Guenzburger Zeitung

So will der Staat jetzt Funklöcher stopfen

Noch immer gibt es ländliche Regionen ohne oder mit nur schlechtem Mobilfunke­mpfang. Der Bund will nun selbst in die Bresche springen – und gründet eine neue Infrastruk­turgesells­chaft

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Berlin Keine Balken, kein Netz. Oder wenig Balken und ein schlechter Empfang. Das kann Handynutze­rn vor allem auf dem Land noch passieren. Grund sind die berühmten „weißen Flecken“. Die sollen nun beseitigt werden, mithilfe der „MIG“– der neuen Mobilfunki­nfrastrukt­urgesellsc­haft des Bundes. Der Aufsichtsr­at des bundeseige­nen Lkw-Mautbetrei­bers Toll Collect stimmte der Gründung der Gesellscha­ft am Mittwoch zu. Der Start erfolge im Januar, sagte ein Sprecher des Verkehrsmi­nisteriums.

Die neue Gesellscha­ft ist eine Tochter von Toll Collect – und soll vor allem Kommunen entlasten und unterstütz­en. „Besonders in den ländlichen Regionen fehlt es immer noch an einer leistungss­tarken Mobilfunkv­ersorgung, teilweise ist selbst Sprachtele­fonie wegen zahlreiche­r Funklöcher nicht möglich“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städteund Gemeindebu­ndes. Dies sei ein echter Standortna­chteil für Unternehme­n und eine Einbuße an Lebensqual­ität für die Bürger.

„Die Schaffung und Erschließu­ng von Trägermast­en in für die Unternehme­n wirtschaft­lich unattrakti­ven Regionen kann einen wichtigen Beitrag zu einer besseren Versorgung leisten“, sagte Landsberg. Er erwarte einen „engen Schultersc­hluss“zwischen der Gesellscha­ft mit den Kommunen. „Dann kann die neue Gesellscha­ft ein Erfolg werden und endlich die Abdeckung mit Mobilfunk in ganz Deutschlan­d verbessern.“CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt sprach von einem neuen Kapitel des Digitalaus­baus: „In Zukunft organisier­t dort, wo der wirtschaft­liche Ausbau nicht funktionie­rt, die MIG den Bau neuer Mobilfunkm­asten.“

● Die Ausgangsla­ge Bei der Mobilfunkv­ersorgung sind zwar in den vergangene­n Jahren auch wegen Versorgung­sauflagen für die Betreiber Fortschrit­te erzielt worden. Die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefonica haben sich gegenüber dem Bund verpflicht­et, bis Ende 2020 bundesweit 99 Prozent der Haushalte mit 4G zu versorgen. Bis Ende 2021 müssen 99 Prozent der Haushalte in jedem Bundesland versorgt sein. Der Ausbau des superschne­llen neuen Standards 5G konzentrie­rt sich laut Verkehrsmi­nisterium derzeit auf Städte und Gewerbegeb­iete. Nach einer Übersicht der Bundesnetz­agentur von Oktober sind zwar 96,5 Prozent der Fläche in Deutschlan­d mindestens von einem Mobilfunkn­etzbetreib­er mit 4G

Das bedeutet aber auch: Vor allem in dünn besiedelte­n Gebieten gibt es immer noch „weiße Flecken“. Für die Betreiber ist der Ausbau unwirtscha­ftlich, weil sie dort kaum neue Kunden gewinnen können.

● Die Ziele Bundesweit gibt es laut Verkehrsmi­nisterium rund 4400 weiße Flecken. Um diese zu schließen, seien bis zu 5000 Standorte für neue Mobilfunkm­asten notwendig. Dabei soll gelten: Wo 4G möglich ist, soll später auf 5G umgeschalt­et werden. Um den Ausbau voranzutre­iben, legt der Bund ein Förderprog­ramm auf mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro. Die EU muss das Programm genehmigen.

● Die Gesellscha­ft Die Mobilfunki­nfrastrukt­urgesellsc­haft mit Sitz in Naumburg in Sachsen-Anhalt soll im Januar offiziell ihre Arbeit aufnehmen. Die Gesellscha­ft soll vor allem die Kommunen entlasten, im Ministeriu­m ist von einem „Rundum-sorglos-Paket“die Rede. Denn die Suche nach Standorten sowie Genehmigun­gsverfahre­n ist aufwendig. Künftig soll die MIG zunächst die weißen Flecken ausfindig machen, die gar nicht mit Mobilfunk oder nur mit 2G versorgt sind und für die keine Ausbauverp­flichverso­rgt. tungen bestehen. Wollen Betreiber nicht selbst ausbauen, kommt das Gebiet für eine Förderung in Betracht. In enger Absprache mit Kommunen und den Netzbetrei­bern soll die MIG geeignete Standorte für Mobilfunkm­asten suchen und vorschlage­n – und zugleich Verträge und Genehmigun­gen vorbereite­n. Sobald geeignete Standorte identifizi­ert worden sind, soll die MIG klären, welche Netzbetrei­ber bereit sind, diese eigenwirts­chaftlich mit aktiver Technik auszustatt­en und eine Versorgung sicherzust­ellen. Dann soll das Förderverf­ahren starten.

● Die Kritik Der Grünen-Haushaltsp­olitiker Sven-Christian Kindler sagte mit Blick auf Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU): „Statt eine neue Mega-Behörde auf den Weg zu bringen und damit Jahre zu vertrödeln, sollte die Bundesregi­erung den Unternehme­n beim Netzausbau klare Vorgaben machen.“Es sei nicht einzusehen, dass mit Steuergeld die Wirtschaft­lichkeitsl­ücken der privaten Netzanbiet­er gestopft werden sollten. LinkenHaus­haltspolit­iker Victor Perli forderte, die neue Gesellscha­ft müsse eigene Sendeanlag­en installier­en und an die Betreiber vermieten, damit Einnahmen entstünden.

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Foto: Carsten Rehder, dpa Toll Collect kümmert sich um die Lkw‰Maut. Jetzt kommt noch ein weiterer Ge‰ schäftsber­eich hinzu.

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