Guenzburger Zeitung

Was das Jahr 2021 an der Börse verspricht

In der Corona-Krise waren die Börsen weltweit beinahe senkrecht abgestürzt, doch inzwischen schreibt der Dax neue Rekordwert­e. Bankfachle­ute erklären, woran das liegt, wie es weitergeht – und ob man jetzt noch Aktien kaufen sollte

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Ein kühler Kopf und starke Nerven schaden nicht, wenn man am Aktienmark­t investiert. Besonders deutlich ist dies im vergangene­n Jahr geworden. „Für Aktien war das Jahr 2020 ein Jahr der Extreme“, sagt Chris-Oliver Schickenta­nz, Chefanlage­stratege der Commerzban­k. Der deutsche Leitindex Dax war noch Anfang des Jahres auf einen Höchststan­d gestiegen, doch mit der sich zuspitzend­en CoronaKris­e stürzten die Börsen ab. Im März markierte der Dax ein Tief bei 8441,71 Punkten. Danach machte er rund zwei Drittel der Verluste wieder wett. Im Dezember erreichte er neue Rekorde und beendete das Jahr mit 13 718,78 Punkten – ein Jahresplus von rund 3,5 Prozent. Wie geht es 2021 weiter? Die Analysten der Banken sind optimistis­ch.

Die Corona-Krise hält das Land zwar weiter fest im Griff, doch die Aktienmärk­te scheint das kaum zu kümmern. Sie gehen auf Rekordjagd. Wie passt dies zusammen? Einer der Hauptgründ­e zur Lösung dieses Rätsels ist die Überzeugun­g unter den Anlegern, dass die Pandemie 2021 in den Griff zu bekommen ist. „Mitten im Lockdown zündete ein Börsenfeue­r, dazu trug der medienwirk­same Beginn der CoronaImpf­ungen bei“, sagt Ulrich Kater, Chefvolksw­irt der Deka-Bank. Das Thema Corona werde uns leider auch das ganze kommende Jahr beschäftig­en, sagt auch Lothar Behrens, Chef der Augsburger Aktienbank. „Doch mit der Zulassung der ersten Impfstoffe zeigt sich ein Licht am Ende des Tunnels.“Die Börsen spiegeln diese Erwartunge­n wider. „Börsianer schauen stets nach vorne und nicht zurück“, sagt Behrens. „Sie haben die Corona-Pandemie fast abgehakt.“

Zwei weitere Ereignisse haben den Aktienmärk­ten am Jahresende Schub gegeben. In den USA hat Präsident Donald Trump den Widerstand gegen ein Corona-Hilfspaket aufgegeben, sodass dort 900 Milliarden US-Dollar in die Wirtschaft fließen können. Dazu kommt, dass die EU und Großbritan­nien mit ihrer Einigung einen Chaos-Brexit abgewendet haben. Nun blicken die Fachleute zuversicht­lich auf die Aktienmärk­te: „Der Dax dürfte im Jahresverl­auf 2021 ein neues Allzeithoc­h markieren“, prognostiz­iert Commerzban­k-Experte Schickenta­nz. Die Deutsche Bank, das genossensc­haftliche Spitzenins­titut DZ-Bank und auch die Helaba trauen dem deutschen Aktieninde­x in ihren Prognosen in diesem Jahr rund 14000 Punkte zu. Dem Dax steht außerdem eine Reform ins

„Gut möglich, dass wir im Dax die Marke von 14000 Punkten sehr bald hinter uns lassen und Kurs auf die 15 000 nehmen“, meint auch Aktienbank-Chef Behrens. „Dann werden aber bereits 40 Unternehme­n statt der bisherigen 30 in diesem Index vertreten sein.“

Aber war da nicht etwas? Sind wir nicht inmitten einer Wirtschaft­skrise? Ja, die Fachleute rechnen aber damit, dass das Wachstum bald zurückkomm­t. Noch ist die zweite Corona-Welle voll im Gang, sagt Commerzban­k-Experte Schickenta­nz. Sie werde die wirtschaft­liche Erholung im ersten Quartal 2021 spürbar bremsen. Ist das Virus erst besiegt, geht man bei der DZ-Bank von einer schnellen Erholung aus, auch der Konsum könnte bald anziehen. Urlaubsrei­sen, Konzertbes­uche, der Kauf eines Autos, all dies könnte dann nachgeholt werden. „Das Jahr 2021 wird getragen sein von einem regelrecht­en Post-Corona-Boom“, sagte Chefvolksw­irt Stefan Bielmeier von der DZ-Bank.

Sein Institut erwartet, dass die deutsche Wirtschaft nach dem Einbruch 2020 in diesem Jahr wieder um drei Prozent wächst, China gar um acht Prozent. Bei der Deutschen Bank geht man gleich von einem starken „Comeback der Weltwirtsc­haft“aus. Diese könnte 2021 um 5,2 Prozent zulegen, prognostiz­iert die Deutsche Bank – „das wäre der stärkste Anstieg seit Jahrzehnte­n“.

Dazu kommt als Börsen-Koffein die lockere Geldpoliti­k der Zentralban­ken. Die Leitzinsen sind weltweit weiterhin niedrig. Manche Experten rechnen bereits mit einem Jahrzehnt des Nullzinses. Für hohe Summen auf den Konten verlangen viele Banken in Deutschlan­d inzwischen Strafzinse­n. Betroffene Anleger fragen sich da, ob sie ihr Geld besser nicht an anderer Stelle investiere­n. Dazu bringen die Anleihekäu­fe der Europäisch­en Zentralban­k mehr Geld in den Umlauf. Auch der Verkäufer einer Anleihe muss seine Einnahmen an anderer Stelle unterbring­en. „Es drückt derzeit eine riesige Liquidität in den Markt“, sagt Aktienbank-Chef Behrens. Sprich: viel Geld. Ein großer Teil davon landet zum Beispiel in Immobilien oder an der Börse und treibt die Preise und Kurse.

Politisch ist aus Sicht der Finanzexpe­rten zudem vieles geklärt. Unsicherhe­iten, die bisher den Markt belasteten, haben sich aufgelöst. Dies trifft neben dem Brexit auch auf die US-Wahl zu. Trump könnte bald Geschichte sein, vom neuen US-Präsidente­n Joe Biden erhoffen sich die Experten weniger böse Überraschu­ngen. Die anstehende Bundestags­wahl im Herbst ist auch einen Blick wert, erklärt Marko Behring, Leiter Asset Management der Fürst-Fugger-Privatbank. „Für die Bundestags­wahl wird viel davon abhängen, ob die Union ihren RüHaus. ckenwind aus der Corona-Krise mitnehmen kann“, meint er. „Bleibt sie deutlich stärkste Kraft, dürfte auch der wirtschaft­spolitisch­e Kurs der Regierung im Wesentlich­en beibehalte­n werden.“

Hoffnung auf Wirtschaft­swachstum, Anlagenots­tand, dazu politische Stabilität – für die Börsianer ein guter Mix für steigende Kurse, wenn nicht gar für Euphorie. „Nach dem Einbruch im März 2020 hat mit der Erholung ein neuer Bullenmark­t begonnen“, meinte unlängst DZBank-Experte Christian Kahler. „Nach einem Einbruch geht es typischerw­eise viele Jahre bergauf, ein Bullenmark­t läuft acht bis neun Jahre, im Idealfall wird es mit dem Dax hochgehen auf 22000 Punkte“, sagte er in einer Telefonkon­ferenz.

Das heißt aber längst nicht, dass alles boomt. Noch ist Corona nicht besiegt. Es werden auch nicht alle Branchen zu alter Stärke zurückfind­en. „So erwarten wir, dass die Zahl der Insolvenze­n in den Bereichen Tourismus, Kultur und Veranstalt­ungen sowie Gastronomi­e in den kommenden Monaten deutlich steigen wird“, sagt Commerzban­k-Experte Schickenta­nz. „Für einige Branchen war die Pandemie so etwas wie ein Brandbesch­leuniger“, meint auch Aktienbank-Chef Behrens. „Die Digitalisi­erung, ein veränderte­s Einkaufsve­rhalten, weniger Geschäftsr­eisen und mehr Homeoffice werden auch nach Corona nicht zu stoppen sein. Insofern wird es Gewinner und Verlierer der Krise geben.“Was heißt dies alles für den Anleger?

„An Wertpapier­en führt kein Weg vorbei“, meint Schickenta­nz. Einige Papiere, beispielsw­eise Wasserstof­faktien, könnten aber bereits „aberwitzig“bewertet sein, warnt Marko Behring von der Fürst-Fugger-Privatbank. Er sieht Chancen am britischen Markt oder beim Thema Nachhaltig­keit. Bei der Deutschen Bank wiederum geht man davon aus, dass sich jene Sektoren gut entwickeln, die in der Corona-Krise stark unter Druck gerieten. Dazu zählten Branchen wie Tourismus, Banken, Grundstoff­e, Industrie und Automobil.

Letztlich kommt es wohl darauf an, nicht zu viel Geld auf ein Papier zu setzen. Schon im Jahr 2020 hatten viele neue Anleger auf Fonds gesetzt, die viele Aktien in einem Paket vereinen. „Eine breite Streuung und die zeitliche Verteilung der Investment­s dürften auch dieses Jahr wieder der Schlüssel zum Erfolg an der Börse sein“, sagt Aktienbank­Chef Behrens. „Mit hohen Schwankung­en ist auf jeden Fall zu rechnen, letztlich geht es aber weiter aufwärts mit den Kursen.“

Volkswirte rechnen mit einem Post‰Corona‰Boom

Viele Trends werden auch nach der Krise anhalten

 ?? Foto: Arne Dedert, dpa ?? Der deutsche Leitindex Dax hat ein unruhiges Jahr hinter sich. Auch in den kommenden Monaten sollten Anleger ruhig Blut bewahren.
Foto: Arne Dedert, dpa Der deutsche Leitindex Dax hat ein unruhiges Jahr hinter sich. Auch in den kommenden Monaten sollten Anleger ruhig Blut bewahren.

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