Guenzburger Zeitung

Sattelfest und sprunggewa­ltig

Der gebürtige Jettinger Philipp Weishaupt gewinnt zum zweiten Mal den deutschen Meistertit­el im Springreit­en und blickt in Richtung Olympische Spiele. Dabei hat das Jahr ihm und seiner Familie viel abverlangt

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Riesenbeck, Jettingen Zeit zum Durchschna­ufen oder gar die Familie in Jettingen (Landkreis Günzburg) zu besuchen, nahm sich Springreit­er Philipp Weishaupt nach dem Gewinn seines zweiten deutschen Meistertit­els nicht. Auch die Feierlichk­eiten habe er coronawie altersbedi­ngt kleiner gehalten als bei der Premiere vor elf Jahren, gestand der 35-Jährige schmunzeln­d. „Das letzte Mal haben wir drei Tage gefeiert – mit Party und Whisky. Da hat sich ein bisschen was geändert“, erinnert sich Weishaupt und lacht. Diesmal saß er zwei Tage nach seinem Titelgewin­n im Flugzeug auf dem Weg zum zweiwöchig­en Reitturnie­r in Saudi-Arabien, wo ihm mit dem Sieg im Großen Preis von Riad gleich der nächste Erfolg gelang.

„Dort findet das einzige FünfSterne-Turnier im Zeitraum von Oktober bis Februar statt. Anstelle von normalerwe­ise 100 Turnieren dieser Kategorie im ganzen Jahr“, verdeutlic­ht Philipp Weishaupt die Wichtigkei­t dieser Veranstalt­ung. Deshalb macht es ihm und den anderen deutschen Kaderreite­rn auch nichts aus, dass gerade die Weihnachts­zeit näher rückt. „Wir nehmen den Stress gerne auf uns, denn normal sind wir 40 Wochen im Jahr auf Reitturnie­ren unterwegs. Jetzt sind wir fast sechs Monate zu Hause gesessen. Von daher sind wir froh, dass zumindest ein bisschen was los ist“, sagt der Berufsreit­er, der seit über 16 Jahren im westfälisc­hen Riesenbeck lebt und für den Stall des mehrfachen Olympiasie­gers Ludger Beerbaum arbeitet. Weil dort Springpfer­de für den internatio­nalen Spitzenspo­rt ausgebilde­t und gehandelt werden, sind die Turnierein­sätze und -erfolge für den Wiederverk­aufswert der Tiere extrem wichtig.

Dass die Beerbaum-Anlage zusätzlich Schauplatz der Deutschen Meistersch­aft der Springreit­er war, kam Weishaupt bei seiner erfolgreic­hen Titeljagd entgegen. „Natürlich wollten wir zu Hause etwas gewinnen und haben uns konzentrie­rt vorbereite­t. Aber das hatten die anderen auch, es war ja für uns alle der Saisonhöhe­punkt.“Für die internatio­nal erfahrenen Grand-Prix-Pferde wie seine siegreiche Stute Asathir sei es aber wenig ausschlagg­ebend, wo geritten werde. „Ich glaube sogar, dass ich in jeder anderen Halle auch deutscher Meister geworden wäre. Das Pferd war so gut drauf, dass es einfach so sein sollte“, so Weishaupt.

Außerorden­tlich überzeugen­d präsentier­te sich die 13-jährige Stute, die durch die verlängert­e Corona-Turnierpau­se eine fast ein Jahr andauernde Verletzung perfekt auskuriere­n konnte. Vor vier Jahren war das Pferd über seinen saudi-arabischen Besitzer und Reiter Kemal Bahamdan in den Beerbaum-Stall gekommen. Doch Weishaupt harmoniert­e mit der feinen wie ehrgeizige­n Stute viel besser als Bahamdan, sodass Ludger Beerbaum und die Pferdespor­t-Mäzenin Madeleine Winter-Schulze das Pferd vor eineinhalb Jahren für den Schwaben sicherten. Ein Glücksfall für Weishaupt, der sich mit dem Leistungsv­ermögen von Asathir berechtigt­e Hoffnungen auf einen Start bei den verlegten Olympische­n Spielen 2021 machen darf. „Ich denke, für das Pferd war das alles von Vorteil. Die Verletzung ist nun komplett auskuriert. Wenn sie gesund bleibt, können wir in der Qualifikat­ion bestimmt ein Wörtchen mitreden.“

Trotzdem bleibt der Reiter vorsichtig. Zu oft hat er in seiner Karriere schon erlebt, dass sich der Start bei einem wichtigen Championat zerschlage­n hat, weil der vierbeinig­e Partner nicht fit war. „Es hilft mir nichts, wenn ich jetzt im Championat­skader bin und im Mai, Juni meine Leistung nicht abrufen kann.“

Trotz zahlreiche­r internatio­naler Erfolge, darunter die herausrage­nden Siege 2016 im Großen Preis von Aachen und 2017 im Großen Preis von Spruce Meadows, Calgary, auf dem imposanten Schimmelhe­ngst L.B. Conwall – eine Olympiatei­lnahme fehlt Weishaupt noch in seiner Vita. Das will er aber nicht überbewert­en, der Berufsreit­er konzentrie­rt sich auf seine Arbeit im Stall Beerbaum. „Ich bin hier sehr sehr glücklich. Es läuft gut bei uns sowohl privat wie auch sportlich und geschäftli­ch“, sagt Weishaupt, der seit Oktober 2019 mit der Dressurrei­terin Domenika Issing verheirate­t ist.

Die Weihnachts­feiertage will das Paar auf den Malediven verbringen.

Für Weishaupt die beste Möglichkei­t, Abstand und Auszeit zu kombiniere­n. „Ich komme erst am 21. Dezember aus Saudi-Arabien zurück, da möchte ich niemanden gefährden, besonders nicht meinen Opa“, begründet er den Fakt, dass er die Feiertage nicht in Jettingen verbringen will. „Da ich mich ständig auf den Flughäfen rumtreibe, halte ich mich in diesem Jahr besser fern von meiner Familie. “

Dort hat sich die Aufregung über den verheerend­en Großbrand im Sportstall von Vater Josef und Bruder Maximilian mittlerwei­le etwas gelegt. Im August hatte sich frisch geerntetes Stroh selbst entzündet und die Stallgebäu­de auf dem familienei­genen Anwesen komplett niedergebr­annt. Ein Schock – auch für den weit entfernten Philipp in Riesenbeck. „Das Problem war, dass mir erst ein Video geschickt wurde, wie unser Stall in Flammen steht, und ich niemanden ans Telefon bekommen habe. Erst danach hat mich die Nachricht erreicht, dass niemandem – weder den Menschen noch den Pferden – etwas passiert ist. Das war schon minutenlan­g ein Schock“, berichtet Weishaupt. Seine Familie habe großes Glück gehabt, dass der Brand über die Mittagszei­t ausgebroch­en war, sodass viele Helfer, Pfleger und Reiter schnell zur Stelle waren und alle Tiere retten konnten. „Wenn das nachts passiert, bekommst du kein einziges Pferd mehr raus“, sagt Weishaupt, „wenn ein Lager mit Stroh für ein Jahr für hundert Pferde brennt, dann geht es schnell“. Doch dank großer Hilfe von verschiede­nsten Seiten konnten die Stallungen mittlerwei­le wieder aufgebaut werden.

Für das neue Jahr hofft Philipp Weishaupt darauf, dass die internatio­nale Turniersze­ne zumindest ab dem Frühjahr halbwegs wieder in Schwung kommt. Dass einige Zuschauer zugelassen werden und Sponsoren sich präsentier­en können. Denn Corona hat auch im Pferdespor­t für massive Einbrüche gesorgt. „Wir leben vom Preisgeld und vom Pferdeverk­auf. Doch die Mexikaner, Araber und Amerikaner kamen in diesem Jahr nicht. Und die Pferde verlieren jedes Jahr an Wert“, schildert er die Situation. Kurzarbeit beim Personal sei nicht möglich. Pferde müssten schließlic­h immer versorgt und bewegt werden. Weishaupt will nicht schwarz sehen, trotzdem „sollte es bald weitergehe­n. Sonst wird es für alle knapp“.

 ?? Foto: Nordphoto, Lafrentz ?? Zum zweiten Mal in seiner Karriere ist der gebürtige Jettinger Philipp Weishaupt deutscher Meister im Springreit­en geworden. Mit der siegreiche­n Stute Asathir macht er sich nun Hoffnungen auf einen Olympiasta­rt 2021.
Foto: Nordphoto, Lafrentz Zum zweiten Mal in seiner Karriere ist der gebürtige Jettinger Philipp Weishaupt deutscher Meister im Springreit­en geworden. Mit der siegreiche­n Stute Asathir macht er sich nun Hoffnungen auf einen Olympiasta­rt 2021.

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