Mehrwertsteuersenkung war ein Draufzahlgeschäft
Das Ifo-Institut schätzt den Konsumeffekt auf 6,3 Milliarden Euro. Gekostet hat die Maßnahme aber weit mehr
München Dass ein Finanzminister Steuern senkt, ist eher selten. Dass er dafür auch noch heftig kritisiert wird, vielleicht einmalig. So erging es Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Jahr, als die Koalition beschlossen hatte, die Mehrwertsteuer von Anfang Juli befristet bis zum Ende des Jahres von 19 auf 16 beziehungsweise von sieben auf fünf Prozent für den ermäßigten Satz zu senken. Seit nicht ganz einer Woche gelten nun wieder die alten Sätze. Doch Kritik an der Maßnahme, die den Konsum in der Krise ankurbeln sollte, gibt es noch immer.
Am Montag hat das Münchner IfoInstitut eine Untersuchung vorgestellt, die erneut den Nutzen der kostspieligen Maßnahme infrage stellt. Clemens Fuest, Florian Neumeier und Andreas Peichl, die Autoren des kurzen Papiers, schätzen den gesamtwirtschaftlichen Konsumeffekt der Steuersenkung auf rund 6,3 Milliarden Euro. Das bedeutet, so viel Geld haben die Verbraucher nur deshalb für größere Anschaffungen ausgegeben, weil die Gelegenheit durch die Steuersenkung günstig war. Gekostet hat die Maßnahme den Staat nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums aber rund 20 Milliarden Euro.
Grundlage der Ifo-Untersuchung ist eine repräsentative Umfrage, die in zwei Wellen Ende Oktober und Mitte November erhoben wurde. Je 30000 Personen nahmen dabei jeweils teil. Im Schnitt gaben die Teilnehmer an, seit Juli circa 152 Euro pro Haushalt nur wegen der Mehrwertsteuersenkung ausgegeben zu haben oder dies noch tun zu wollen. Hochgerechnet auf sämtliche Haushalte der Bundesrepublik kommen die Autoren so auf die 6,3 Milliarden Euro zusätzliche Konsumausgaben. Im Verhältnis zum Jahr 2019 entspricht dies einem relativ überschaubaren Anstieg des Binnenkonsums durch die Mehrwertsteuersenkung von etwa 0,6 Prozent.
Wie die Autoren mehrmals betonen, seien dieses Ergebnis ziemlich deckungsgleich mit einschlägigen Vorhersagen. Mögliche Gründe für den schwachen Anstieg des Konsums nennen sie mehrere. Zum einen werde so eine Steuersenkung nicht immer vollständig an die Konsumenten weitergegeben. Doch selbst wenn, führe eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf 16 Prozent nur zu einer Reduzierung des Bruttopreises um etwa 2,5 Prozent. Ein Auto zum Nettopreis von 25000 Euro würde 750 Euro weniger kosten. Ein Fernseher für 1000 Euro netto 30 Euro weniger. In der Krise sparten die Menschen zudem mehr, da sie mehr Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes haben.
Das letzte Wort in der Diskussion dürfte damit noch nicht gesprochen sein. Denn eine Mehrwertsteuersenkung gilt weiter: Noch bis zum 30. Juni 2021 fällt auf Speisen in der Gastronomie sowie der Hotelgastro nur der ermäßigte Satz von sieben Prozent an, Getränke sind ausgenommen. Bayern hat im Bundesrat jüngst einen Vorstoß unternommen, die Regel auf Getränke auszuweiten und zu entfristen.