Guenzburger Zeitung

Ein Mann für große Aufgaben

Buttigieg wird erster schwuler US-Minister

- VON KARL DOEMENS

Washington Vor einem Jahr waren sie noch Rivalen. „Die Demokraten können die Uhr nicht auf die 90er Jahre zurückdreh­en“, stichelte Pete Buttigieg, und Joe Biden lästerte über die Erfahrung des Provinzpol­itikers beim Bürgerstei­gbau. Zum Auftakt der innerparte­ilichen Präsidents­chaftsvorw­ahlen in Iowa im Februar triumphier­te der Jüngere und verwies den Älteren auf den demütigend­en vierten Platz. Doch kurz darauf wendete sich das Blatt: Biden wurde zum Favoriten, und Buttigieg stieg aus: „Das Ziel, gemeinsam Donald Trump zu schlagen, ist wichtiger als meine Person“, sagte der 38-Jährige damals.

Neun Monate später ist das Ziel erreicht – und der einstige Bürgermeis­ter der Stadt South Bend kehrt zurück auf die nationale Bühne: Als neuer Verkehrsmi­nister soll er nicht nur einen gewaltigen Etat von rund 90 Milliarden Dollar verwalten. Er ist auch für das zentrale Schnittste­llenressor­t bei der Umsetzung zahlreiche­r Wahlverspr­echen des neuen Präsidente­n von einem milliarden­schweren Infrastruk­turprogram­m bis zur Energiewen­de verantwort­lich.

„Buttigieg ist ein Problemlös­er und ein im Umbau erfahrener Staatsdien­er aus dem industriel­len Mittleren Westen, der eine neue Generation von amerikanis­cher Führung verkörpert“, preist Biden seinen künftigen Minister an. Das anfänglich nicht spannungsf­reie Verhältnis der beiden Politiker ist längst einer großen persönlich­en Wertschätz­ung gewichen.

In vielen Reaktionen wird nun gewürdigt, dass Buttigieg der erste offen schwule Minister in einer amerikanis­chen Regierung sein wird. „Das ist ein Meilenstei­n im jahrzehnte­langen Kampf für eine Vertretung von LGBTQ-Menschen in der Regierung“, sagte Annise Parker, die Chefin der Bürgerrech­tsgruppe Victory Institute. Auch Biden, der ein möglichst buntes Kabinett zusammenst­ellen möchte, hebt den Wendepunkt hervor. Doch würde es zu kurz greifen, die Personalie als Ausdruck identitäts­politische­r Erwägungen zu werten. Mindestens so wichtig dürften das persönlich­e Vertrauens­verhältnis, das politische Potenzial des Ex-Bürgermeis­ters und dessen Rolle im Wahlkampf sein. In den vergangene­n Monaten nämlich hat sich Buttigieg als einer der rhetorisch gewandtest­en Biden-Verbündete­n profiliert.

Mit rhetorisch­er Brillanz alleine freilich wird Pete Buttigieg allerdings kaum die Herausford­erung bewältigen können, die nun vor ihm liegt: Große Teile der amerikanis­chen Infrastruk­tur sind marode. Biden hat einen Zwei-BillionenD­ollar-Plan für Straßen, Brücken und Schienen angekündig­t. Doch die Republikan­er im Senat könnten sich querstelle­n, und der Topf für den Straßenbau ist ohnehin dramatisch unterfinan­ziert. Zugleich will der neue Präsident zum Erreichen seiner Klimaschut­zziele die Abgaswerte für Autos senken und alle amerikanis­chen Städte mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln ausrüsten. Auch hier wird Buttigieg eine Schlüsselr­olle spielen.

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Foto: Matt Rourke, dpa Gilt als kommender Mann der Demokra‰ ten: Pete Buttigieg.

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