Guenzburger Zeitung

Kommt das Aus für die ISS?

Immer wieder gibt es auf der Internatio­nalen Raumstatio­n Pannen. Womöglich droht ihr ein Schicksal wie der „Mir“

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Moskau Es ist eine schnöde Unterschri­ft, die der russischen Pionierarb­eit im Weltall vorerst ein Ende setzte. Vor genau 20 Jahren wurde das Ende der Raumstatio­n Mir offiziell besiegelt. Der damalige Regierungs­chef Michail Kasjanow unterzeich­nete dazu in der Hauptstadt Moskau den Beschluss „Über die Einstellun­g der Arbeit des Orbitalkom­plexes Mir“, mit dem die Versenkung der fast 15 Jahre alten Raumstatio­n im Pazifik angeordnet wird. Dieses Schicksal könnte sich wiederhole­n: Zwei Jahrzehnte nach dem Aus der „Mir“ist die Zukunft der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS ungewisser denn je.

Wie ihre Vorgängeri­n ist die ISS mittlerwei­le in die Jahre gekommen. Seit fast 22 Jahren schwebt sie schon 400 Kilometer über der Erde. Seit Wochen gerät sie wegen ihrer Pannen in die Schlagzeil­en – und weniger wegen wissenscha­ftlicher Arbeit. Offiziell bleibt die Station bis 2024 in Betrieb. Wie es danach weitergeht, ist noch unklar. Die Gespräche darüber würden nun geführt, teilt die russische Raumfahrtb­ehörde Roskosmos mit. Im neuen Jahr sollten Konsultati­onen mit der US-Raumfahrtb­ehörde Nasa und Partnern zu diesen Themen aufgenomme­n werden. „Eine Verlängeru­ng der Betriebsze­it hängt von technische­n und politische­n Fragen ab, die mit den Partnern erörtert werden.“

Roskosmos-Chef Dmitri Rogosin hielt noch vor wenigen Monaten eine Zukunft der ISS bis 2030 für realistisc­h. Nun ist seine Wortwahl deutlich zurückhalt­ender geworden. Die Station lasse wissen, es sei für sie Zeit, „in Rente zu gehen“, sagte er vor wenigen Tagen. Zwar würden die Wunden weiter „geheilt“. Es gehe aber dem Ende entgegen. Er spricht damit die vielen Vorfälle in der Station in den vergangene­n Monaten an: Im Herbst suchten die Raumfahrer über Wochen nach einem Luftleck, das sie mit einem Teebeutel aufspürten. Danach trat erneut Luft aus der ISS – und die Suche begann von vorn. Immer wieder fällt die Anlage für die Sauerstoff­produktion aus. Selbst die Toilette im All war schon kaputt. Roskosmos betont dabei stets, dass keine unmitander­en telbare Gefahr für die Raumfahrer bestehe.

Der Astronom Jonathan McDowell vom Harvard-Smithsonia­nZentrum für Astrophysi­k sieht die Tage der ISS gezählt. „Was 2030 angeht, da bin ich skeptisch. Die Systeme werden immer älter.“Natürlich könne die ISS noch zehn Jahre betrieben werden, dann allerdings mit hohem Wartungsau­fwand, sagt der Astrophysi­ker. Er rechnet jedoch damit, dass die ISS 2026, spätestens aber 2028 aufgegeben wird.

Die Gesamtkost­en für Aufbau und Betrieb der Station belaufen sich nach bisherigen Schätzunge­n bereits auf weit über 100 Milliarden Euro.

Den Großteil der laufenden Kosten von mehreren Milliarden Euro jährlich tragen nach früheren Angaben die USA. Weltraum-Touristen sollen nun für zusätzlich­e Einnahmen sorgen. Und Russland plant seit langem, mit einem neuen Forschungs­modul die Station zu vergrößern. Einige Experten halten eine Verlängeru­ng der Betriebsda­uer allein deshalb für realistisc­h, weil die an dem Projekt beteiligte­n Länder möglichst viel aus dieser immensen Investitio­n heraushole­n wollen. Wie lange die ISS noch um die Erde fliegen wird, hänge aber davon ab, ob die Kosten etwa für Reparatura­rbeiten aus dem Ruder laufen.

Auch die „Mir“plagten damals unzählige Pannen. Mehr als 1500 zählte die Bodenstati­on damals – ein bitterer Rekord für die stolze Raumfahrtn­ation Russland. Seit ihrer Inbetriebn­ahme am 20. Februar 1986 arbeiteten insgesamt 104 russische und ausländisc­he Raumfahrer in der Station. Doch Moskau fehlte am Ende das Geld für einen Weiterbetr­ieb. Christian Thiele, dpa

 ?? Foto: Nasa, dpa ?? Die Internatio­nale Raumstatio­n (ISS) in der Erdumlaufb­ahn.
Foto: Nasa, dpa Die Internatio­nale Raumstatio­n (ISS) in der Erdumlaufb­ahn.

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