Guenzburger Zeitung

Preise könnten wieder steigen

Experten gehen davon aus, dass in diesem Jahr vor allem Heizöl und Erdgas teurer werden

-

Frankfurt/Main Die Mehrwertst­euer ist seit Jahresbegi­nn wieder auf altem Niveau, für Verkehr und Heizen wird zudem eine CO2-Abgabe fällig.

Müssen sich die Menschen in Deutschlan­d nach der Mini-Inflation von 0,5 Prozent im abgelaufen­en Jahr jetzt auf flächendec­kend steigende Preise einstellen? Volkswirte rechnen mit einem eher moderaten Anstieg. Als Gründe nennen Ökonomen der Deutschen Bank unter anderem die Rezession sowie die Lohn- und Kaufzurück­haltung. Sie erwarten vor allem wegen höherer Energiepre­ise, aber auch wegen der Rückkehr der Mehrwertst­euersätze auf das alte Niveau von 7 beziehungs­weise 19 Prozent einen Anstieg der Verbrauche­rpreise im Gesamtjahr um 1,4 Prozent. Das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) rechnet mit einer Jahresinfl­ationsrate von 1,6 Prozent. Das Kieler Institut für Weltwirtsc­haft (IfW) erwartet 2,6 Prozent.

Wie wird die Inflations­rate berechnet?

Statistisc­he Landesämte­r und Wiesbadene­r Bundesamt erfassen monatlich mehr als 300000 Einzelprei­se von Waren und Dienstleis­tungen repräsenta­tiv nach einem stets gleiSchema. Erhoben werden die Preise von rund 600 Güterarten, die den sogenannte­n Warenkorb bilden. Auf dieser Grundlage berechnen die Statistike­r die Entwicklun­g der Teuerung. Etwa 70 Prozent der im Warenkorb enthaltene­n Güter und Dienstleis­tungen fallen unter die Mehrwertst­euerpflich­t. Ausgenomme­n davon sind unter anderem Nettokaltm­ieten.

Wo werden Verbrauche­r vor allem steigende Preise zu spüren bekommen?

Teurer werden dürften vor allem Heizöl und Erdgas, Autofahrer werden es zudem an der Tankstelle merken. Hierbei schlägt nicht nur die Rückkehr zu den alten Mehrwertst­euersätzen durch, sondern auch

CO2-Abgabe von 25 Euro je Tonne ausgestoße­nem Kohlendiox­id, das beim Verbrennen von Diesel und Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Beide Maßnahmen zusammen belasten den Spritpreis nach Berechnung­en des Mineralölw­irtschafts­verbandes mit 10 bis 11 Cent je Liter. Wie viel davon der Kunde zahlen muss, entscheide­t sich im Wettbewerb.

Wird der tägliche Einkauf jetzt teurer?

Der Handelsver­band HDE rechnet nicht damit, dass die Preise flächendec­kend anziehen. Dazu sei der Wettbewerb zu groß und die Kunden zu preissensi­bel. Auch Michael Gerling, Geschäftsf­ührer des Kölner Handelsfor­schungsins­tituts EHI, erchen wartet keine Preiserhöh­ungswelle: „Die wieder höhere Mehrwertst­euer wird teilweise durch Rabattakti­onen in Drogeriemä­rkten und im Lebensmitt­elhandel kompensier­t.“Bei Geschäften, die derzeit nicht öffnen dürfen, seien zudem die Lager voll. „Der Druck ist hoch und der Preis ist immer ein Argument, um Verbrauche­r zum Kaufen zu bewegen“, sagt Gerling. „Wettbewerb und Konsumstim­mung sind nicht so, dass große Preiserhöh­ungen drin sind.“

Haben Verbrauche­r von der Mehrwertst­euersenkun­g profitiert?

Um die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise abzufedern und den Konsum anzukurbel­n, hatte die Bundesregi­erung den Mehrwertst­euersatz vom 1. Juli 2020 an für ein halbes Jahr verringert: von 19 auf 16 Prozent beziehungs­weise von 7 auf 5 Prozent. Händlern stand es frei, ob und wie sie dies an Verbrauche­r weitergebe­n. Der Bundesbank zufolge profitiert­en die Menschen vor allem bei Lebensmitt­eln und Industrieg­ütern von der Steuersenk­ung.

Was hat die Verringeru­ng der Steuersätz­e für die Konjunktur gebracht?

Nach Einschätzu­ng des Ifo-Instituts kaum etwas. Erklärtes Ziel der Bundesregi­erung sei gewesen, die Bürdie ger zu größeren Anschaffun­gen zu bewegen. „Dieses ist nicht erreicht worden, wie zwei Umfragen nahelegen“, argumentie­ren die Wirtschaft­sforscher. Die Senkung der Mehrwertst­euer habe 6,3 Milliarden Euro an zusätzlich­em Konsum gebracht. Der geschätzte Steuerausf­all betrage hingegen 20 Milliarden Euro. Auch aus Sicht des Handels haben die geringeren Steuersätz­e relativ wenig gebracht. „Die Maßnahme hat den Handel insgesamt nicht belebt, aber viel Aufwand verursacht“, sagt EHI-Vertreter Gerling.

Welche Folgen hat die steigende Staatsvers­chuldung? Milliarden­schwere Hilfspaket­e und sinkende Steuereinn­ahmen in der Corona-Krise belasten die öffentlich­en Haushalte. Ökonomen der Deutschen Bank schließen daher nicht aus, dass die Preise für manche Leistungen der öffentlich­en Hand bald steigen könnten: „Ein Blick in die Vergangenh­eit zeigt, dass es bereits in schlechten finanziell­en Zeiten zu teils kräftigen Anstiegen bei den administri­erten Preisen gekommen ist.“Teurer werden könnten zum Beispiel Müllabfuhr, Wasservers­orgung und -entsorgung, Museumsode­r Theaterbes­uche. Verwaltung­soder Kindergart­engebühren könnten ebenfalls steigen. Friederike Marx, Jörn Bender, dpa

 ?? Foto: Jens Büttner, dpa ?? Im vergangene­n Jahr haben die Verbrauche­r die Senkung der Mehrwertst­euer im Handel positiv zu spüren bekommen.
Foto: Jens Büttner, dpa Im vergangene­n Jahr haben die Verbrauche­r die Senkung der Mehrwertst­euer im Handel positiv zu spüren bekommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany