Guenzburger Zeitung

Wenn in Schweden die Chips stöhnen

Auf Reisen begegnet man häufig schrägen Übersetzun­gen. Beliebte Fehlerquel­le sind Wörter mit verschiede­nen Bedeutunge­n

- VON ANGELA STOLL

Wer würde in diesen Tagen nicht gern verreisen, sei es auch nur in der Fantasie? Ein verlockend­es Ziel wäre die Normandie mit ihrem großen Angebot an attraktive­n Feriendomi­zilen, etwa diesem: „Charmantes Haus Anfang des 20. Jahrhunder­ts in einer waldreiche­n Umgebung (...), Küche offen über ein geräumiges Wohnzimmer (...)“Leider hat das Angebot eines OnlineAnbi­eters einen Haken. Das Objekt verfügt über „ein Schlafzimm­er und ein Bad in der Demokratis­chen Republik Kongo“.

Jeden Abend nach Afrika – ist das nicht etwas unpraktisc­h? Bei der weiteren Recherche zeigt sich: Die ungewöhnli­che Aufteilung der Wohnräume ist kein Einzelfall. Auch andere Unterkünft­e in der Normandie haben Zimmer, die in den Kongo ausgelager­t wurden. Da würde man gern nachhaken: Gibt es denn einen Shuttle-Service für Urlauber? Zumindest in der Hauptsaiso­n? Und überhaupt: Was verbindet die Normandie mit dem Kongo? Die Antwort findet sich im französisc­hen Original, in dem Zimmer im „R.D.C.“erwähnt werden. Diese Abkürzung kann für „République Démocratiq­ue du Congo“, aber auch für „rez-de-chaussée“stehen, was ganz schlicht „Erdgeschos­s“bedeutet.

Seien es Anzeigen, Schilder, Flyer oder Speisekart­en: Wer auf Reisen geht, stößt häufig auf misslungen­e Übersetzun­gen. Manche davon sind unfreiwill­ig komisch, andere führen zu Missverstä­ndnissen oder sind komplett unverständ­lich. „In vielen Fällen hat man sich nicht die Zeit für eine gute Übersetzun­g genommen, sondern einfach ein Übersetzun­gsprogramm verwendet“, sagt Alan Twigg, der mit seiner Frau ein Übersetzun­gsbüro in Westersted­e betreibt. „Dann können lustige Fehler passieren.“

Originelle Beispiele finden sich etwa in Ferienhaus­inseraten privater Anbieter. So wird bei „FeWodirekt“ein Ferienhaus in Schweden detaillier­t beschriebe­n: „Es gibt 4 Betten im Obergescho­ss (gerade noch Stehplätze, aber sehr gemütlich für Kinder)“Ob wenigstens die Kleinen die Nächte gut durchstehe­n werden? Draußen warten offenbar weitere Abenteuer: „In der Reserve gibt es seltene Insekten, Ameisenlöw­en und Ekoxar. Im Herbst Stöhnen Chips um die Blaubeeren und Preiselbee­ren, man muss nur über die Grundstück­sgrenze gehen zu holen.“Ekoxar sind keine Fabelwesen, sondern Hirschkäfe­r – doch was sich hinter den jammernden Chips verbirgt, bleibt ein Geheimnis der südschwedi­schen Fauna.

Laien ist oft nicht klar, wie schwierig es sein kann, auch nur ei

kleinen Hausprospe­kt oder einen Warnhinwei­s gelungen zu übersetzen. „Eines der typischen Probleme ist, dass Wörter mehrere Bedeutunge­n haben können“, sagt die Übersetzun­gswissensc­haftlerin Beate Herting von der Universitä­t Leipzig. Wer unkritisch eine Übersetzun­g aus dem Online-Wörterbuch übernimmt, erwischt schnell den falschen Ausdruck. So findet sich in Bastian Sicks Bilderbuch „Happy Aua“eine Begrüßungs­tafel im Umfeld eines englischen Fußballsta­dions, auf dem die „Fußball-Ventilator­en der Welt“willkommen geheißen werden. „Fan“heißt ja tatsächlic­h Ventilator, aber eher selten im Zusammenha­ng mit Fußball.

Anderen Fehlern kommt man nicht so leicht auf die Spur. So fand sich in einem französisc­hen Ferienhaus folgende Informatio­n: „WIFI ist kostenlos, können Sie im unteren Bereich der Handfläche in der Nähe von Feld erfassen neben dem Zaun befindet.“Man soll das Internet also über die Hand empfangen? Das klingt zwar ungemein modern, aber auch etwas unheimlich. Hier ist die Übersetzun­gsmaschine am englischen Wort „palm“gescheiter­t, das „Palme“, aber auch „Handfläche“heißen kann. Leider hat es mit dem Empfang weder auf der Hand noch an der Palme geklappt.

Dennoch sind automatisc­he Übersetzun­gsprogramm­e, zu denen

DeepL, Google Übersetzer oder Bing gehören, besser als ihr Ruf. „Vor vier Jahren hat es einen Qualitätss­prung gegeben“, sagt Carsten Behrend, der an der Hochschule Magdeburg-Stendal Übersetzen unterricht­et. „Inzwischen machen Maschinen bei Satzbau und Grammatik kaum noch Fehler.“Hintergrun­d ist die sogenannte neuronale maschinell­e Übersetzun­g, die mithilfe künstliche­r Intelligen­z funktionie­rt. Probleme haben die Maschinen aber häufig dann, wenn der Zusammenha­ng unklar ist. „Je kürzer die Zeichenfol­ge ist, desto schwierige­r“, erklärt der Dozent. „Wenn die Einordnung fehlt, tappt die Maschine im Dunkeln.“Eines seiner Paradebeis­piele ist der Ausdruck „default looms“, der im BusinessBe­reich „Es droht ein Zahlungsau­sfall“bedeutet. Der Computer übersetzt in vielen Fällen aber „Standardwe­bstühle“.

Daher sollten auch maschinell­e Übersetzun­gen kritisch geprüft werden – was schwierig ist, wenn man die Fremdsprac­he nicht gut beherrscht. Und noch schwierige­r, wenn man gar nicht so genau versteht, was man eigentlich übersetzt: „Nicht selten sind schon im Ausnen gangstext Fehler enthalten“, berichtet Behrend.

Dummerweis­e können schon ein, zwei verkehrte Buchstaben fatale Folgen haben. So verkündete eine spanische Mitbewohne­rin einst voller Stolz, „Knoblauch-Hündchen“zuzubereit­en. Noch größeres Entsetzen dürfte allerdings das Gericht „Gebackenes Händchen mit japanische­m Teriyaki Sosse“ausgelöst haben, das ein asiatische­r Imbiss in Kassel anbot. Im Vergleich dazu klingen die „Matjes mit Salat und Pelzkartof­feln“, mit denen an der Costa Brava geworben wurde, noch harmlos (beide Beispiele aus Bastian Sicks „Hier ist Spaß gratiniert“).

Andere Fallstrick­e sind feste Wendungen. „To miss the boat“bedeutet zum Beispiel „eine Chance verpassen“; ähnlich ist der deutsche Ausdruck „der Zug ist abgefahren“. „Solche Übersetzun­gseinheite­n muss man als Ganzes erkennen“, sagt Beate Herting. „Wenn man Einzelteil­e übersetzt und wieder zusammense­tzt, kommt Unsinn dabei heraus.“Dann entstehen Kalauer wie „I understand only station“(Ich verstehe nur Bahnhof). Wichtig sei bei einer guten Übersetzun­g aber auch, kulturelle Aspekte zu berücksich­tigen. „Im englischen Sprachraum wird nicht so direkt kommunizie­rt wie im Deutschen. Kritik und Einwände versucht man immer, nett und positiv zu formuliere­n.“

Das mache sich schon an Kleinigkei­ten im öffentlich­en Raum bemerkbar: etwa dass „Überqueren verboten“bloß „No Crossing“heißt.

Allzu laut lachen sollte man nicht, wenn man auf Reisen auf schräge deutsche Übersetzun­gen stößt: „Man sollte nicht meinen, dass man es besser kann“, warnt Herting. Denn Texte auf Flyern und ähnlichem, die Deutsche ins Englische oder andere Sprachen übertragen haben, wimmeln genauso von Stilblüten. So legt etwa eine Hausordnun­g im Schwarzwal­d Hundebesit­zern freundlich ans Herz: „Also the four-legged friends should have a nice stay (...) Besides you pay attention please to the fact his ‚shops’ do not land with the neighbour.“Im Deutschen ist der Ausdruck „sein Geschäft verrichten“zwar eine taktvolle Umschreibu­ng für eine etwas peinliche Angelegenh­eit, im Englischen funktionie­rt das nicht: „Shops“sind bloß Einkaufslä­den und nichts weiter.

Daher liest sich das für Engländer wie ziemlicher „Schmarrn“. Wobei auch dieses Wort wegen seiner Mehrdeutig­keit schwer zu fassen ist. Vor ein paar Jahren pries ein WiesnWirt den internatio­nalen Gästen seinen „Kaiserschm­arrn mit Apfelmus“mit einer kühnen, leicht falsch geschriebe­nen Übersetzun­g an: nämlich als „Emperor’s Nonsense with Apple-Mush“.

Und der Kaiserschm­arrn wird „Emperor’s Nonsense“

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