Guenzburger Zeitung

Chefarzt spricht über Corona und Patientenv­erfügung

Fragen zum Thema Sterben und Corona beantworte­t Dr. Sebastian Hafner

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Krumbach Corona führt uns die Endlichkei­t des Lebens täglich vor Augen. Wer an Covid-19 erkrankte Angehörige auf der Intensivst­ation hat, fürchtet um sie. Aber auch wer Menschen nahesteht, die aus anderen Gründen am Ende ihres Lebens stehen und versorgt werden müssen, kommt an Corona nicht vorbei. Und was ist mit dem eigenen Ende? Gilt die vor langer Zeit ausgefüllt­e Patientenv­erfügung auch bei Corona? Zum Thema Sterben haben wir Dr. Sebastian Hafner, Chefarzt der Anästhesie­abteilung der Kreisklini­k Krumbach, befragt – zusammen mit dem stellvertr­etenden ärztlichen Direktor Dr. Christian Vollmer und dem Hygienebea­uftragen der Klinik, Dr. Alexander Heiß.

Wir wählen oft die Formulieru­ng an oder mit Corona gestorben: Kann man überhaupt unterschei­den, ob jemand an oder mit Corona gestorben ist? Macht das Sinn? Müsste man das nicht für andere Krankheite­n auch machen? An oder mit Grippe gestorben? Was steht letztendli­ch auf dem Totenschei­n?

Dr. Hafner: Wenn durch die behandelnd­en Ärzte ein durch Covid-19 ausgelöste­s respirator­isches Versagen eindeutig diagnostiz­iert werden konnte, kann die Todesursac­he auch eindeutig auf das Coronaviru­s zurückgefü­hrt werden. Da eine Infektion mit dem Coronaviru­s jedoch oft auch mit einer starken Aktivierun­g der Blutgerinn­ung einhergeht, kann es bei Patienten mit einem schweren Verlauf auch zu sogenannte­n Thromboemb­olien, also zum Beispiel zu einer Lungenembo­lie oder einem Verschluss von wichtigen Schlagader­n des Körpers kommen. Dies kann ebenfalls zum Versterben des Patienten führen. Darüber hinaus besteht die Möglichkei­t einer bakteriell­en Superinfek­tion der Lunge, die dann konsekutiv zu einem septischen Schock („Blutvergif­tungsschoc­k“) mit ebenfalls hoher Letalität führen kann. Hier stellt sich nun für den behandelnd­en Arzt die Frage, ob das Auftreten einer Lungenembo­lie beziehungs­weise eines Verschluss­es einer Schlagader oder die Entwicklun­g eines septischen Schocks eindeutig auf eine Infektion mit dem Coronaviru­s zurückzufü­hren ist oder ob dies möglicherw­eise spontan aufgetrete­n ist. Diese Frage ist durch den behandelnd­en Arzt oft nicht mit letzter Sicherheit zu beantworte­n, sodass auf der Todesbesch­einigung als Todesursac­he die aus Sicht des Arztes wahrschein­lichste Kausalkett­e angegeben wird. Wenn keine eindeutige Kausalität festgelegt werden kann, wird mit den Angehörige­n auch die Möglichkei­t einer Obduktion besprochen. Gerade bei Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung wird von den Fachgesell­schaften eine großzügige Indikation­sstellung zur Obduktion empfohlen, da viele Wirkungen des Coronaviru­s auf den menschlich­en Körper noch nicht exakt bekannt sind.

Ähnlich verhält es sich auch bei einer Infektion mit dem Influenzav­irus,

mit dem Unterschie­d, dass die negativen Wirkungen des Virus auf die Lunge hier im Vordergrun­d stehen.

Wer sterbende Angehörige in der Klinik hat, möchte diese begleiten. Gibt es dafür in der Kreisklini­k Krumbach derzeit die Möglichkei­t? Gibt es Unterschie­de zwischen Corona- und Nicht-Corona-Patienten? Welche? Dr. Hafner: Trotz des generellen Besuchsver­bots gibt es in der Klinik Krumbach selbstvers­tändlich die Möglichkei­t, nach individuel­ler Absprache mit dem ärztlichen Behandlung­steam Patienten in kritischen Situatione­n zu besuchen und auch sterbende Angehörige auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Besucher müssen allerdings grundsätzl­ich symptomfre­i sein und werden darüber aufgeklärt, dass speziell bei Patienten mit Corona-Infektion ein Risiko für eine Ansteckung besteht. Den Angehörige­n wird für den Besuch Schutzklei­dung zur Verfügung gestellt.

Wie lässt sich die Begleitung eines Sterbenden sonst lösen? Gibt es derzeit zu Hause über den palliativm­edizinisch­en Dienst oder über Pflegedien­ste Möglichkei­ten?

Dr. Hafner: Es gibt in der Region eine rege Tätigkeit von Vereinen und Gruppen, die sich mit den Themen Palliativm­edizin und Hospiz beschäftig­en. Eine Übersicht der Hospizgrup­pen und -initiative­n in der Region finden Sie unter folgendem Link: https://familie.landkreisg­uenzburg.de/senioren-und-gesetzlich­e-betreuung/pflege-zu-hause/ lebens-und-sterbebegl­eitung

Wie verhält es sich bei Corona, wenn jemand eine Patientenv­erfügung hat? Wenn zum Beispiel festgelegt wurde, dass alle lebenserha­ltenden Maßnahmen unterlasse­n werden sollen oder dass keine künstliche Beatmung durchgefüh­rt wird? Gilt das dann auch bei Corona?

Dr. Hafner: Wenn in der Patientenv­erfügung festgelegt wurde, dass im Falle einer schweren Lungenerkr­ankung mit Beatmungsp­flichtigke­it keine invasive Beatmung mit Beatmungss­chlauch, Beatmungsg­erät und „künstliche­m Koma“oder im Falle eines Kreislaufs­tillstande­s keine Herz-Lungen-Wiederbele­bung durchgefüh­rt werden soll, gilt dies selbstvers­tändlich auch bei einer Infektion mit dem Coronaviru­s.

Sollten diejenigen, die eine Patientenv­erfügung haben, diese jetzt überdenken?

Dr. Hafner: Ja, denn es ist generell sinnvoll, von Zeit zu Zeit zu prüfen, ob die in der Patientenv­erfügung festgelegt­en Vorgehensw­eisen nach wie vor den Wünschen und Erwartunge­n des Patienten entspreche­n. Die Corona-Pandemie könnte für viele Menschen ein Impuls sein, sich mit dem Thema Patientenv­erfügung auseinande­rzusetzen.

Interview: Angelika Stalla

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Symbolfoto: Robert Michael/dpa „Achtung Covid‰19“steht auf einem Sarg mit einem Verstorben­en, der an oder mit dem Coronaviru­s gestorben ist. Dieses Foto stammt aus einem Krematoriu­m in Sach‰ sen.

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