sohnes nicht. „Ich war sicher, dass du es schaffst“, sagte sie zu ihm nach dem Aufsteig ins Haas-Team. Ein enges Verhältnis hat Mick Schumacher auch zu seiner Schwester Gina-Maria. Die 23-Jährige begeistert sich wie ihre Mutter für das Western-Reining, der Dressur beim Westernreiten.
2005 hatte Michael Schumacher seiner Frau zum zehnjährigen Hochzeitstag einen Reiterhof in der Schweiz geschenkt. Mittlerweile ist der einer der modernsten des Landes. Corinna Schumacher züchtet hier Pferde, richtet aber auch internationale Wettbewerbe aus. In den USA besitzen die Schumachers seit 2012 eine Ranch, auf der ebenfalls Pferde gezüchtet werden.
Sechs Jahre hat sich Mick Schumacher in der Formel-Rennserie angeboten für den ganz großen Karrieresprung. Auch dank seines Vaters Michael ist er eng mit Ferrari verbunden, ist Mitglied der Nachwuchsschmiede. Mercedes hatte genauso Interesse an ihm. In einem Silberpfeil hatte sein Vater seine Karriere beendet. Letztlich aber ist die Bindung zu den Italienern stärker. Ein Geschenk ist die Beförderung in die Formel 1 dennoch nicht.
Mick Schumachers neues Team Haas bezieht zwar Motoren von Ferrari, wodurch die Scuderia Mitsprachemöglichkeiten bei der Cockpitbesetzung hat. Haas-Teamchef Günther Steiner sagt allerdings deutlich: „Ich bin der festen Überzeugung, dass er sich den Aufstieg aufgrund seiner Leistungen verdient hat. Zusammen haben wir einiges vor uns.“Haas gehörte in der gerade abgelaufenen Saison zu den schlechtesten Teams der Formel 1. Mit nur drei Punkten wurden die US-Amerikaner Vorletzte in der Konstrukteurswertung. Klar ist: Um Siege wird Mick Schumacher in seinem Premierenjahr nicht fahren können.
„Natürlich geht man als Rennfahrer immer rein und will alles gewinnen. Aber das ist nicht gerade das, was wir als Ziel für nächstes Jahr nehmen“, sagt der 21-Jährige. Punkte zu sammeln, käme für das US-amerikanische Team schon fast einem Sieg gleich. Es wird nicht einfach für Schumacher, sich daran zu gewöhnen. Immerhin ist er zuletzt Titelträger in der Formel 2 geworden, er weiß also durchaus, wie sich Siege anfühlen. Sein Vater Michael weiß das noch besser. Beide eint der gleiche Ehrgeiz, den es in einer Branche wie der Formel 1 unbedingt braucht.
Im Kartsport war Mick Schumacher noch unter dem Mädchennamen
Er führt eine Familientradition fort
Im Kart startete er unter dem Mädchennamen der Mutter
seiner Mutter angetreten. Dort stand er als Mick Betsch in den Start- und Ergebnislisten, auch das hat ihm wohl in seiner Entwicklung geholfen. Es sollte nicht gleich eine Riesenaufregung um den Sohn des siebenmaligen Weltmeisters herrschen. Druck lastete gleichwohl recht früh auf ihm. Er kommt damit offenbar gut zurecht.
Auch die finanziellen Möglichkeiten seiner Familie haben ihm den Weg geebnet. Rund sechs Millionen Euro waren bisher nötig, um Mick Schumacher die Schritte aus dem Kart über verschiedene FormelNachwuchsklassen bis in die Formel 1 zu ermöglichen. Geld, das vielen anderen Talenten fehlt. Doch trotz des großen Namens und seiner Möglichkeiten: In der Formel 1 wird es für Mick Schumacher keine Sonderbehandlung geben.
Bislang hat sich in seiner Karriere immer gezeigt, dass seine zweite Saison in einer Klasse die stärkere war. Er brauchte immer eine Eingewöhnungszeit. Fragt sich nur, ob ihm diese Zeit in der Formel 1 gewährt wird, ob das Murren nach schlechten Ergebnissen nicht schnell recht laut wird. Die Sehnsucht nach einem neuen Motorsporthelden ist groß. Erst recht, wenn er den Namen Schumacher trägt.