Die Zeit: jetzt noch genauer
Ein neues Verfahren zur Messung mit optischen Atomuhren
Zwei US-Gruppen von Physikern haben neue Verfahren entwickelt, um optische Atomuhren zu verbessern. Ein Team um Adam Kaufman und Jun Ye von der University of Colorado und dem National Institute of Standards and Technology in Boulder konnte Atome so isolieren, dass mit ihren bestimmten Zuständen präziser gemessen werden kann. Und Forschern um Vladan Vuletiae vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge gelang es, die Dauer einer hochpräzisen Messung auf ein Viertel zu verkürzen. Beide Gruppen stellen ihre Verfahren im Fachblatt Nature vor.
Atomuhren gehören zu den genauesten Messinstrumenten der Physik. Sie bestimmen die Zeit, indem sie bestimmte Schwingungen von Elektronen in Atomen zählen. Je schneller die Schwingungen sind, desto präziser lässt sich die Zeit darüber messen. Die derzeit in Atomuhren gängigen Cäsium-Atome schwingen etwa neun Milliarden Mal pro Sekunde.
Während ihre Schwingungen somit im Bereich der Mikrowellen liegen, gehen optische Atomuhren noch darüber hinaus: Ihre Schwingungen sind so schnell, dass sie im Spektralbereich des sichtbaren Lichts liegen. Optische Atomuhren sind bisher so exakt, dass sie über das gesamte Alter des Universums, rund 13,7 Milliarden Jahre, etwa eine halbe Sekunde falsch gehen würden.
Doch für manche Prozesse werden noch genauere Uhren benötigt, etwa zur Messung von Gravitationswellen oder zur exakten Messung von Höhenunterschieden des Meeresspiegels. Zudem könnten in der Grundlagenforschung mit hochpräzisen Atomuhren eventuell neue physikalische Phänomene entdeckt werden, sagt Christian Lisdat von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. Er nennt aber auch eine praktische Bedeutung für im Alltag genutzte Zeitsignale: „Bei jeder Weitergabe des Signals entsteht ein leichter Präzisionsverlust, der umso kleiner ist, je genauer das Originalsignal ist.“
Klassische Atomuhren messen die Zeit durch Schwingungen von Elektronen in einzelnen Ionen oder Atomen. Dadurch ergeben sich Ungenauigkeiten, die typisch sind für die Quantenwelt: Denn hier liefert nur der statistische Durchschnitt vieler Messungen ein präzises Ergebnis, so wie nur viele Würfe eines Würfels in etwa zu einer Gleichverteilung der gewürfelten Zahlen führen.
Systeme mit mehreren Atomen können hier Abhilfe schaffen: „Wenn man die Anzahl der Atome erhöht, geht der Durchschnitt all dieser Atome in Richtung des richtigen Werts“, wird Co-Autorin Simone Colombo vom MIT in einer Mitteilung ihres Instituts zitiert. Dafür entstehen aber neue Probleme durch Wechselwirkungen der Atome untereinander.
Genau darauf zielt der Ansatz der Gruppe aus Colorado ab: Kaufman und Ye nutzten optische Pinzetten, bei denen Laserstrahlen einzelne Atome des Elements Strontium an einem genau definierten Ort festhalten. Damit lassen sich die Abstände zwischen den einzelnen der etwa 150 Atome so vergrößern, dass ihre gegenseitige Beeinflussung minimiert wird und es während der Messung nicht zu Sprüngen einzelner Atome kommt.
In Experimenten vibrierte die Elektronenhülle einer Auswahl dieser Atome länger als 30 Sekunden im Gleichklang mit derselben Frequenz, was präzisere Messungen ermöglicht. Dieses Verfahren könnte künftig auch jenseits der Zeitmessung genutzt werden. „Mit der Fähigkeit, jedes einzelne Atom adressieren zu können, kann eine Programmierbarkeit in die Quantenerfassung und Informationsverarbeitung eingebracht werden“, betont Ye laut einer Mitteilung seiner Universität. Solche Prozesse werden benötigt, um sehr schnelle Quantencomputer zu entwickeln.
Die Gruppe um MIT-Forscher Vuletiae nutzte das Quantenphänomen der Verschränkung von Atomen für die Verbesserung der Messqualität. Wenn man die Eigenschaften eines Atoms misst, erfasst man damit auch die Eigenschaften der mit ihm verschränkten Atome. Auf diese Weise ermöglichen verschränkte Atome eine schnellere Messung, ohne dass es Einbußen bei der Präzision gibt. „Durch Verschränkung verbesserte optische Atomuhren können in einer Sekunde eine bessere Präzision erreichen als derzeitige optische Uhren nach dem Stand der Technik“, sagt Erstautor Edwin Pedrozo-Peñafiel.
In ihrem experimentellen Aufbau verschränkten die MIT-Forscher etwa 350 Ytterbium-Atome miteinander. Würden hochmoderne Atomuhren verschränkte Atome so messen wie das MIT-Team, würde sich ihr Timing deutlich verbessern: Dann würden die Uhren über das gesamte Zeitalter des Universums weniger als 100 Millisekunden falsch gehen, so die Wissenschaftler aus Cambridge. Stefan Parsch