Reich hilft Arm
Minister fordert Beitrag der Konzerne in der Pandemie
Berlin Während in Deutschland über eine angebliche Mangelversorgung mit Corona-Impfstoffen gestritten wird, gucken viele arme Länder in die Röhre. Sie haben keine Medikamente zur Verfügung und manchmal noch nicht einmal welche in Aussicht. Diese dürften bei den Impfungen nicht auf der Strecke bleiben, mahnt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Er fordert eine internationale Kraftanstrengung, an der sich auch Großkonzerne beteiligen sollen. „Es ist nachvollziehbar, dass jedes Land zuerst an seine Bürger denkt“, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion. „Aber wir können es nicht dabei belassen. Die Pandemie muss weltweit bekämpft werden. Sonst kommt das Virus im nächsten Flieger zurück – auch zu uns.“
Die EU habe sich bereits 1,5 Milliarden Impfdosen bei mehreren Anbietern gesichert. Beim Impfen dürfe aber die globale Solidarität nicht auf der Strecke bleiben, fordert Müller: „Jetzt muss die Weltgemeinschaft ihre Anstrengungen verstärken, für Entwicklungsländer angepasste Impfstoffe zu entwickeln und den Zugang zu sichern.“Auch dort gelte es, zuerst medizinisches Personal und Risikogruppen zu impfen. „Wir sollten damit nicht warten, bis die westliche Bevölkerung komplett durchgeimpft ist.“Mit Unterstützung seien Impfkampagnen auch in weniger entwickelten Ländern umsetzbar: „Zum Glück fangen wir nicht bei null an und können auf jahrelange Erfahrung beim Kampf gegen Polio und andere Krankheiten aufbauen.“Die internationale Impfallianz Gavi habe Versorgungs- und Kühlketten bis in entlegenste Dörfer aufgebaut. Diese Strukturen könnten nun genutzt werden.
Deutschland hat laut Müller bereits große Anstrengungen unternommen, um Entwicklungsländern bei der Immunisierung ihrer Bevölkerung zu helfen. So seien für den Kauf von Impfdosen zusätzlich 100 Millionen Euro über die internationale Covax-Plattform bereitgestellt worden. Doch die Impfprogramme für Entwicklungsländer seien massiv unterfinanziert. Um dort 20 Prozent der Bevölkerung zu impfen, brauche es eine Milliarde Impfdosen. Dafür fehlen laut UN-Angaben fünf Milliarden Euro. „Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung. Alle Industriestaaten, auch China, sollten sich an der Finanzierung beteiligen.“
Auch Privatunternehmen, die in der Krise besonders profitieren, sieht Müller in der Pflicht: „Ich denke an Konzerne wie Amazon, Google, Facebook oder Apple und andere. Sie machen hohe Milliardengewinne in der Krise. Deswegen fände ich es angemessen, wenn sie sich an der Bewältigung der Krise beteiligen und die Impfplattform Covax mitfinanzieren.“
Gleichzeitig müsse die Forschung weitergehen, damit in Entwicklungsländern Impfstoffe auch ohne hohen Kühlaufwand verteilt werden können. Bisher könne nur in großen Städten geimpft werden. „Wir müssen auch in Forschung und Entwicklung an die Erfordernisse der Entwicklungsländer denken“, sagte der CSU-Minister aus dem Allgäu.
Auch die Diakonie fordert eine Impfstrategie für die Entwicklungsländer. „Wenn wir nicht Perspektiven für die Ärmsten der Armen finden, dann werden wir noch völlig andere Formen von Migration und ganz andere Formen von Auseinandersetzung auf dieser Welt erleben“, sagte Präsident Ulrich Lilie.