Guenzburger Zeitung

Biden muss mit Aufstand rechnen

Zwölf Republikan­er wollen das bereits zertifizie­rte Wahlergebn­is im Kongress nicht anerkennen. Ein Trump-treuer Abgeordnet­er ruft gar zu gewalttäti­gen Protesten auf

- VON KARL DOEMENS

Washington Das Bekenntnis klang banal. „Ich habe einen Eid zur Verteidigu­ng der Verfassung abgelegt“, erklärte die republikan­ische Senatorin Lisa Murkowski: „Ich werde für die Bestätigun­g der Präsidents­chaftswahl 2020 stimmen.“Was in der Vergangenh­eit schlicht und ergreifend überlesen worden wäre, schaffte es in den Vereinigte­n Staaten von Amerika an diesem Wochenende zum Twitter-Trend: Mehr als 50 000 Mal wurde die Ankündigun­g der Politikeri­n aus Alaska in kurzer Zeit „geliked“.

Die Anerkennun­g eines demokratis­chen Wahlergebn­isses ist für die Republikan­er in den USA nämlich keine Selbstvers­tändlichke­it mehr. Mindestens 140 Abgeordnet­e im Repräsenta­ntenhaus und zwölf Senatoren wollen bei der Zusammenku­nft des Parlaments am Mittwoch, die eigentlich nur zeremoniel­len Charakter hat, Einspruch gegen die Stimmenzut­eilung erheben. Der Versuch, das Ergebnis der Präsidents­chaftswahl in ein Votum für Donald Trump umzudrehen, wird zwar höchstwahr­scheinlich am Ende scheitern. Dieser Versuch aber könnte den Kongress in ein 24-stündiges Chaos stürzen und die Polarisier­ung der USA weiter zuspitzen.

„Ich hätte mir niemals vorstellen können, solche Dinge in der größten Demokratie der Welt zu erleben“, erklärte Mitt Romney, der 2012 als Präsidents­chaftskand­idat der Republikan­er gegen Barack Obama angetreten war. Doch vier Jahre später kam Donald Trump – und der Populist hat die „Grand Old Party“fest im Griff. Nachdem als Erster der frischgewä­hlte Senator Josh Hawley öffentlich­keitswirks­am einen Einspruch gegen die Wahlergebn­isse vom November ankündigte, hat in der Partei ein regelrecht­er Überbietun­gswettbewe­rb dieser zynischen Machtpolit­ik begonnen.

Mehr als 140 der 196 republikan­ischen Abgeordnet­en im Repräsenta­ntenhaus wollen inzwischen die Bestätigun­g des Wahlergebn­isses verweigern. Im Senat kündigte eine Gruppe von weiteren elf Senatoren unter Führung des texanische­n Trump-Loyalisten Ted Cruz Widerspruc­h an. Einen derartigen Aufstand hat es seit dem Bürgerkrie­g nicht gegeben. Gleichzeit­ig ruft

Noch-Präsident Donald Trump zu „wilden“Protesten auf.

Ein loyaler Unterstütz­er des Präsidente­n, der republikan­ische Abgeordnet­e Louie Gohmert, erklärte ernsthaft, wenn die Gerichte nicht funktionie­rten, dann müsse man eben „auf die Straßen gehen und so gewalttäti­g sein wie die Antifa und Black Lives Matter“.

Zuvor hatte Gohmert sogar versucht, den noch amtierende­n Vizepräsid­enten Mike Pence zur Ausrufung von Trump als neuen Präsidente­n

zu nötigen. Doch Gohmert scheiterte vor Gericht. Auch der Aufstand im Kongress dürfte am Ende von der Demokraten-Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus niedergesc­hlagen werden. Doch wollen die republikan­ischen Rebellen offenbar die Ergebnisse mehrerer Bundesstaa­ten anfechten. Da dies jeweils eine zweistündi­ge Debatte und eine Abstimmung nach sich zieht, könnte die bizarre Veranstalt­ung bis in den Donnerstag dauern.

Eigentlich bildet der Kongress nur die Kulisse für die offizielle Meldung der zertifizie­rten Wahlergebn­isse der 50 Bundesstaa­ten. Nirgendwo gab es nach Aussagen der regionalen Behörden und von Trumps Ex-Justizmini­ster Bill Barr signifikan­te Unregelmäß­igkeiten bei der Abstimmung. In kritischen Staaten, wo die Ergebnisse von Donald Trump und Joe Biden nah beieinande­r lagen, wurden die Stimmen teilweise dreimal ausgezählt – mit nur marginal unterschie­dlichen Resultaten. Gouverneur­e beider Parteien haben die Ergebnisse bestätigt. Mehr als 60 Gerichte haben Klagen dagegen abgewiesen.

Trotzdem verbreitet Trump immer abwegigere Falschauss­agen über angebliche Wahlmanipu­lationen. Viele republikan­ische Politiker wollen die fanatisier­te Trump-Basis nicht verärgern. Es ist kein Zufall, dass der Republikan­er Patrick Toomey das Treiben seiner Kollegen am schärfsten kritisiert und ihnen vorwirft, „das Recht der Bürger, ihre Vertreter zu wählen, (zu) untergrabe­n“. Der Senator von Pennsylvan­nia geht in zwei Jahren in den politische­n Ruhestand.

Pence sollte Trump zum neuen Präsidente­n ausrufen

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