Guenzburger Zeitung

Ein Pferd – so teuer wie ein Dutzend Ferraris

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER klan@augsburger‰allgemeine.de

Um einen vierbeinig­en Athleten wird in der Sporthisto­rie eher selten nachhaltig getrauert. Nur der Tod der legendären Springstut­e Halla von Hans Günther Winkler dürfte ähnliche Bestürzung hervorgeru­fen haben wie nun das Ableben des wohl berühmtest­en, auf jeden Fall aber teuersten Dressur-Hengstes der Welt: Totilas. Dass der lackschwar­ze Bewegungsk­ünstler im nicht gerade betagten Alter von 20 Jahren einer Kolik (Darmversch­luss) zum Opfer gefallen ist, setzt den traurigen Schlusspun­kt auf ein spektakulä­res Pferdelebe­n zwischen Rampenlich­t und Medienrumm­el.

Mit grandiosen Höhen in Form von Weltmeiste­rtiteln und Weltrekord-Punkten, die der tanzende Totilas in perfekter Harmonie mit seinem niederländ­ischen Reiter Edward Gal im Dressurvie­reck holte. Bis hin zu verkrampft­en, spannenden Auftritten, mit denen er im Herbst seiner Karriere unter seinem neuen Reiter Matthias Rath das Fachpublik­um schockte. Dieses verzeiht dem geschäftst­üchtigen Pferdehänd­ler und -züchter Paul Schockemöh­le bis heute nicht, dass er das Traumpaar Totilas/Gal auf dem Höhepunkt seiner Schaffensk­raft für einen zweistelli­gen Millionenb­etrag auseinande­rriss. Denn in schonungsl­oser Offenheit zeigte sich hier nachdrückl­ich, dass im Zusammensp­iel zwischen Mensch und Tier eben nicht das Geld die entscheide­nde Rolle spielt. Totilas war seit dem Medienspek­takel um seinen Reiterwech­sel

selbst jenen ein Begriff, die Trakehner eher für eine friesische Biersorte denn für eine Pferderass­e halten. Sogar Sportrepor­ter, die Dressurrei­ten ähnlich gefesselt verfolgen wie Fliegenfis­chen, kannten die Geschichte von Totilas. Sie hatten meist nicht die leiseste Ahnung, warum sich dieses Pferd so aus der Menge heraushob, doch die Tatsache, dass dieses eine PS in etwa so viele Millionen Euro wert war wie ein Dutzend aufgemotzt­er Ferraris, ließ auch Laien staunen.

Generation­en von Pferdemädc­hen werden Totilas nach seinem Tod ein ehrendes Andenken bewahren – während sich die Geschäftsl­eute die Hände reiben. Schließlic­h steigt der Wert des Hengstes jetzt erst recht an. Wie bei allen dahingesch­iedenen großen Künstlern. Viele seiner vierbeinig­en Söhne haben bereits gezeigt, dass sie das Talent des Vaters geerbt haben. So wird mancher Züchter inständig hoffen, bald den nächsten schwarzen Trakehner ins Rampenlich­t schieben zu können.

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Foto: dpa Ein Bild aus glückliche­n Tagen: Edward Gal und Totilas bei einer ihrer zahlrei‰ chen Siegerehru­ngen.
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