Der Keil des Anstoßes
Materialänderungen fordern die Springer
Innsbruck Gregor Schlierenzauer ist Rekordweltcupsieger, Simon Ammann doppelter Doppelolympiasieger, Ryoyu Kobayashi hat 2019 den Weltcup dominiert. Was die drei gemeinsam haben: Sie sind noch immer in der Weltspitze – aber nicht mehr die Weltspitze. Das liegt an Verletzungen, Stürzen, aber vor allem an Materialveränderungen. So ist seit dieser Saison die wilde Keilerei in der Skispringerei unterbunden worden: Der Keil, den die Springer zwischen Wade und Skischuh stecken, um in der Flugphase eine bessere Position der Ski zu erreichen, war der Schlüssel zum Erfolg: symmetrisch, asymmetrisch; klein, groß; höher, schneller, weiter.
Die Form der Keile ist im Frühjahr eingeschränkt worden, um die Landung sicherer zu machen und die Zahl schwerer Knieverletzungen zu reduzieren. Die Regeländerung könnte erklären, warum Kobayashi kein Seriensieger mehr ist. „Es wundert mich, dass er so weit hinten ist“, sagt der ehemalige Bundestrainer Werner Schuster über Kobayashi, der als Siebter der Gesamtwertung der Vierschanzentournee zum großen Finale nach Bischofshofen reist.
Der Tourneesieger von 2019 ist nach wie vor ein Könner, hat aber keine ordentliche Höhe, kommt nie richtig ins Gleiten. „Die Keile können eine Rolle spielen, sollten aber, wenn man einen Sommer damit trainiert hat, kompensierbar sein“, meint Schuster. Der Österreicher Michael Hayböck zuckt mit den Schultern und sagt: „Für mich war da fast kein Unterschied zu spüren, weil ich es mit den alten Keilen nicht so ans Limit getrieben habe, vor allem nicht mit der Asymmetrie.“Die Landung sei sicherer, weil die Knie nun bei der Landung nicht mehr nach innen klappen würden.
Der Keil ist wichtig für den Körper. Aber der Keil hat auch eine Kopfkomponente, wie das Beispiel Stefan Kraft zeigt. Der Österreicher ist acht Jahre lang den gleichen Keil gesprungen, der nun zu klein war, wie der Gesamtweltcupsieger des vergangenen Winters erzählt. „Mein Sprung ist sehr stabil, bei Materialänderungen bin ich nicht so anfällig. Das Thema neue Keile war für mich gleich erledigt.“
Wenn alles passt, kann man es gut sein lassen. Dann ist der Kopf der Schlüssel zum Erfolg – und nicht der Keil. Lars Müller-Appenzeller