Guenzburger Zeitung

„Hier im Haus bin ich jetzt der Chef“

Bayerns neuer Gesundheit­sminister Klaus Holetschek geht selbstbewu­sst, aber auch mit „Demut und Respekt“an seine Aufgabe heran. Er setzt auf weniger Bürokratie, mehr Flexibilit­ät und denkt schon an die Zeit nach Corona

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Herr Holetschek, Sie waren knapp ein halbes Jahr lang Staatssekr­etär im bayerische­n Gesundheit­sministeri­um, seit Freitag sind Sie der verantwort­liche Minister. Spüren Sie eine Veränderun­g?

Klaus Holetschek: Ja, die Verantwort­ung ist sicherlich gewachsen. Ich habe mit Ministerin Huml gut zusammenge­arbeitet. Wir waren ein Team und ich weiß, worum es hier geht. Ich gehe mit Demut und Respekt an die Aufgabe heran.

Sie sind mit mächtig viel Vorschussl­orbeeren ins Amt gestartet. Es heißt, Sie seien ein zupackende­r, entschluss­freudiger Praktiker. Jetzt mal ganz praktisch: Wo packen Sie zuerst an? Holetschek: Ich glaube, dass wir flexibler und effektiver werden und dass wir Prozesse optimieren müssen. Ein Beispiel ist das Impfen. Wir haben den ersten Aufschlag gemeinsam mit Oberbürger­meistern und Landräten gut hinbekomme­n. Jetzt geht es darum, das zu verstetige­n. Aktuell haben wir bereits mehr als 124000 Menschen ein erstes Mal geimpft. Zugleich müssen wir überlegen, wie wir noch schneller werden können, sobald mehr Impfstoff zur Verfügung steht. Vor allem brauchen wir eine Antwort, wie wir die Menschen erreichen, die nicht mehr mobil sind und deshalb nicht problemlos zu den Impfzentre­n kommen können. Ich denke da zum Beispiel an den Einsatz von Impfbussen. Außerdem müssen wir uns auf mögliche neue Probleme durch Mutationen des Virus einstellen. Ich setze dazu eine Expertenko­mmission ein. Sie soll untersuche­n, wie groß die Gefahr ist und welche Handlungsm­öglichkeit­en wir haben.

Wer sich Pressemitt­eilungen des Ministeriu­ms aus der Vor-Corona-Zeit anschaut, der bekommt den Eindruck von einer Behörde, die ruhig und gemächlich ihre Arbeit macht. Da wird im Frühling vor Zecken gewarnt, im Herbst zur Grippeschu­tzimpfung aufgerufen und zwischendu­rch ein bisserl Gesundheit­spolitik gemacht. Jetzt geht es deutlich brisanter zur Sache. Wie geht das, eine Behörde mit standardis­ierten bürokratis­chen Abläufen zu einem schnell reagierend­en Krisen-Aktionszen­trum zu machen?

Holetschek: Gute Frage. Die ehrliche Antwort lautet: Das ist selbstvers­tändlich nicht einfach, weil es für diese besondere Situation keine Blaupause gibt. Aber ich bin da guter Dinge. Ich erlebe die Mitarbeite­r hier im Ministeriu­m und draußen in den Gesundheit­sämtern als äußerst motiviert und engagiert. Jetzt kommt es darauf an, uns von bürokratis­chen Abläufen ein Stück weit zu verabschie­den, um schneller und flexibler zu werden. Da haben wir noch Potenzial. Bürokratis­che Hemmnisse müssen beseitigt werden, jeder muss Verantwort­ung übernehmen. Daran arbeiten wir. Fehler können passieren, nur wiederhole­n dürfen sie sich nicht.

Die Opposition im Landtag hat vor Ihrer Ernennung nicht mit Kritik an der bisherigen Arbeit des Ministeriu­ms gespart: Testpannen im Sommer, der Streit um die Kühlboxen für Impfstoffe, Mängel in der Digitalisi­erung der Gesundheit­sämter. Können Sie Kritik annehmen?

Holetschek: Ich bin ein Mensch, der nach dem Motto lebt, dass wir uns immer darum bemühen sollten, besser zu werden. Konstrukti­ve Kritik nehme ich gerne an, Kritik rein aus politische­m Kalkül akzeptiere ich nicht. Im Nachhinein klüger zu sein, ist einfach. Aber noch einmal: Ich mich jeder konstrukti­ven Diskussion. Das war immer mein Credo und so bleibt es.

Wo gibt es aus Ihrer Sicht den größten Handlungsb­edarf?

Holetschek: Wir haben nie gedacht, dass der Öffentlich­e Gesundheit­sdienst jemals in eine solche Situation kommen könnte wie jetzt. Deshalb haben wir erst einmal das Personal massiv aufgestock­t. Aktuell liegt der Fokus auf der Bekämpfung der Pandemie. Danach aber müssen wir die Lehren aus den Erfahrunge­n ziehen. Da müssen wir radikal und mutig denken und handeln. Wir haben die Chance, stärker aus der Krise herauszuko­mmen, als wir hineingega­ngen sind. Insbesonde­re bei der Pflege brauchen wir konkrete Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Situation. Diskutiert wird darüber schon lange. Es ist an der Zeit, endlich zu handeln.

Noch mal zu Corona. Lassen Sie uns doch die einzelnen Streitthem­en durchgehen. Beginnen wir mit der

Impfstrate­gie. Hier wird ein „regionaler Flickentep­pich“kritisiert. Angeblich macht es jeder Landrat und jeder Oberbürger­meister ein bisschen anders und die Bürger sind offenbar unterschie­dlich gut informiert. Holetschek: Als ehemaliger Bürgermeis­ter sehe ich das anders. Wir haben in Zusammenar­beit mit Landräten und Oberbürger­meistern in Rekordzeit 99 Impfzentre­n etabliert. Das hat gut funktionie­rt. Das sollten wir so fortsetzen. Der Staat muss die Leitplanke­n einziehen, vor Ort wissen Bürgermeis­ter und Landräte am besten, wie so etwas praktisch und zielorient­iert umzusetzen ist.

Einigermaß­en grotesk erscheint die Sache mit den Campingbox­en, die zur Kühlung des Impfstoffs genutzt werden. Es gibt einen Hersteller von Spezialbox­en, der sagt, dass Campingbox­en für den Zweck nicht taugen. Holetschek: Dass es an einigen Orten Probleme gab, lag nicht an den Kühlboxen, sondern an falscher Handhabung. Die Kühlboxen wurden durch das Landesamt für Gestelle sundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it umgehend überprüft.

Ein Dauerthema ist die Überlastun­g der Gesundheit­sämter. Die Software SORMAS zur Nachverfol­gung wird angeblich nur von einem der 76 Gesundheit­sämter in Bayern genutzt, zumeist werde noch mit Stift und Papier gearbeitet. Wie sehen Sie die Lage? Holetschek: Wir haben im Moment 19 Gesundheit­sämter, die SORMAS aktiv nutzen, weitere 14 sind unmittelba­r vor der Freischalt­ung und weitere folgen. Ich gehe davon aus, dass das Thema bis spätestens 1. Februar größtentei­ls umgesetzt ist.

Im Sommer lautete das Motto „Testen, Testen, Testen“. Aktuell steht das nicht im Vordergrun­d, weil angesichts der hohen Infektions­zahlen ohnehin kaum mehr Nachverfol­gung möglich ist. In einigen Wochen könnte das – hoffentlic­h – wieder anders sein. Muss dann die Teststrate­gie zielgenaue­r organisier­t werden?

Holetschek: Dass Nachverfol­gung nicht mehr möglich ist, stimmt nicht, sie wird nur schwierige­r, je höher die Inzidenzwe­rte sind. Wir testen nach wie vor in hohem Maße und auch ganz gezielt in Alten- und Pflegeheim­en sowohl Besucher als auch Personal. Wir bleiben bei dem Dreiklang: Impfen, Testen, Nachverfol­gung. Klar ist, dass die Teststrate­gie immer weiter optimiert und angepasst wird.

Muss bei der Kontrolle der CoronaRege­ln nachgebess­ert werden? Gemeindeta­gspräsiden­t Uwe Brandl hat vorgeschla­gen, zur Kontrolle der 15-Kilometer-Regel für Hotspots Handydaten zu nutzen. Was sagen Sie dazu? Holetschek: Im Grundsatz verstehe ich Vorstöße, die den Gesundheit­sschutz in einer Pandemie stärken wollen. Aber diesen Vorschlag unterstütz­en wir nicht, da es erhebliche rechtliche Bedenken gibt. Außerdem stellen sich die Fragen nach der praktische­n Anwendbark­eit.

Die SPD-Gesundheit­spolitiker­in Ruth Waldmann hat im Landtag die provoziere­nde Frage gestellt, wer denn nun der Corona-Koordinato­r in Bayern ist. Haben Sie eine Antwort? Holetschek: Ich schätze Frau Waldmann als Fachpoliti­kerin, aber sie weiß natürlich, dass Corona eine Querschnit­tsaufgabe ist, an der die Staatskanz­lei und mehrere Ministerie­n beteiligt sind. Hier im Haus bin ich jetzt der Chef.

Interview: Uli Bachmeier

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Klaus Holetschek ist der neue bayerische Gesundheit­sminister. Er folgt auf Melanie Huml, hier im Hintergrun­d zu sehen, die in die Staatskanz­lei wechselt.
Foto: Sven Hoppe, dpa Klaus Holetschek ist der neue bayerische Gesundheit­sminister. Er folgt auf Melanie Huml, hier im Hintergrun­d zu sehen, die in die Staatskanz­lei wechselt.

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