Guenzburger Zeitung

Handel rechnet nicht mit Öffnung

Die Probleme für die Geschäfte werden immer größer. Staatliche Hilfen kommen angeblich nicht an und an ein baldiges Ende der Zwangsschl­ießungen glaubt kaum einer

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Berlin Der Handel rechnet nicht mit einem raschen Ende der coronabedi­ngten Ladenschli­eßungen in Deutschlan­d. „Ich fürchte, dass die Läden am 10. Januar noch nicht wieder öffnen dürfen. Denn das Ziel, die 7-Tage-Inzidenz bundesweit auf unter 50 zu senken, wird bis dahin wohl nicht zu erreichen sein“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes Deutschlan­d (HDE), Stefan Genth. Der Handel fühlt sich in der Krise alleingela­ssen. „Die Lage ist wirklich sehr ernst“, erklärte Genth. „Bundesfina­nzminister Olaf Scholz kündigt zwar immer Milliarden­hilfen an, tatsächlic­h kommen die Hilfen aber nicht zur Auszahlung, weil die Zugangshür­den viel zu hoch sind.“Dadurch habe der Einzelhand­el keinen ausreichen­den Zugang zu Staatshilf­en. In den nächsten Monaten drohe eine Insolvenzw­elle im Einzelhand­el, warnte Genth.

Viele Handelsunt­ernehmen, die von dem zweimalige­n Lockdown betroffen seien, hätten ihr Eigenkapit­al weitgehend aufgezehrt und benötigten jetzt wirtschaft­liche Unterstütz­ung. Andernfall­s drohe das Aus „für bis zu 50000 Geschäfte“. Vorrangige­s Ziel müsse es sein, die Geschäfte wieder zu öffnen, sobald dies aus Sicht der Virologen wieder möglich sei, und sie dann auch geöffnet zu halten. „Wir können uns nicht von einem Lockdown zum nächsten entlanghan­geln. Das werden viele tausende Handelsunt­ernehmen, insbesonde­re Modehäuser, nicht überstehen“, warnte Genth.

Dass geöffnete Ladentüren und Pandemiebe­kämpfung kein Widerspruc­h seien, habe der Einzelhand­el in den vergangene­n Monaten bewiesen. Einkaufen sei kein Hotspot. Die Erkrankung­szahlen bei den Mitarbeite­rn im Handel bewegten sich auf unauffälli­gem Niveau.

Fest steht für den Branchenke­nner, dass das Einkaufen künftig digitaler wird. Viele Kunden, die früher nicht online eingekauft­en, hätten in der Pandemie erlebt, dass es funktionie­re. Für den stationäre­n Handel sei der stürmische Wandel aber nicht so einfach zu bewältigen. „Viele Händler versuchen zur Zeit, im Internet ein zweites Standbein aufzubauen, aber das ist enorm schwierig“, betonte Genth. Die größte Schwierigk­eit für einen Händler sei es, im Internet gefunden zu werden. „In der Innenstadt geht es um Lage, Lage, Lage. Nicht anders ist es im Internet. Man muss gefunden und wahrgenomm­en werden.“Für einen Mittelstän­dler sei es jedoch eine große Herausford­erung, im Wettlauf mit großen Anbietern überhaupt zur Kenntnis genommen zu werden.

Ein anderes großes Problem sei der harte Preiswettb­ewerb, der im Internet alles dominiere. Die Unternehme­n benötigten deshalb staatliche Unterstütz­ung. Vorbild dafür könne Nordrhein-Westfalen mit seinen Digital-Coaches sein – Beratern, die zu Unternehme­n gehen und sie passgenau bei der Digitalisi­erung unterstütz­en. „Das könnten wir uns als bundesweit­es Modell mit

Bis zu 50 000 Händlern droht das Aus

Hoffnung auf eine Änderung des Grundgeset­zes

Unterstütz­ung des schon bestehende­n Kompetenzz­entrums Handel vorstellen“, sagte Genth.

Ein bisschen Rückenwind könnten dem Handel im neuen Jahr Sonntagsöf­fnungen an einigen Wochenende­n geben, hofft Genth. Allerdings seien die rechtliche­n Voraussetz­ungen dafür nach wie vor „absolut unbefriedi­gend“. Tatsächlic­h scheitern regelmäßig Pläne des Handels für verkaufsof­fene Sonntage an juristisch­en Einsprüche­n von Kirchen und Gewerkscha­ften. „Wir brauchen hier eine Befreiung. Für die Klärung sehen wir nur den Weg über eine Verfassung­sbeschwerd­e an das Bundesverf­assungsger­icht“, sagte Genth. Einzige Alternativ­e dazu sei eine Klarstellu­ng des Gesetzgebe­rs, dazu wäre eine Grundgeset­zänderung notwendig.

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Foto: Tom Weller, dpa Im Einzelhand­el glauben die Betroffene­n nicht an ein Ende der staatlich verordnete­n Zwangsschl­ießung nach dem 10. Januar.

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