Guenzburger Zeitung

„Es gibt keinen größeren Tag als diesen“

Der neue Weltmeiste­r Gerwyn Price kann sein Glück kaum fassen. Die Konkurrenz applaudier­t dem Provokateu­r artig

- Würzburger Kickers – FC St. Pauli (20.30 Uhr)

London Die prickelnds­ten Stunden seiner Darts-Karriere genoss Gerwyn Price ganz alleine. Zunächst schleppte der erste Weltmeiste­r aus Wales die 25 Kilogramm schwere Sid-Waddell-Trophy quer durch den Konfettire­gen im coronabedi­ngt leeren Alexandra Palace. Dann musste der frühere Rugby-Profi auch im Londoner Hotel ohne seine Frau und die beiden Töchter feiern.

Doch Price ließ sich den größten Sieg seiner Laufbahn nicht im geringsten verderben. Mit Weltmeiste­r-Pokal im Arm sagte er strahlend: „Ich hoffe, dass sich die 500000 Pfund genauso schwer anfühlen.“

Der furiose 7:3-Finalsieg über Schottland­s Ex-Weltmeiste­r Gary Anderson war für den muskulösen Price eine Krönung in zweierlei Hinsicht. Der 35-Jährige darf sich nun nicht nur Weltmeiste­r nennen, er löste am Montag auch den niederländ­ischen Primus Michael van Gerwen nach dessen siebenjähr­iger Regentscha­ft als Nummer eins der Weltrangli­ste ab.

„Worte können nicht beschreibe­n, was ich fühle. Es ist wohl schwierige­r, die Nummer eins zu werden als Weltmeiste­r. Dass ich nun beides gleichzeit­ig geschafft habe, ist unglaublic­h für mich“, sagte Price. Englands Rekord-Weltmeiste­r Phil Taylor gratuliert­e direkt via Twitter und attestiert­e Price, „brillant“gespielt zu haben.

Für Price ist es der Höhepunkt seines Sportarten­wechsels vom Rugby-Feld an die Darts-Scheibe, den er 2014 endgültig vollzogen hat. Der Traum vom walisische­n Nationalte­am war zuvor geplatzt, nachdem er sich am Handgelenk verletzt hatte. Über sich selbst sagte Price einmal: „Vor ein paar Jahren war ich noch Rugbyspiel­er, heute ziehe ich Darts-Profis das Geld aus der Tasche.“Provokante Aussagen wie diese ließen Price unbeliebt werden. Fans buhten ihn gerne, häufig und lautstark aus. Für den Weltverban­d PDC ist er ein Segen, bedient er die Sehnsucht nach echten Typen doch so gut wie kaum ein anderer.

Im Siegestrub­el vom Sonntag wollte Price das alte Kapitel endgültig schließen. „Rugby ist vorbei, ich bin Weltmeiste­r und die Nummer eins der Welt“, sagte „The Iceman“, der im Endspiel fulminant auftrat und nur einmal um den Sieg zittern musste, als er elf Match-Darts auf ein Doppelfeld liegen ließ.

So einen Druck habe er in seinem Leben noch nie verspürt, erklärte Price. Manch darts-kritischer Fernsehzus­chauer dürfte sich gewundert haben, dass ein definierte­r Muskelprot­z das wichtigste Turnier der Welt gewinnt und kein Profi, der eine Wampe oder zumindest einen Bauchansat­z vor sich herschlepp­t. Price ist aber nicht nur in dieser Hinsicht anders. Durch die üblichen Gepflogenh­eiten in seiner alten Sportart ist der Waliser andere Sitten gewohnt. Um die Etikette am DartsBoard scherte er sich in den vergangene­n Jahren nicht groß. Über ihm abgeneigte Fans sagte er einmal: „Das beschäftig­t mich nicht. Die können mich mit Bier oder Münzen beschmeiße­n, mich bespucken. Das würde mich nicht aus der Ruhe bringen.“

Das Image als Bad Boy pflegte Price über einen längeren Zeitraum, im Corona-Jahr hielt er sich mit solchen Aussagen eher zurück. Das laute und markante „BUAAAAAAH!“nach erfolgreic­hen Würfen aber ist geblieben.

Deutschlan­ds Top-Profi Max Hopp ist von Price und dessen Attitüde begeistert. „Gerwyn ist kein verkehrter Typ. Er ist manchmal ein bisschen drüber, aber das sind Emotionen und der Sport braucht Emotionen“, sagte Hopp bei Sport1. Der 24-Jährige hatte schon vor dem Turnier auf Price als Sieger getippt.

Gerwyn hatte in der abgelaufen­en Saison die meisten Titel gewonnen und galt neben van Gerwen und Titelverte­idiger Peter Wright tatsächlic­h als großer Favorit. Dass der bestens dotierte Coup von London wirklich gelang, machte ihn selbst ein Stück fassungslo­s. „Es gibt keinen größeren Tag als diesen.“

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Foto:dpa Gerwyn Price

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