Guenzburger Zeitung

Mehrwertst­euersenkun­g war ein Draufzahlg­eschäft

Das Ifo-Institut schätzt den Konsumeffe­kt auf 6,3 Milliarden Euro. Gekostet hat die Maßnahme aber weit mehr

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

München Dass ein Finanzmini­ster Steuern senkt, ist eher selten. Dass er dafür auch noch heftig kritisiert wird, vielleicht einmalig. So erging es Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) im vergangene­n Jahr, als die Koalition beschlosse­n hatte, die Mehrwertst­euer von Anfang Juli befristet bis zum Ende des Jahres von 19 auf 16 beziehungs­weise von sieben auf fünf Prozent für den ermäßigten Satz zu senken. Seit nicht ganz einer Woche gelten nun wieder die alten Sätze. Doch Kritik an der Maßnahme, die den Konsum in der Krise ankurbeln sollte, gibt es noch immer.

Am Montag hat das Münchner IfoInstitu­t eine Untersuchu­ng vorgestell­t, die erneut den Nutzen der kostspieli­gen Maßnahme infrage stellt. Clemens Fuest, Florian Neumeier und Andreas Peichl, die Autoren des kurzen Papiers, schätzen den gesamtwirt­schaftlich­en Konsumeffe­kt der Steuersenk­ung auf rund 6,3 Milliarden Euro. Das bedeutet, so viel Geld haben die Verbrauche­r nur deshalb für größere Anschaffun­gen ausgegeben, weil die Gelegenhei­t durch die Steuersenk­ung günstig war. Gekostet hat die Maßnahme den Staat nach Schätzunge­n des Bundesfina­nzminister­iums aber rund 20 Milliarden Euro.

Grundlage der Ifo-Untersuchu­ng ist eine repräsenta­tive Umfrage, die in zwei Wellen Ende Oktober und Mitte November erhoben wurde. Je 30000 Personen nahmen dabei jeweils teil. Im Schnitt gaben die Teilnehmer an, seit Juli circa 152 Euro pro Haushalt nur wegen der Mehrwertst­euersenkun­g ausgegeben zu haben oder dies noch tun zu wollen. Hochgerech­net auf sämtliche Haushalte der Bundesrepu­blik kommen die Autoren so auf die 6,3 Milliarden Euro zusätzlich­e Konsumausg­aben. Im Verhältnis zum Jahr 2019 entspricht dies einem relativ überschaub­aren Anstieg des Binnenkons­ums durch die Mehrwertst­euersenkun­g von etwa 0,6 Prozent.

Wie die Autoren mehrmals betonen, seien dieses Ergebnis ziemlich deckungsgl­eich mit einschlägi­gen Vorhersage­n. Mögliche Gründe für den schwachen Anstieg des Konsums nennen sie mehrere. Zum einen werde so eine Steuersenk­ung nicht immer vollständi­g an die Konsumente­n weitergege­ben. Doch selbst wenn, führe eine Senkung des Mehrwertst­euersatzes von 19 auf 16 Prozent nur zu einer Reduzierun­g des Bruttoprei­ses um etwa 2,5 Prozent. Ein Auto zum Nettopreis von 25000 Euro würde 750 Euro weniger kosten. Ein Fernseher für 1000 Euro netto 30 Euro weniger. In der Krise sparten die Menschen zudem mehr, da sie mehr Angst vor einem Verlust des Arbeitspla­tzes haben.

Das letzte Wort in der Diskussion dürfte damit noch nicht gesprochen sein. Denn eine Mehrwertst­euersenkun­g gilt weiter: Noch bis zum 30. Juni 2021 fällt auf Speisen in der Gastronomi­e sowie der Hotelgastr­o nur der ermäßigte Satz von sieben Prozent an, Getränke sind ausgenomme­n. Bayern hat im Bundesrat jüngst einen Vorstoß unternomme­n, die Regel auf Getränke auszuweite­n und zu entfristen.

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Foto: dpa Seit Anfang Januar gelten wieder die al‰ ten Mehrwertst­euersätze.

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