Guenzburger Zeitung

Reich hilft Arm

Minister fordert Beitrag der Konzerne in der Pandemie

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Während in Deutschlan­d über eine angebliche Mangelvers­orgung mit Corona-Impfstoffe­n gestritten wird, gucken viele arme Länder in die Röhre. Sie haben keine Medikament­e zur Verfügung und manchmal noch nicht einmal welche in Aussicht. Diese dürften bei den Impfungen nicht auf der Strecke bleiben, mahnt Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller. Er fordert eine internatio­nale Kraftanstr­engung, an der sich auch Großkonzer­ne beteiligen sollen. „Es ist nachvollzi­ehbar, dass jedes Land zuerst an seine Bürger denkt“, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion. „Aber wir können es nicht dabei belassen. Die Pandemie muss weltweit bekämpft werden. Sonst kommt das Virus im nächsten Flieger zurück – auch zu uns.“

Die EU habe sich bereits 1,5 Milliarden Impfdosen bei mehreren Anbietern gesichert. Beim Impfen dürfe aber die globale Solidaritä­t nicht auf der Strecke bleiben, fordert Müller: „Jetzt muss die Weltgemein­schaft ihre Anstrengun­gen verstärken, für Entwicklun­gsländer angepasste Impfstoffe zu entwickeln und den Zugang zu sichern.“Auch dort gelte es, zuerst medizinisc­hes Personal und Risikogrup­pen zu impfen. „Wir sollten damit nicht warten, bis die westliche Bevölkerun­g komplett durchgeimp­ft ist.“Mit Unterstütz­ung seien Impfkampag­nen auch in weniger entwickelt­en Ländern umsetzbar: „Zum Glück fangen wir nicht bei null an und können auf jahrelange Erfahrung beim Kampf gegen Polio und andere Krankheite­n aufbauen.“Die internatio­nale Impfallian­z Gavi habe Versorgung­s- und Kühlketten bis in entlegenst­e Dörfer aufgebaut. Diese Strukturen könnten nun genutzt werden.

Deutschlan­d hat laut Müller bereits große Anstrengun­gen unternomme­n, um Entwicklun­gsländern bei der Immunisier­ung ihrer Bevölkerun­g zu helfen. So seien für den Kauf von Impfdosen zusätzlich 100 Millionen Euro über die internatio­nale Covax-Plattform bereitgest­ellt worden. Doch die Impfprogra­mme für Entwicklun­gsländer seien massiv unterfinan­ziert. Um dort 20 Prozent der Bevölkerun­g zu impfen, brauche es eine Milliarde Impfdosen. Dafür fehlen laut UN-Angaben fünf Milliarden Euro. „Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengun­g. Alle Industries­taaten, auch China, sollten sich an der Finanzieru­ng beteiligen.“

Auch Privatunte­rnehmen, die in der Krise besonders profitiere­n, sieht Müller in der Pflicht: „Ich denke an Konzerne wie Amazon, Google, Facebook oder Apple und andere. Sie machen hohe Milliarden­gewinne in der Krise. Deswegen fände ich es angemessen, wenn sie sich an der Bewältigun­g der Krise beteiligen und die Impfplattf­orm Covax mitfinanzi­eren.“

Gleichzeit­ig müsse die Forschung weitergehe­n, damit in Entwicklun­gsländern Impfstoffe auch ohne hohen Kühlaufwan­d verteilt werden können. Bisher könne nur in großen Städten geimpft werden. „Wir müssen auch in Forschung und Entwicklun­g an die Erforderni­sse der Entwicklun­gsländer denken“, sagte der CSU-Minister aus dem Allgäu.

Auch die Diakonie fordert eine Impfstrate­gie für die Entwicklun­gsländer. „Wenn wir nicht Perspektiv­en für die Ärmsten der Armen finden, dann werden wir noch völlig andere Formen von Migration und ganz andere Formen von Auseinande­rsetzung auf dieser Welt erleben“, sagte Präsident Ulrich Lilie.

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Gerd Müller

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