Sattelfest und sprunggewaltig
Der gebürtige Jettinger Philipp Weishaupt gewinnt zum zweiten Mal den deutschen Meistertitel im Springreiten und blickt in Richtung Olympische Spiele. Dabei hat das Jahr ihm und seiner Familie viel abverlangt
Riesenbeck, Jettingen Zeit zum Durchschnaufen oder gar die Familie in Jettingen (Landkreis Günzburg) zu besuchen, nahm sich Springreiter Philipp Weishaupt nach dem Gewinn seines zweiten deutschen Meistertitels nicht. Auch die Feierlichkeiten habe er coronawie altersbedingt kleiner gehalten als bei der Premiere vor elf Jahren, gestand der 35-Jährige schmunzelnd. „Das letzte Mal haben wir drei Tage gefeiert – mit Party und Whisky. Da hat sich ein bisschen was geändert“, erinnert sich Weishaupt und lacht. Diesmal saß er zwei Tage nach seinem Titelgewinn im Flugzeug auf dem Weg zum zweiwöchigen Reitturnier in Saudi-Arabien, wo ihm mit dem Sieg im Großen Preis von Riad gleich der nächste Erfolg gelang.
„Dort findet das einzige FünfSterne-Turnier im Zeitraum von Oktober bis Februar statt. Anstelle von normalerweise 100 Turnieren dieser Kategorie im ganzen Jahr“, verdeutlicht Philipp Weishaupt die Wichtigkeit dieser Veranstaltung. Deshalb macht es ihm und den anderen deutschen Kaderreitern auch nichts aus, dass gerade die Weihnachtszeit näher rückt. „Wir nehmen den Stress gerne auf uns, denn normal sind wir 40 Wochen im Jahr auf Reitturnieren unterwegs. Jetzt sind wir fast sechs Monate zu Hause gesessen. Von daher sind wir froh, dass zumindest ein bisschen was los ist“, sagt der Berufsreiter, der seit über 16 Jahren im westfälischen Riesenbeck lebt und für den Stall des mehrfachen Olympiasiegers Ludger Beerbaum arbeitet. Weil dort Springpferde für den internationalen Spitzensport ausgebildet und gehandelt werden, sind die Turniereinsätze und -erfolge für den Wiederverkaufswert der Tiere extrem wichtig.
Dass die Beerbaum-Anlage zusätzlich Schauplatz der Deutschen Meisterschaft der Springreiter war, kam Weishaupt bei seiner erfolgreichen Titeljagd entgegen. „Natürlich wollten wir zu Hause etwas gewinnen und haben uns konzentriert vorbereitet. Aber das hatten die anderen auch, es war ja für uns alle der Saisonhöhepunkt.“Für die international erfahrenen Grand-Prix-Pferde wie seine siegreiche Stute Asathir sei es aber wenig ausschlaggebend, wo geritten werde. „Ich glaube sogar, dass ich in jeder anderen Halle auch deutscher Meister geworden wäre. Das Pferd war so gut drauf, dass es einfach so sein sollte“, so Weishaupt.
Außerordentlich überzeugend präsentierte sich die 13-jährige Stute, die durch die verlängerte Corona-Turnierpause eine fast ein Jahr andauernde Verletzung perfekt auskurieren konnte. Vor vier Jahren war das Pferd über seinen saudi-arabischen Besitzer und Reiter Kemal Bahamdan in den Beerbaum-Stall gekommen. Doch Weishaupt harmonierte mit der feinen wie ehrgeizigen Stute viel besser als Bahamdan, sodass Ludger Beerbaum und die Pferdesport-Mäzenin Madeleine Winter-Schulze das Pferd vor eineinhalb Jahren für den Schwaben sicherten. Ein Glücksfall für Weishaupt, der sich mit dem Leistungsvermögen von Asathir berechtigte Hoffnungen auf einen Start bei den verlegten Olympischen Spielen 2021 machen darf. „Ich denke, für das Pferd war das alles von Vorteil. Die Verletzung ist nun komplett auskuriert. Wenn sie gesund bleibt, können wir in der Qualifikation bestimmt ein Wörtchen mitreden.“
Trotzdem bleibt der Reiter vorsichtig. Zu oft hat er in seiner Karriere schon erlebt, dass sich der Start bei einem wichtigen Championat zerschlagen hat, weil der vierbeinige Partner nicht fit war. „Es hilft mir nichts, wenn ich jetzt im Championatskader bin und im Mai, Juni meine Leistung nicht abrufen kann.“
Trotz zahlreicher internationaler Erfolge, darunter die herausragenden Siege 2016 im Großen Preis von Aachen und 2017 im Großen Preis von Spruce Meadows, Calgary, auf dem imposanten Schimmelhengst L.B. Conwall – eine Olympiateilnahme fehlt Weishaupt noch in seiner Vita. Das will er aber nicht überbewerten, der Berufsreiter konzentriert sich auf seine Arbeit im Stall Beerbaum. „Ich bin hier sehr sehr glücklich. Es läuft gut bei uns sowohl privat wie auch sportlich und geschäftlich“, sagt Weishaupt, der seit Oktober 2019 mit der Dressurreiterin Domenika Issing verheiratet ist.
Die Weihnachtsfeiertage will das Paar auf den Malediven verbringen.
Für Weishaupt die beste Möglichkeit, Abstand und Auszeit zu kombinieren. „Ich komme erst am 21. Dezember aus Saudi-Arabien zurück, da möchte ich niemanden gefährden, besonders nicht meinen Opa“, begründet er den Fakt, dass er die Feiertage nicht in Jettingen verbringen will. „Da ich mich ständig auf den Flughäfen rumtreibe, halte ich mich in diesem Jahr besser fern von meiner Familie. “
Dort hat sich die Aufregung über den verheerenden Großbrand im Sportstall von Vater Josef und Bruder Maximilian mittlerweile etwas gelegt. Im August hatte sich frisch geerntetes Stroh selbst entzündet und die Stallgebäude auf dem familieneigenen Anwesen komplett niedergebrannt. Ein Schock – auch für den weit entfernten Philipp in Riesenbeck. „Das Problem war, dass mir erst ein Video geschickt wurde, wie unser Stall in Flammen steht, und ich niemanden ans Telefon bekommen habe. Erst danach hat mich die Nachricht erreicht, dass niemandem – weder den Menschen noch den Pferden – etwas passiert ist. Das war schon minutenlang ein Schock“, berichtet Weishaupt. Seine Familie habe großes Glück gehabt, dass der Brand über die Mittagszeit ausgebrochen war, sodass viele Helfer, Pfleger und Reiter schnell zur Stelle waren und alle Tiere retten konnten. „Wenn das nachts passiert, bekommst du kein einziges Pferd mehr raus“, sagt Weishaupt, „wenn ein Lager mit Stroh für ein Jahr für hundert Pferde brennt, dann geht es schnell“. Doch dank großer Hilfe von verschiedensten Seiten konnten die Stallungen mittlerweile wieder aufgebaut werden.
Für das neue Jahr hofft Philipp Weishaupt darauf, dass die internationale Turnierszene zumindest ab dem Frühjahr halbwegs wieder in Schwung kommt. Dass einige Zuschauer zugelassen werden und Sponsoren sich präsentieren können. Denn Corona hat auch im Pferdesport für massive Einbrüche gesorgt. „Wir leben vom Preisgeld und vom Pferdeverkauf. Doch die Mexikaner, Araber und Amerikaner kamen in diesem Jahr nicht. Und die Pferde verlieren jedes Jahr an Wert“, schildert er die Situation. Kurzarbeit beim Personal sei nicht möglich. Pferde müssten schließlich immer versorgt und bewegt werden. Weishaupt will nicht schwarz sehen, trotzdem „sollte es bald weitergehen. Sonst wird es für alle knapp“.