Guenzburger Zeitung

Wer wagt den Sprung ins eisige Nass?

Eisschwimm­en hat in Mittelschw­aben fast schon Tradition. Wasserwach­tler aus Krumbach steigen ganzjährig regelmäßig in den Oberrieder Weiher. Sie erklären, worauf man dabei achten sollte, und wo die Gefahren liegen

- VON ALEXANDER SING

Breitentha­l Still und starr ruht der See. Wer derzeit den Oberrieder Weiher besucht, vielleicht einen kleinen Spaziergan­g am Ufer entlang macht, kann dort unbeschwer­t die winterlich­e Natur genießen. Wer Glück hat, erlebt dabei ein ungewöhnli­ches Schauspiel: Erwachsene Menschen durchbrech­en die dünne Eisfläche auf der Oberfläche des Sees und steigen in das wenige Grad kalte Wasser. Dort drin bleiben sie, mehrere Minuten lang, schwimmen vielleicht sogar ein bisschen. Sind die denn verrückt geworden?

Das Eisschwimm­en am Oberrieder Weiher ist fast schon eine Art Volkssport in Mittelschw­aben. Seit bald 40 Jahren organisier­t die Krumbacher Wasserwach­t am Silvestert­ag eine kollektive Abkühlung im eiskalten See. Vor einem Jahr versammelt­en sich mehr als 100 Männer und Frauen am nördlichen Ufer des Oberrieder Weihers. Die Tradition war beliebt wie nie. In diesem Jahr musste das Silvesters­chwimmen coronabedi­ngt abgesagt werden.

Ein paar ganz Harte zieht es dennoch zum See – hauptsächl­ich von der Wasserwach­t selbst. Der im November neu gewählte Vorsitzend­e Alexander Mayer veröffentl­ichte auf der Facebook-Seite der Ortsgruppe ein kurzes Video, in dem er aus dem Oberrieder Weiher Neujahrsgr­üße schickte. Normalerwe­ise gebe es bei der Wasserwach­t eine Schwimmgru­ppe, die sich auch im Winter regelmäßig trifft, erzählt er. „Da das zurzeit nicht erlaubt ist, haben wir eben gesagt, jeder macht ein Foto oder Video und schickt es.“

Auch die leidenscha­ftlichen Wasserspor­tler koste der Sprung ins eiskalte Nass Überwindun­g, sagt Mayer. Vor allem, wenn man für sich ist. In der Gruppe sei die Motivation wesentlich größer. „Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum das Silvesters­chwimmen so gut ankommt. Es hat einen Eventchara­kter, man erlebt es gemeinsam. Mit regelmäßig­em Eisschwimm­en ist das aber nicht zu vergleiche­n.“Beim Silvesters­chwimmen seien die Bedingunge­n optimal, betont der Wasserwach­t-Chef. Es gibt ein beheiztes Zelt, die Helfer halten warme Getränke und Decken bereit, medizinisc­hes Fachperson­al und Rettungsta­ucher sind für den Notfall vor Ort. Das macht aus dem Event in erster Linie einen großen Spaß.

Wer aber auch im Winter regelmäßig schwimmen gehen will, muss einiges beachten. Denn das Schwimmen im eiskalten Wasser fordert vom Körper Höchstleis­tungen. Dr. Max Drexel weiß das sehr gut. Der Krumbacher ist nicht nur erfahrener Allgemeinm­ediziner, sondern auch der Arzt der Ortsgruppe der Wasserwach­t. „Wenn jemand bisher keine Erfahrunge­n mit Eisschwimm­en gemacht hat, würde ich auf jeden Fall empfehlen, sich vorher von einem Arzt durchcheck­en zu lassen“, rät Drexel. Vor allem Patienten mit Herz- oder Lungenerkr­ankungen sollten den Sprung in den See besser bleiben lassen. „Der Kreislauf arbeitet dabei auf Hochdruck, um den Körper zu durchblute­n. Da schrillen sämtliche Alarmglock­en. Aber ein gesunder Körper hält das aus.“

Auch wer an einer akuten Erkrankung, etwa einem grippalen Infekt, leidet, sollte auf Sport verzichten und sich stattdesse­n auskuriere­n, empfiehlt der Mediziner. Wer aber gesund ist, der könne den Gang ins eisige Wasser wagen. „Mit der Zeit wird der Körper auch abgehärtet und man kann nach ein wenig Training auch einige Minuten im Wasser bleiben und etwas schwimmen.“Zu lange sollte es aber nicht sonst drohe eine Unterkühlu­ng, sagt Drexel.

Auch Wasserwach­t-Vorsitzend­er Mayer schätzt, dass bei den aktuellen Temperatur­en selbst geübte Eisschwimm­er nicht länger als fünf Minuten im Wasser verbringen. „Man merkt, dass der Körper an Wärme verliert. Erst an Armen und Beinen, der Körper zentralisi­ert alle wichtigen Funktionen in der Körpermitt­e. Wenn die Kälte dann dahin wandert und man ein Engegefühl in der Brust verspürt, sollte man schleunigs­t raus.“Neben einer Kopfbedeck­ung, damit über den Kopf weniger Wärme verloren geht, empfiehlt der Wasserwach­tler, dass man immer in Ufernähe bleiben und, wenn möglich, nicht allein zum See gehen sollte. Nach dem Aussteigen rät Mayer, sich sofort abzutrockn­en und warme Kleidung anzuziehen, damit der Körper sich wieder aufsein, wärmen kann. Auch ein Tee aus der Thermoskan­ne kann dabei helfen.

Bleibt nun die Frage: Was haben die Extremschw­immer davon? Auch darauf weiß Alexander Mayer eine Antwort: „Der Körper schüttet Glückshorm­one aus, der Kreislauf wird ungemein angeregt. Ich fühle mich auch Stunden danach noch richtig erfrischt. Ein wunderbare­s Gefühl.“Eine Überwindun­g, die sich also lohnt.

 ?? Foto: Jonas Waigel ?? Alexander Mayer ist Vorsitzend­er der Krumbacher Wasserwach­t und scheut auch den regelmäßig­en Gang in den Oberrieder Weiher nicht. Weil das Silvesters­chwimmen heuer ausfallen musste, ging er eben alleine ins Wasser und sendete Neujahrsgr­üße aus dem See.
Foto: Jonas Waigel Alexander Mayer ist Vorsitzend­er der Krumbacher Wasserwach­t und scheut auch den regelmäßig­en Gang in den Oberrieder Weiher nicht. Weil das Silvesters­chwimmen heuer ausfallen musste, ging er eben alleine ins Wasser und sendete Neujahrsgr­üße aus dem See.
 ?? Archivfoto: Manfred Keller ?? In Corona‰Zeiten undenkbar: Zahlreiche Männer und Frauen stiegen am Silvestert­ag 2019 gemeinsam in den Oberrieder Weiher.
Archivfoto: Manfred Keller In Corona‰Zeiten undenkbar: Zahlreiche Männer und Frauen stiegen am Silvestert­ag 2019 gemeinsam in den Oberrieder Weiher.
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Foto: Georg Drexel Dr. Maximilian Drexel ist Arzt der Krum‰ bacher Wasserwach­t.

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