Guenzburger Zeitung

WM-Hype: Darts-Scheiben sind ausverkauf­t

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER klan@augsburger‰allgemeine.de

Irgendwann werden die FernsehAbe­nde öde: die deutschen Skispringe­r fliegen eher schlecht als recht von den Schanzen, die Biathleten laufen der Konkurrenz hinterher und die Ski-Alpin-Übertragun­gen sind ohne Felix Neureuther und Maria Höfl-Riesch ohnehin nicht mehr das, was sie mal waren. Coronabedi­ngt über Tage hinweg aufs Sofa verdammt, landet der zappende Sportfreun­d also unweigerli­ch bei der Darts-WM. Und ist fasziniert von den bis zum Hals tätowierte­n schottisch­en und walisische­n Kraftpaket­en, die kleine Pfeilspitz­en so akkurat in eine Scheibe dreschen, als müssten sie sich für die Schutzimpf­ung empfehlen.

Weil opulenter Körperumfa­ng und cooles Erscheinun­gsbild aber nicht zwangsläuf­ig ein unerschütt­erliches Nervenkost­üm garantiere­n, spielen sich im legendären Alexandra Palace von London jedes Jahr die mitreißend­sten Dramen ab. So auch diesmal, selbst wenn pandemiebe­dingt keine johlenden Zuschauerh­orden zugelassen waren. Am Bildschirm ließ es sich dennoch vortreffli­ch mitfiebern.

Vor allem als einer von 2,09 Millionen TV-Zuschauern in der Spitze beim emotionale­n Finale, in dem der neue Weltmeiste­r Gerwyn Price erleben musste, dass die DartsSchei­be über sechs Sätze hinweg dein engster Freund und danach dein heftigster Widersache­r sein kann. Als er kopfschütt­elnd den zwölften (!) Pfeil dann doch noch zu seinem ersten Weltmeiste­rtitel versenkte, wollte man den angegriffe­nen walisische­n Muskelberg einfach nur in den Arm nehmen. Vergessen, dass der ehemalige Rugbyprofi als Bad Boy der Darts-Szene gern pöbelnd und feixend seine Kollegen aus dem Konzept gebrachte hatte. Stattdesse­n Anerkennun­g und Hochachtun­g für einen taffen Titelgewin­ner, der einsam im Konfettire­gen seinen hoch verdienten Pokal in die Höhe reckte. Es gibt sie also doch noch: die großen Sportmomen­te über den Jahreswech­sel.

Doch damit nicht genug! Denn was sogar Laien in den Bann zieht, hat natürlich sofort tiefgreife­nde Folgen in unserer Gesellscha­ft, die sich seit Monaten möglichst zu Hause beschäftig­en soll: Nach Fitnessger­äten und Hanteln sind dank des WM-Hypes nun auch DartsSchei­ben nahezu ausverkauf­t und haben damit Backhefe, Klopapier und E-Bikes aus dem März abgelöst. Mit neuen Lieferunge­n elektronis­cher Scheiben wird man wohl kaum vor dem nächsten Sommer rechnen dürfen. So groß ist die Nachfrage. Was vermuten lässt, dass Darts der neue Trend ist, und – ob als Spiel oder als Sport – über die Feiertage deutlich mehr Freunde gefunden hat als sämtliche Winterspor­tübertragu­ngen zusammen.

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Foto: dpa Raus mit der Freude: Gerwyn Price, Bad Boy der Darts‰Szene, darf sich nun Welt‰ meister nennen.
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