Guenzburger Zeitung

Irans Hardliner wollen die ganze Macht im Staat

Teheran provoziert den Westen mit einer deutlich erhöhten Uran-Anreicheru­ng und der Kaperung eines südkoreani­schen Tankers. Die aggressive Politik dürfte nicht zuletzt innenpolit­ische Motive haben

- VON THOMAS SEIBERT

Teheran Es war eine klare Kampfansag­e: Gegen den Willen des iranischen Präsidente­n Hassan Ruhani trug das Parlament in Teheran den Behörden der Islamische­n Republik kürzlich per Gesetz auf, die UranAnreic­herung von etwa vier Prozent auf 20 Prozent hochzufahr­en. Ruhani wehrte sich, weil er wusste, dass dies seine Bemühungen um eine Erhaltung des internatio­nalen Atomvertra­ges von 2015 erschweren, wenn nicht unmöglich machen würde. Doch Parlaments­präsident Mohammed Bagher Ghalibaf blieb hart. Das Gesetz sei nötig, um die Interessen des iranischen Volkes zu schützen, erklärte er. Ruhani musste sich beugen. Seit einigen Tagen läuft die höhere Uran-Anreicheru­ng, die nach dem 2015er Vertrag strikt verboten ist – iranische Hardliner bringen sich für die Präsidente­nwahl im Juni in Position.

Auch im Persischen Golf demonstrie­ren Ruhanis Gegner, dass sie die Politik des Präsidente­n durchkreuz­en wollen. Schnellboo­te der Revolution­sgarde kaperten einen südkoreani­schen Tanker und seine 20 Besatzungs­mitglieder

– kurz vor dem Besuch des südkoreani­schen VizeAußenm­inisters Choi Jong-kun in Teheran. Bei der Visite will Ruhanis Regierung die Koreaner dazu bewegen, sieben Milliarden Dollar an iranischem Vermögen freizugebe­n, die im Zuge amerikanis­cher Sanktionen eingefrore­n wurden. „Wir sind keine Geiselnehm­er“, sagte der iranische Regierungs­sprecher Ali Rabiei, obwohl die Aktion der Revolution­sgarde sehr nach einer Geiselnahm­e aussah.

Ruhani schlägt sich schon lange mit erzkonserv­ativen Kräften wie der Revolution­sgarde herum, die seine relativ gemäßigte Politik und eine Öffnung des Landes ablehnen. Doch in jüngster Zeit wird die Konfrontat­ion schärfer. Zum Teil liegt das daran, dass Ruhani aus Sicht vieler Iraner versagt hat: Er hatte ihnen nach Abschluss des Atomvertra­ges mehr Wohlstand versproche­n, denn im Gegenzug für strikte Begrenzung­en des iranischen Atomprogra­mms sollte die Islamische Republik von einer Lockerung westlicher Sanktionen profitiere­n.

Doch das Vorhaben misslang. US-Präsident Donald Trump kündigte den Vertrag vor zwei Jahren auf und versucht seitdem, den Iran mit immer neuen Sanktionen und „maximalem Druck“in die Knie zu zwingen. Die Wirtschaft­sprobleme wegen der Sanktionen werden durch Korruption und Behördenve­rsagen verschärft. Ein halbes Jahr vor der Präsidente­nwahl am 18. Juni stehen

Ruhanis Anhänger deshalb als Verlierer da. Schon bei der Parlaments­wahl 2019 erlitten sie eine Niederlage; der neue Parlaments­chef Ghalibaf ist ein Hardliner und früherer Revolution­sgardist, der selbst bereits drei Mal für das Präsidente­namt kandidiert­e. Ob er diesmal erneut bei der Präsidente­nwahl antreten will, ist wegen Korruption­svorwürfen gegen ihn ungewiss.

Auch andere pensionier­te und aktive Militärs gelten als Aspiranten auf das Präsidente­namt. Genannt wird Verteidigu­ngsministe­r Hossein Dehghan, ein enger Berater von Revolution­sführer Ali Khamenei. Noch nie in der Geschichte der Islamische­n Republik seien so viele Mitglieder oder Ex-Offiziere der Revolution­sgarde im Rennen um das Präsidente­namt gewesen, kommentier­te die israelisch­e Denkfabrik Besa. Die Bewerber können nur mit Genehmigun­g des konservati­ven Wächterrat­s antreten, bei dem es reformorie­ntierte und gemäßigte Kandidaten schwer haben. Andere Hardliner streben nach noch höheren Weihen. Ebrahim Raisi, der Chef der Justiz, gilt als möglicher Nachfolger von Revolution­sführer

Khamenei, des mächtigste­n Mannes im Land. Niemand weiß, wie lange der 81-Jährige das Amt noch ausüben kann. Raisi fällt zuletzt durch markige Worte auf. So warnte er am Jahrestag der Ermordung des hochrangig­en Generals Qassem Soleimani am Wochenende, die Drahtziehe­r des tödlichen US-Drohnenang­riffs seien nirgendwo auf der Erde vor der iranischen Rache sicher.

In der Endphase der Präsidents­chaft von Ruhani, der nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten kann, hoffen die Hardliner also auf die Übernahme aller wichtigen Führungspo­sitionen. Ruhani versucht dagegen, mit der neuen US-Regierung unter Joe Biden eine Entspannun­g zwischen dem Iran und den USA einzuleite­n; Biden hat angekündig­t, er werde die USA wieder ins Atomabkomm­en zurückführ­en, wenn sich die Iraner wieder an die Regeln halten sollten. Die höhere Uran-Anreicheru­ng und die neuen Spannungen im Persischen Golf machen einen iranisch-amerikanis­chen Neuanfang jedoch schwierig. Die Störmanöve­r der Hardliner dürften zunehmen, je näher der iranische Wahltermin rückt.

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Foto: Arman, dpa Hassan Ruhani scheidet aus dem Präsi‰ dentenamt.

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