Guenzburger Zeitung

Jetzt muss die Politik die Schulbildu­ng retten

Leitartike­l In der Corona-Pandemie ist vorerst noch keine Entspannun­g in Sicht. Von Bund und Ländern braucht es eine Kraftanstr­engung für Kinder und Eltern

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger‰allgemeine.de

Das Coronaviru­s spielt nicht nach unseren Regeln, sondern nach ganz eigenen, die die Forscher noch immer nicht zur Gänze enträtselt haben. So hat der Lockdown über Weihnachte­n und Silvester noch nicht annähernd die Wirkung erzielt, die Wissenscha­ft und Politik erwartet haben. Infektions­und Todeszahle­n sind weiter auf hohem Niveau. Die Gesellscha­ft ist müde von der harten, hässlichen und langwierig­en Zeit der Pandemie, die körperlich und seelisch viele Abwehrkräf­te gekostet hat.

Dass mit Beginn des neuen Jahres Besserung eintreten würde, hat sich als trügerisch­e Hoffnung erwiesen. Wie lange es dauert, bis die holprig gestartete Impfaktion wirklich Wirkung zeigt, ist völlig offen. In Sicherheit wiegen darf sich niemand. Bund und Länder werden an diesem Dienstag entscheide­n müssen, wie es weitergeht. Die

Tendenz ist klar: Fast alles spricht für eine Verlängeru­ng der Maßnahmen, die die weitere Ausbreitun­g des Erregers eindämmen sollen, aber eben auch Wirtschaft, Kultur und Soziallebe­n lähmen. Das Leben, wie wir es kennen, wird noch eine Weile pausieren müssen.

Doch schon wenn es um die Dauer der Verlängeru­ng geht, zeichnet sich wieder Streit ab. Soll der Lockdown nun bis Ende Januar dauern, schon früher enden oder noch deutlich länger gehen? Wie immer sind die Länder mit hohen Fallzahlen anderer Meinung als diejenigen, in denen es etwas besser aussieht. Besonders hitzig könnte um die Öffnung von Schulen und Kindergärt­en gezankt werden. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder etwa mahnt zu größter Vorsicht und nennt eine vorschnell­e Rückkehr der Kinder in die Einrichtun­gen verantwort­ungslos. Dagegen gibt es unter den Kultusmini­stern von Bund und Ländern, die sich schon am Montag beraten, starke Stimmen, die auf eine rasche Wiederöffn­ung drängen.

Recht haben beide Seiten. Die noch vor kurzem von Experten vertretene Einschätzu­ng, dass das Infektions­geschehen an Schulen keine wichtige Rolle spielt, hat sich im Winter als wohl zu optimistis­ch erwiesen. Kinder erkranken meist selbst nicht schwer an Corona, doch es sind viele Fälle bekannt, in denen sie Eltern oder Großeltern mit Corona angesteckt haben. Gleichzeit­ig zeigt sich heute mehr denn je, wie wichtig ein geregelter Schulunter­richt für Kinder, Familien und die ganze Gesellscha­ft ist. Die vergangene­n Monate aber haben viele beschämend­e Defizite ans Licht gebracht. Auch nach einem Jahr ist die Bildungsla­ndschaft nicht annähernd pandemiefe­st. Das Virus ist auf ein Bildungssy­stem getroffen, das in vielen Bereichen ohnehin finanziell schlecht ausgestatt­et und reformbedü­rftig ist. So folgte vielerorts schnell der Kollaps. Dabei hat sich auch gezeigt, dass es durchaus Strategien gibt, wie Bildung und Betreuung im Ausnahmezu­stand gelingen können. Durch Präsenzunt­erricht mit sinnvollen, durchgehen­den Schutzmaßn­ahmen, durch digitale Angebote, die freilich eine solide Infrastruk­tur erfordern, oder sinnvolle Kombinatio­nen aus alledem.

Schulpflic­ht bedeutet nicht nur, dass alle Kinder die Schule besuchen müssen. Sondern auch, dass der Staat allen Kindern ermögliche­n muss, die Schule auch in Krisenzeit­en besuchen zu können. Im Moment hängt der Bildungser­folg vielfach davon ab, wie sehr die Eltern ihre Kinder unterstütz­en können. Kurzum: Bei diesem Bund-LänderGipf­el muss es darum gehen, dass Kinder und Jugendlich­e nicht bei der Bildung auf der Strecke bleiben, dass Familien besser unterstütz­t werden. Das ist eine Herkulesau­fgabe, der sich die Politik mit der gleichen Vehemenz und Finanzkraf­t widmen muss wie der Rettung der Wirtschaft. Und zwar am besten einig und ohne Blick auf persönlich­e Beliebthei­tswerte.

Kinder dürfen nicht auf der Strecke bleiben

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