Wenn Drohnen töten
Im Frühjahr erhält die Bundeswehr fünf neue Kampfdrohnen. Sie sollen Soldaten im Auslandseinsatz schützen. Nun aber blockiert die SPD deren Bewaffnung
Augsburg/Berlin Sie fliegen, sie filmen und sie können, wenn es sein muss, auch töten: Die neuen Drohnen, die die Bundeswehr für ihre Auslandseinsätze bei einem israelischen Hersteller bestellt hat, haben viele Vorteile. Sie sind billiger als ein Kampfjet, flexibler einsetzbar und bleiben deutlich länger in der Luft. Ob sie auch mit Raketen bestückt werden sollen, ist allerdings umstritten – zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD, aber auch in der Koalitionspartei SPD selbst.
Weil die Bundestagsfraktion der Sozialdemokraten einer Bewaffnung vorerst nicht zustimmen will, hat ihr verteidigungspolitischer Sprecher Fritz Felgentreu jetzt sein Amt zur Verfügung gestellt. Er respektiere den Beschluss, betonte er, aber er wolle auch nicht illoyal gegenüber der Bundeswehr sein. Schon zum Schutz der Soldaten, findet Felgentreu, müssten die neuen Drohnen auch mit einem Waffensystem ausgestattet sein. Parteichef Norbert Walter-Borjans und Fraktionschef Rolf Mützenich dagegen fürchten, dass der Einsatz unbemannter Drohnen nur die Hemmschwelle für das Töten von Menschen senkt, und wollen das Thema in der Koalition noch einmal diskutieren.
In Mali und Afghanistan hat die Bundeswehr bereits unbewaffnete Drohnen vom Typ „Hebron 1“im Einsatz, die ebenfalls in Israel angemietet wurden. Damit aber, klagten Soldaten bei einer Anhörung im Verteidigungsministerium, seien sie in kritischen Situationen zum Zuschauen verurteilt. Sie könnten mithilfe ihrer Aufklärungsdrohnen zwar Angriffe auf Stützpunkte oder Patrouillen der Bundeswehr beobachten, müssen zu deren Verteidigung dann aber erst Kampfflugzeuge anfordern. Weil so wertvolle Zeit verstreiche, argumentiert Verteidigungsministerin Annegret KrampKarrenbauer (CDU), „setzen wir fahrlässig das Leben von Soldatinnen und Soldaten aufs Spiel“.
Die ersten der fünf neuen Drohnen des Nachfolgemodells „Heron TP“erhält die Bundeswehr nach Angaben des Verteidigungsministeriums Mitte März, die letzte im Mai. Gesteuert von einer Bodenstation aus können sie mehr als 30 Stunden am Himmel kreisen und auch bei schlechtem Wetter noch in Echtzeit Bilder von Häusern, Autos oder Menschen zur Erde funken. Damit sie auch mit Raketen ausgerüstet werden können, um Ziele am Boden zu bekämpfen, braucht die Verteidigungsministerin allerdings die Zustimmung des Bundestages.
Eine Entscheidung vor der Wahl im September rückt nach dem vorläufigen Nein der SPD allerdings in weite Ferne. Der Abgeordnete Karl-Heinz Brunner, ebenfalls Mitglied im Verteidigungsausschuss, kann damit leben. Bis die neuen Drohnen mit den entsprechenden Waffensystemen ausgestattet und die Soldaten dafür ausgebildet seien, sagt der SPD-Mann aus Illertissen im Gespräch mit unserer Redaktion, könnten noch Jahre vergehen. „Und wer weiß, ob wir dann überhaupt noch Soldaten in Afghanistan oder Mali stationiert haben.“
Brunner hat mit Felgentreu und seiner Nürnberger Kollegin Gabriele Heinrich im Sommer bereits eine Art Leitfaden für eine Entscheidung formuliert. Danach dürften bewaffnete Drohnen bei Auslandseinsätzen nur eingesetzt werden, wenn der Bundestag dies im jeweiligen Mandat ausdrücklich erlaubt. Außerdem müsste gesichert sein, dass über das Abschießen einer Rakete kein Computer entscheide, möglicherweise mithilfe einer Gesichtserkennung, sondern immer noch ein Mensch. Das gezielte Töten von mutmaßlichen Terroristen mithilfe von Drohnen, wie es die USA oder Israel praktizieren, verbietet sich nach Brunners Ansicht sowieso von selbst – nämlich durch das Völkerrecht.
Nach Recherchen eines Forscherteams der Universität Pennsylvania haben zwischen 2011 und 2019 insgesamt 18 Staaten bewaffnete Drohnen angeschafft, vorher waren es nur drei: die USA, Großbritannien und Israel. Heute dagegen geht das türkische Militär mit Kampfdrohnen gegen die Kurden vor, Nigeria gegen die islamistische Terrorgruppe Boko Haram und Saudi-Arabien gegen die Rebellen im Jemen. „Der Geist ist aus der Flasche entwichen“, sagt einer der Autoren der Studie, der Politologe Michael C. Horowitz. „Drohnen werden zunehmend zum festen Bestandteil der Kriegsführung.“